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Dr. Johann Wadephul zu TOP 27:Die geringer werdende Meinungsvielfalt ist bedauerlich
Nr. 204/06 01. Juni 2006 IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG PRESSEMITTEILUNG Pressesprecher Dirk Hundertmark Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de Es gilt das gesprochene Wort Medienpolitik Dr. Johann Wadephul zu TOP 27: Die geringer werdende Meinungsvielfalt ist bedauerlich Der Bericht der Landesregierung zur Situation und Entwicklung der Printmedien in Schleswig-Holstein zeigt eine gewisse Hilflosigkeit. Eigenes kann die Exekutive zu diesem Thema fast nicht beitragen. Alle wesentlichen Informationen konnten nur ü- ber Dritte erhoben werden. Es gibt keinen staatlichen Apparat, der politisch oder verwaltungsmäßig die Thematik behandelt. Das liegt in der Natur einer freien und staatsfernen Presse. Es belegt die Unabhängigkeit der Presse und ihrer Arbeit von staatlichem Handeln. Das ist richtig, wichtig und gut so! Doch alle Unabhängigkeit kann nicht die Folge haben, dass das Parlament über Me- dienkonzentration, ausgedünnte politische Berichterstattung und zunehmende Kom- merzialisierung nicht diskutieren dürfte. Die Ergebnisse der Befragung verschiedener Institutionen und Verbände durch die Landesregierung mit den durchaus unterschiedlichen Bewertungen der Situation las- sen etliche interessante Rückschlüsse zu, die sich teilweise auch mit meinen persön- lichen Erfahrungen decken.Zunächst die schlichte Erkenntnis, dass wie in fast allen wirtschaftlichen Bereichen auch bei den Printmedien in den letzten Jahren ein umfassender Rationalisierungs- kurs stattfindet. Es führt zu internen Umstrukturierungen und zu einem deutlichen Personalabbau sowohl in den Verlagshäusern insgesamt als auch in den Redaktio- nen. Obwohl sich die Anzahl der Lokalredaktionen in den vergangenen Jahren von 52 auf 50 kaum verringert hat, sind heute rund 70 Redakteure und damit 15% weni- ger als noch im Jahr 2000 in den Verlagen beschäftigt. Bei diesen Zahlen ist aller- dings nicht berücksichtigt, dass redaktionelle Arbeit verstärkt auch durch freie Jour- nalisten mit Auftragsarbeiten durchgeführt wird. Der Deutsche Journalistenverband Schleswig-Holstein weist auf die Problematik der Existenznot vieler dieser freien Journalisten hin. Das Einkommen durch diese Arbeit kann danach oft kaum mehr als Vollerwerb bezeichnet werden.Auch wenn es in den letzten 15 Jahren, im Gegensatz zu den neuen Bundesländern, in Schleswig-Holstein kaum Veränderungen der publizistischen Einheiten, gemeint sind damit Zeitungen mit eigener Kernredaktion und einheitlichem Mantel, gegeben hat, findet eine Überschneidung der Verbreitungsgebiete einzelner Publikationen immer weniger statt. Die Konzentration scheint im Land weitestgehend abgeschlos- sen zu sein. Es gibt mit den Kieler Nachrichten, den Lübecker Nachrichten und den Titeln des sh:z Verlages drei große regionale Tageszeitungenin Schleswig-Holstein, die bis auf einige wenige räumliche Überschneidungen kaum in Konkurrenz zueinander treten.Dieses ist unter dem Gesichtspunkt der Meinungsvielfalt bedauerlich. Ich selber habe es noch in den Anfängen meiner politischen Arbeit erlebt, dass mehrere Journalisten verschiedener Zeitungen aus einem Verbreitungsgebiet bei Pressekonferenzen er- schienen sind, und um die beste Berichterstattung gerungen haben. Dieses hat die politische Arbeit belebt und vor allem die Berichterstattung über Politik vielseitiger, informativer und damit interessanter gemacht. Ich bedaure diesen Rückgang an Viel- falt und Umfang, der sich im Übrigen auch bei den privaten und öffentlich-rechtlichen Funkhäusern wiederfindet, ausdrücklich. Der Trend zu „klein, bunt und kurz“ mag für oberflächliche Betrachtung ganz nett sein, ist aber für die Vermittlung und Information komplexer Themen nicht geeignet und sollte uns als Landespolitiker mit Sorge erfül- len.Die Kritik des Journalistenverbandes des Wettbewerbsverlustes bezogen auf