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05.09.06 , 14:45 Uhr
SPD

Sandra Redmann: Wie geht es weiter mit der Frauenunterstützung?

Sozialdemokratischer Informationsbrief
Kiel, 05.09.2006, Nr.: 162/2006


Sandra Redmann:

Wie geht es weiter mit der Frauenunterstützung?

In einer Fachtagung „Wurzeln – Herausforderungen – Visionen“ hat sich die SPD- Landtagsfraktion gemeinsam mit dem Frauennotruf Kiel, KIK Kiel und KIK Plön mit dem Thema Weiterentwicklung von Frauenunterstützung befasst. Nachfolgend doku- mentieren wir den Redebeitrag der frauenpolitischen Sprecherin der SPD- Landtagsfraktion, Sandra Redmann:

„Wurzeln – Herausforderungen – Visionen“ ist ein Veranstaltungsmotto, das auch mit mir selbst viel zu tun hat. Meine politischen Wurzeln liegen ganz woanders: nicht in der Frauenbewegung, sondern in der Kommunal- und in der Jugendpolitik. Ich bin frauen- politische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. Seit 1989 bin ich Mitglied der SPD, seit 1994 stellvertretende Stadträtin in Bad Schwartau. Ich bin der Kommunalpolitik immer noch verhaftet, auch wenn seit 2000 der Landtag hinzugekommen ist. Jugendpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion bin ich seit sechseinhalb Jah- ren, die Frauenpolitik ist im letzten Jahr hinzugekommen. Als Herausforderung, ohne jeden Zweifel, gleichzeitig als extrem interessantes Arbeitsfeld. Der Blick von außen, den ich vorher hatte, und die neue Sichtweise als Akteurin ergänzen sich gut. Und ich habe Visionen. Die werden auch mit den Jahren nicht weniger, sondern sie wachsen und gedeihen, sie verändern sich. Manche werden erwachsener, andere bleiben wild und ungezähmt. Zu letzteren gehört die Vision von einer Gesellschaft oh- ne Gewalt, einer Gesellschaft, in der jede und jeder mitreden und mitbestimmen kann, einer Gesellschaft, in der füreinander-sein wichtiger ist als gegeneinander-sein.



Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Zu den „erwachsenen“ Visionen gehört eine möglichst verantwortungsbewusste Ges- taltung von Hilfe und Unterstützungsangeboten, so lange es noch strukturelle, körperli- che, psychische und sexuelle Gewalt gibt.

Dazu möchte ich gern etwas ausholen, denn die Geschichte der Unterstützung von Frauen in Not ist eine Geschichte, die SPD und Frauenbewegung in Schleswig- Holstein teilen. Als meine Partei, die SPD, 1988 in Schleswig-Holstein endlich an die Regierung kam, gehörte die Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen zu den ersten Haushaltsbeschlüssen, die wir fassten. Wir haben es bis heute nicht bereut, im Gegen- teil: Wir haben versucht, auf parlamentarischer Ebene die Arbeit, die Sie leisten, zu flankieren. Natürlich waren und sind unsere Mittel andere als Ihre. Wir können uns für finanzielle Unterstützung stark machen. Wir können uns für Gesetze einsetzen, die Ih- nen Rahmenbedingungen schaffen, unter denen Sie arbeiten. Und wir können die wertvollen Erkenntnisse, die Sie in Ihrer Arbeit gewinnen, in unsere politische Arbeit einfließen lassen und ein rechtliches Fundament schaffen, das die Gesellschaft verän- dert. Der Gewaltschutz gehört unbedingt dazu.

In den letzten Jahren ist es uns gelungen, das konstruktive Wechselspiel zwischen Ih- ren und unseren Arbeitsbereichen in mehrere Projekte einfließen zu lassen. KIK ist ein gutes Beispiel dafür, wie Ihre Fachkompetenz mit unseren parlamentarischen Möglich- keiten und einer entschlossenen Verwaltung echte Verbesserungen für Frauen bewir- ken können. Ihre Flexibilität und Offenheit war die Voraussetzung dafür, dass wir auch in unseren Strukturen Flexibilität und Offenheit einfordern konnten. Das hat gut funkti- oniert und auf diesen Erfahrungen können wir aufbauen.

Seit Bestehen öffentlich geförderter Hilfesysteme hat es vielfältige Veränderungen ge- geben – angepasst an den Bedarf von Frauen und vor allem an unsere Wahrnehmung -3-



dieses Bedarfs. Die letzten großen Veränderungen waren das Wegweiserecht und die damit verbundene pro-aktive Beratung – und natürlich die Helpline.

