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Anke Spoorendonk zu TOP 3/4/34 - Änderung der Landesverfassung und Parlamentsinformationsgesetz
PresseinformationKiel, den 11.10.2006 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 3,4 und 34Gesetzentwürfe zur Änderung der Landesverfassung, Gesetze über die Unterrichtung des Landtages durch die Landesregierung und Änderung der Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages Drs. 16/1001, 16/1011, 16/1014Verfassungsänderungen sollten immer noch etwas Besonders sein. Hierzu gehören intensiveBeratungen, die das Ziel verfolgen, möglichst zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen.Vorbild ist für mich daher immer noch der Ablauf der Beratungen von 1997 und 98, wo dieFraktionen des Landtages sich in einem besonderen Verfassungsausschuss die Zeit nahmen, dievorliegenden Anträge abzuwägen und miteinander ausführlich zu diskutieren. DieserGedankenaustausch hat dieses Mal leider nicht stattgefunden, muss ich feststellen. Der Versuch,Überzeugungsarbeit zu leisten, wurde nicht unternommen. Redlicher Weise muss ichhinzufügen, auch der SSW hat keinen Vorstoß gemacht. Die „Fronten“ waren von Anfang an klarerkennbar – und mehr war leider nicht drin! 2Daher möchte ich nun die Gelegenheit nutzen, um ein paar grundsätzliche Betrachtungenloszuwerden. Dass wir mit dem Vorschlag der regierungstragenden Fraktionen durchaus lebenkönnen, ist dabei nicht entscheidend.Mit einer Großen Koalition ist es natürlich immer so eine Sache. Zum einen kann sie allesdurchdrücken – sofern sie sich denn einigen kann – zum anderen kann sie die Opposition immerwieder ausbremsen. Hier im Landtag ist die Regierungsmehrheit so groß, dass dieparlamentarischen Rechte der Opposition leicht unter die Räder kommen können. Um eben dieszu verhindern und um der Opposition entsprechende parlamentarische Rechte zu sichern, habenwir seinerzeit gemeinsam mit den Grünen einen Gesetzentwurf zur Änderung derLandesverfassung eingereicht. Diesen Antrag haben wir mittlerweile zurückgezogen, weil derGesetzentwurf zur Landesverfassung von CDU und SPD eben diese Rechte festschreibt. Kurzum,die Klagemöglichkeit vor einem künftigen Landesverfassungsgericht wird somit für dieOpposition gewährleistet. Und das ist gut so.In diesem Zusammenhang unterstützen wir natürlich, dass Schleswig-Holstein künftig eineigenes Landesverfassungsgericht bekommen wird. Dadurch müssen Bürger beiverfassungsrechtlichen Streitigkeiten nicht mehr an das Bundesverfassungsgericht verwiesenwerden, und es bietet sich die Chance, dass die zur Entscheidung berufenen Richterinnen undRichter einen leichteren Zugang zu den landesspezifischen Besonderheiten haben.Bereits in der letzten Legislaturperiode hatten wir uns - trotz Bedenken - für eineStaatszielbestimmung „Schutz und Förderung pflegebedürftiger Menschen“ ausgesprochen.Entscheidend war für uns seinerzeit, dass diese Forderung im Rahmen einer Bürgerinitiativeformuliert worden war – eine „Bewegung von unten“ also.Unsere Bedenken waren aber mehr prinzipieller Art: Denn Staatszielbestimmungen sind nur sogut, wie sie umgesetzt werden; sie sind kein Ersatz für politische Beschlüsse. Schon bei früheren„Verfassungsrunden“ habe ich für den SSW deutlich gemacht, dass Staatszielbestimmungen 3kein Wunschkatalog sein dürfen. Wir stehen also für eine eher restriktive Haltung. Dabei ist ausunserer Sicht wichtig, dass man sich vor Augen hält, was Sinn und Zweck von Staatszielen sind.Die Sachverständigenkommission der Bundes aus dem Jahr 1981 formulierte es so: „Es sindVerfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit fortdauerndeBeachtungen oder Erfüllung bestimmter Aufgaben sachlich umschriebener Ziele vorschreiben.Eine solche Verfassungsnorm ist danach ein Handlungsauftrag an den Gesetzgeber. Er lässt ihmaber einen großen Ermessensspielraum. Staatszielbestimmungen wirken außerdem alsInterpretationshilfen für die Rechtsprechung und die Verwaltung, wenn es zu Kollisionen mitanderen Rechtsgütern kommt. Die Bedeutung der Staatszielbestimmungen liegt vor allem darin,dass politische Forderungen in den Rang einer Verfassungsnorm erhoben werden. Sie sind inbesonderer Weise geeignet, wesentliche Probleme der Gesellschaft in das Bewusstsein