die Printmedien, die oft als einzige über lokale Ereignisse berichten, ist daher durchaus nachvollziehbar. Wie bei allen Unternehmen ist auch eine Kritik an Medienunterneh- men zulässig. Staatliche Einflussnahme darf es nicht geben. Aber alle Unternehmen haben auch eine ethische Verantwortung und müssen sich gegebenenfalls öffentli- cher Kritik stellen.Andererseits sind Zeitungs- und Zeitschriftenverlage Wirtschaftsunternehmen und eben nicht öffentlich-rechtliche oder staatliche Institutionen für die Berichterstattung. Ihre Struktur und ihr Agieren wird durch Marktfaktoren bestimmt. Sie müssen wirt- schaftlich arbeiten und müssen Gewinne erzielen, wenn sie am Markt überleben wol- len. Die Verlage finanzieren sich durchschnittlich zu 45 % aus Anzeigenerlösen, 45 % aus Vertriebserlösen und 10 % aus Fremdbeilagen. Bei den Vertriebserlösen kommen über 90 % von den Abonnenten bei durchgängig leicht rückläufiger Entwick- lung der Auflagen. Sie müssen also ihre Leser täglich überzeugen und versuchen, sie an ihr Produkt zu binden und sie müssen für Anzeigenkunden attraktiv sein. Ein Rückzug aus Gebieten, in denen man relativ wenig Abonnenten hat und damit auch kaum lokale Anzeigenkunden gewinnen kann, liegt unter wirtschaftlicher Be- trachtung daher auf der Hand. Interessant bleiben dann nur die Vertriebsgebiete, in denen reale Chancen bestehen, einen großen Leserstamm zu halten oder diesen sogar zu vergrößern.Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt: Gesellschaftliche und technische Veränderungen machen vor den Verlagen nicht halt. Der kräftige Einbruch von Anzeigenaufträgen seit dem Jahr 2000 - ein typisches Indiz für gesamtwirtschaftliche Stagnation - und die zu- nehmende Bedeutung von Online-Angeboten stellen die Verlage vor besondere Her- ausforderungen. Die Ausgliederungen von Redaktionen, also Outsourcing, findet sich deshalb in den Medienverlagen genauso wieder, wie in allen anderen wirtschaftli- chen Bereichen. Die Landesregierung weist in ihrem Bericht zu Recht darauf hin, dass diese Praxis, ebenso wie Formen von Leiharbeit oder Mitgliedschaften von Ar- beitgeberverbänden ohne Tarifbindungen, keine Besonderheiten des Verlagsgewer- bes darstellen. In diesem Zusammenhang sind auch die Zielkonflikte für journalisti- sche Arbeit zu sehen, wenn Verlage mit Tochterfirmen gleichzeitig als Eventagentu- ren arbeiten, Veranstaltungen organisieren, vermarkten und darüber berichten. Spe- ziell diese Problematik sollte imHinblick auf eine Unabhängigkeit der Berichterstattung in der Ausschussberatung vertieft werden.Aus dem Bericht ergibt sich, dass eine massive weitere Konzentration in Schleswig- Holstein in den letzten Jahren nicht stattgefunden hat.Eine ganz andere Frage zum Thema Verlagsbeteiligungen und Meinungsvielfalt stellt sich, wenn es um den direkten Einfluss von Parteien auf Verlage geht. Immerhin ist die SPD die einzige politische Partei in Deutschland, die umfassende Medienbeteili- gungen unterhält. Über ihre Medienholding DDVG hält sie Anteile an über 70 Zeitun- gen mit einer Gesamtauflage von über 6 Millionen Exemplaren und 12 Millionen Le- sern. Darüber hinaus ist sie an 30 Radiosendern beteiligt mit über 10 Millionen Hö- rern, an 2 Fernsehsendern mit über 1 Millionen Zuschauern und an einem Kinder- buchverlag. Diese Beteiligungen spielen für Schleswig-Holstein bisher nur eine un- tergeordnete Rolle. Bei aller Kritik an der bisherigen Entwicklung: Eine Medienhol- ding einer politischen Partei ist keine Lösung, sie trägt mit Sicherheit nicht zu mehr Meinungsvielfalt bei. Der Bericht der Landesregierung zur Situation und Entwicklung der Printmedien in Schleswig-Holstein zeigt eine bedauerliche aber keineswegs eine alarmierende Ent- wicklung. Weder Exekutive noch Legislative sind berufen, eingreifend tätig zu werden. Doch muss sich die so genannte 4. Gewalt einer öffentlichen, auch kritischen Diskussion stellen. Deshalb wollen und werden wir die Diskussion über den Bericht im Aus- schuss fortführen.