Pro-aktive Beratung war ein regelrechter Systemwechsel: Der Austausch mit der Poli- zei und die von der Beratungsstelle ausgehende Initiative, um betroffene Frauen direkt und sehr kurzfristig anzusprechen, waren auch bei uns in der Fraktion ein Thema. Uns war und ist sehr wichtig, dass die Freiwilligkeit erhalten bleibt und dass die Frau das Recht hat zu entscheiden, ob sie Hilfe wünscht und auch, welche Form und welcher Umfang von Unterstützung für sie richtig ist. Die Eigenkompetenz von Frauen und ihr Recht, ggf. auch „nein“ zu Hilfeangeboten zu sagen oder in der Gewaltbeziehung zu verbleiben, gehören ebenfalls dazu. Das sind inzwischen Selbstverständlichkeiten im Hilfesystem und auch bei uns Fachpolitikerin- nen und Fachpolitikern. Es sind allerdings noch keine Selbstverständlichkeiten in der öffentlichen Wahrnehmung. Auch hier unterscheidet sich der Blick von innen oft vom Blick von außen.

Ein Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist die Situation von Kindern, die in ihren Elternhäusern mit Gewalt konfrontiert sind – sei es, dass sie Gewalt selbst er- fahren oder bei den Eltern beobachten. Kinder haben ihre ganz eigene Rolle, wenn Gewalt im Spiel ist und diese ist sehr differenziert und komplex. Dass die Kinder vom Hilfesystem und von seinen einzelnen Angeboten mit erfasst werden und eigenständi- ge Unterstützung erhalten, möchte ich bei jeder Weiterentwicklung berücksichtigt wis- sen.

Ich will noch einmal auf die Visionen zurückkommen, auf die wilden ebenso wie auf die gezähmten. Als Politikerin habe ich über 20 Jahre Erfahrung damit, Anliegen durchzu- setzen. Ich habe ebenso über 20 Jahre Erfahrung damit, Anliegen, die nach meiner festen Überzeugung wichtig und angemessen sind, nicht durchsetzen zu können. -4-



Verabschiedet habe ich mich in dieser Zeit von der Vorstellung, dass ich die Dinge nur richtig erklären muss, damit jede und jeder sie einsieht. Es ist nicht immer möglich zu überzeugen, manchmal ist es nötig, Mehrheiten zu suchen und sich – schlicht und ein- fach – durchzusetzen. Politik für Frauen in Schleswig-Holstein ist geprägt von 17 Jahren roter und rot-grüner Regierung. Seit letztem Jahr hat sich das geändert und damit ist auch das Gesamtkli- ma ein anderes geworden. Das Frauenbild der CDU kennen wir. Es sieht Frauen vor allem in Rollen: Als Mutter beispielsweise, die irgendwie Familie und Beruf unter einen Hut bekommen muss und als Opfer, für das Unterstützung angeboten wird. Das mag vielleicht auf den ersten Blick günstig wirken, wenn es um die Förderung von Hilfeangeboten geht, aber bei ge- nauerem Hinsehen bringt es uns nicht weiter. Eine Frau, die in einer Gewaltbeziehung lebt, ist nicht nur Opfer. Sie ist vielleicht auch Berufstätige, Mutter, Freundin, sie hat Hobbies und Interessen, ihre Identität ist vielfäl- tig geprägt. Die gesamte Vielfalt weiblicher Lebensweisen, die Wünsche, Erwartungen und der le- gitime Anspruch von Frauen, dass ihre Lebenswirklichkeit sich in allen Bereichen wi- derspiegelt, soll auch dann berücksichtigt werden, wenn es darum geht, Hilfe in An- spruch zu nehmen.

Als Politikerin – und das ist wieder eine Vision, wenngleich eine, die auf einem guten Weg ist, Wirklichkeit zu werden – wünsche ich mir, dass die Entwicklungen bei den Hil- fen für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, weitergehen. Bedarfe, Be- dürfnisse, Sichtweisen von Frauen verändern sich – das gilt für die Opfer häuslicher Gewalt ebenso wie für Mitarbeiterinnen in Frauenhäusern und Beratungsstellen und für Politikerinnen. Und glücklicherweise kann sich unsere Wahrnehmung, unser Blick darauf auch verändern und wir können die Angebote für Frauen weiterentwickeln. -5-



Von der heutigen Veranstaltung erhoffe ich mir einen tieferen Einblick in die Qualität dieser Veränderungen. Ich bin sehr gespannt auf die Generationenfrage, die von Anja Nordmann und Ursula Schele aufgeworfen wird. Mein Interesse ist nicht ganz unei- gennützig, denn „Generationenwechsel“ ist ein Thema, das derzeit auch die SPD be- wegt und es wird gut tun zu erfahren, wie andere damit fertig werden. Dr. Barbara Kavemann wird sich mit neuen Sichtweisen auf die vielschichtige Proble- matik häuslicher Gewalt befassen und mit den Veränderungen, die diese bewirken sollten. Das ist ein Thema, das sowohl uns in der SPD-Landtagsfraktion weiter intensiv beschäftigen wird als auch die Frauennotrufe, Frauenberatungsstellen und Frauen- häuser.

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