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Anke Spoorendonk zu TOP 3 - Gesetz zum Medienstaatsvetrag Hamburg/Schleswig-Holstein
PresseinformationKiel, den 28.06.2006 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 3 Gesetz zum Medienstaatsvertrag HSH Drs. 16/820Der vorgelegte Medienstaatsvertrag ist der faktische Abschied einer lebendigenMedienlandschaft in unserem Land. Zwei Anstalten werden fusioniert - vorher wird aberdie ULR erst einmal in der Mitte durchgeteilt, indem ihr die Kompetenz für den OffenenKanal abgenommen wird. Insgesamt gilt: Die neue Medienanstalt wird Kompetenzenaus Schleswig-Holstein abziehen, Kompetenzen abgeben und Unabhängigkeit verlieren.Nicht hinnehmbar ist schließlich auch, dass sich die beiden Landesregierungenwesentliche Einflussmöglichkeiten auf die Arbeit der neuen Medienanstalt sichern. Sokönnen sie mit unbegrenzter Mitarbeiterzahl an den Sitzungen des Medienratesteilnehmen und müssen dort auch jederzeit gehört werden.Auch inhaltlich ist der Vertrag höchst problematisch. – Soll heißen, dass dieDigitalisierung der Medien andere Hör- und Sehgewohnheiten nach sich ziehen wird.Die Bundeskanzlerin hat bereits darauf reagiert, indem sie regelmäßig ihren eigenen 2Video-Podcast anbietet. Doch das Land Schleswig-Holstein verabschiedet sich aus dieserEntwicklung, indem es sich mutwillig zum Wurmfortsatz einer HamburgerMedienpolitik machen lässt. Mehr als eine Medienzulassungsbehörde wird bei derneuen Anstalt nicht herauskommen. Eine Beratung und Förderung des dualenRundfunks unterbleibt! Das hat sogar die Betreiber privater Sender auf den Plan gerufen,die sich vertraulich an Hamburgs Wirtschaftssenator gewandt haben und dasAusbleiben einer Förderung beklagten.Auch im Bereich der Forschung wird es keine ernsthaften Signale aus dem Nordengeben, denn der Vertrag sieht Forschung nicht vor. Neue Plattformen mit einemgemischten Angebot passen mit anderen Worten nicht in das Zulassungsrecht desneuen Staatsvertrages. Das wäre so, als würde man der Automobilindustrie dieEntwicklung neuer Motoren verbieten. Die Kritiker nennen die neue Anstalt denn auchzutreffend Rumpfanstalt, die sich vieler, notwendiger Steuerungsinstrumente versagt.Was übrig bleibt, ist eine Medienanstalt, die lediglich Lizenzen vergibt. Aber nicht einmaldas macht sie laut Staatsvertrag besonders gut. Als Beispiel sei das Thema terrestrischeÜbertragungskapazitäten genannt: Das Schiedsverfahren, das in § 22 vorgestellt wird,ist derartig kompliziert, dass eine Klärung sehr unwahrscheinlich ist. Man könnte fastder Meinung sein, dass eine Klärung gar nicht beabsichtigt ist. Der SSW schließt sichdaher der ULR an, die stattdessen die Übernahme des bewährten Verfahrens ausMecklenburg-Vorpommern empfiehlt, das die Entscheidung den Medienanstaltenüberträgt statt einer Schiedsstelle. 3Der Gesetzentwurf zum Offenen Kanal deutet aus Sicht des SSW darauf hin, dass dieZukunft des Offenen Kanals eher ungewiss ist. Denn eine Anstalt, die für den OffenenKanal in Schleswig-Holstein zuständig ist, muss erst noch gegründet werden - wo auchimmer und wann auch immer. Bürgerfernsehen und Bürgerradio entsprechenoffensichtlich nicht mehr dem politischen Willen der Großen Koalition. Darum besiegeltder Staatsvertrag das Ende des Offenen Kanals gleich mit. Die wachsende Blogger-Szeneim Internet zeigt aber gerade, dass Bürger sich gern und vor allem kompetent zu Wortmelden wollen. Aufgabe des Staates muss es sein, diese Möglichkeiten zuzulassen.Der SSW befürchtet vor diesem Hintergrund, dass gewachsene Strukturen zerschlagenwerden. Der Offene Kanal Flensburg – ich empfange ihn selbst – fördert Sendungen indänischer und nicht zuletzt friesischer Sprache, indem er zuletzt beispielsweise alleBeiträge des Vorlesewettbewerbs „ferteel iinjsen“ dokumentierte. Es stimmt schonbedenklich, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Kultur- und SpracheigenheitenSchleswig-Holsteins dadurch einfach einebnet. Auch die Medienkompetenz kommt indem neuen Vertrag überhaupt nicht mehr vor. Gerade das ist aber ein Feld, auf dem derOffene Kanal in den letzten Jahren Hervorragendes geleistet hat.Und nun noch ein Wort zum geplanten Standort Norderstedt: Dieses Feigenblatt hätteman sich aus unserer Sicht sparen und gleich bestehende Räume in Hamburg ausweitenkönnen. Norderstedt als faktischer Vorort von Hamburg ist für eine politischeAusrichtung des Medienstandortes Schleswig-Holstein denkbar ungeeignet. Einegleichrangige Fusion auf Augenhöhe sieht jedenfalls anders aus! Der LandesteilSchleswig hat bereits Schwierigkeiten, von Kiel aus adäquat wahrgenommen zu werden,von Norderstedt aus ist er allenfalls hinterstes Hinterland. Damit ist die Entscheidungfür Norderstedt faktisch auch eine Benachteiligung der Berichterstattung der 4Minderheiten und über die Minderheiten. Steht die Abschaltung der dänischen Senderaufgrund der Einführung des digitalen Rundfunks bevor, fragt ein Forschungsvorhabender ULR, das der Medienrat der ULR in seiner letzten Sitzung auf den Weg brachte. Obsich eine Medienbehörde in Norderstedt in Zukunft ebenfalls mit dem gleichenNachdruck mit den "Problemlagen beim Empfang dänischer Rundfunkprogramme inSchleswig-Holstein" auseinandersetzen wird, sei dahin gestellt.Der Personalrat äußert ebenfalls große Bedenken gegen den Standort Norderstedt, derdie Mitarbeiter zu langen Fahrtzeiten zwingt. Ich hoffe nicht, dass durch die Wahl desStandortes Norderstedt Personal durch die kalte Küche vergrault werden sollte. Der SSWhätte es sich gewünscht, wenn betriebsbedingte Kündigungen im Staatsvertragausgeschlossen worden wären. Die gleiche Kritik äußern auch die Gewerkschaften, diedie Fusion insgesamt sehr kritisch sehen. Ich kann mich insgesamt des Eindrucks nichterwehren, dass die Mitarbeiter bei der Formulierung des Vertrages überhaupt nichtbeachtet wurden. Die Spitze steht dagegen schon fest: nämlich mit dem HamburgerLothar Jene. Zumindest in den Übergangsregelungen wären entsprechende Regelungen,zum Beispiel zur Vermeidung der Schlechterstellung der Mitarbeiter angezeigt gewesen.Das ist nicht geschehen. Für den SSW ein Grund mehr, die Gründung einerMedienanstalt Nord in der geplanten Form zurückzuweisen.