derstaatlichen Organe und der Bevölkerung zu heben“.Das also ist unser Auftrag, wenn wir als Parlament neue Staatszielbestimmungen beschließen.Aus Sicht des SSW heißt dies, dass wir uns immer erst genau überlegen müssen, was diepolitischen Konsequenzen von neuen Zielen sind. Anders herum wissen wir aber, dass es auch indiesem Bereich nicht die reine Lehre gibt. Verfassungsänderungen werden immer als „Paket“beschlossen. Gleichwohl darf es bei Staatszielen keine Aufwertung einzelner Ziel geben. Es darfunseres Erachtens aber keine Staatsziele erster und zweiter Ordnung geben.Nun zum vorliegenden Gesetzentwurf von FDP, Grünen und SSW: Dort gehen wir von Schutz undFörderung sozialer Minderheiten aus. Wir erweitern somit den Ansatz von CDU/SPD mit einemAntidiskriminierungsansatz. Darüber hinaus heben wir den Tierschutz hervor und wir wollen dieRechte von Kindern und Jugendlichen stärken.Gerade was die Rechte von Kindern und Jugendlichen angeht, müssen wir erkennen, dass eswachsende Defizite gibt. Schlechte Bildungschancen stehen im engen Verhältnis zur materiellenArmut. Und von Armut sind in Deutschland rund 10% aller Kinder betroffen. Diese enge 4Verbindung zwischen Bildungschancen und sozialer Herkunft sprach Bundespräsident Köhler inseiner Berliner Grundsatzrede an.Aber auch Aufgrund der demografischen Entwicklung werden Kinder und Jugendliche immermehr zu einer Minderheit und ihre Belange finden immer weniger Gehör. Daher ist dieUmsetzung der Kinderrechte eine Querschnittsaufgabe unserer Gesellschaft und muss höchstePriorität haben. Um die Recht der Kinder zu sichern wurde die UN-Kinderrechtskonventionbereits 1992 von der Bundesrepublik ratifiziert. Damit ist Deutschland die Verpflichtungeingegangen, die Konvention in nationales Recht umzusetzen. In einer Gesellschaft mit immerweniger Kindern erhält die Festschreibung von Kinderrechten eine besondere Qualität und dieAufnahme von Kinderrechten in die Landesverfassung bedeutet eine Stärkung der Kinder.Hinzu kommt die Erweiterung des Artikel 5 der Landesverfassung um die Minderheit der Sintiund Roma deutscher Staatsangehörigkeit. Bei den genannten Staatszielen handelt es sich – wieeingangs angesprochen – also auch um ein Paket. Für den SSW sage ich aber gleich vorweg, dasswir wie in der Vergangenheit keiner Verfassungsänderung zustimmen, die nicht dieseErweiterung des Artikel 5 beinhaltet.Sinti und Roma in die Verfassung aufzunehmen ist aus unserer Sicht längst überfällig und wirdauch vom Landesverband der Sinti und Roma seit der Änderung der Landesverfassung 1997/98mit Nachdruck gefordert.Mit der Ratifizierung der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten sind diedeutschen Sinti und Roma eine anerkannte nationale Minderheit in Deutschland.Die Entwicklung auf Bundesebene - wo die vier in der Bundesrepublik beheimateten nationalenMinderheiten im Minderheitenrat zusammenarbeiten – spricht für sich.Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, wenn Schleswig-Holstein seiner Verpflichtungendlich nachkommt und den Sinti und Roma diese Anerkennung zugesteht, indem ihnen derrechtliche Anspruch auf Schutz und Förderung gewährleistet wird. Hier hat die Große Koalitionleider keine Größe gezeigt. 5Nachvollziehen kann ich daher das Unverständnis beim Landesverband der Sinti und Roma überden Sinneswandel der SPD. Wo sich gerade die SPD in zwei Anläufen dafür eingesetzt hat, dieGleichbehandlung der Minderheiten in Schleswig-Holstein zu regeln.Ein Wort an die CDU an dieser Stelle, die immer damit argumentiert hat, dass Sinti und Romanicht landestypisch seinen. Sinti und Roma können auf eine 600-jährige Geschichte in Schleswig-Holstein zurückblicken. Ich denke, dass das Zeit genug ist, um als landestypisch zu gelten. Abergrundsätzlich ist das wesentliche Merkmal unserer Minderheitenregelung, dass einzig die eigeneIdentität ausschlaggebend ist und nicht die geografische Abgrenzung.Aus Sicht des SSW gilt weiterhin, dass Staatsziele niemals den politischen Willen zur Gestaltungersetzen können. Daher noch mal zur Klarstellung: Die Aufnahme der Sinti und Roma in denMinderheiten-Artikel der Landesverfassung ist kein Symbolakt. Sie ist vor dem Hintergrund derMinderheitenpolitik in Europa und der Bundesrepublik längst überfällig.