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12.10.06 , 15:19 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Hochschulgesetz

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Stellv. Pressesprecher Dr. Jörg Nickel Es gilt das gesprochene Wort! Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel TOP 12 – Hochschulgesetz Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt der Vorsitzende Telefax: 0431/988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0178/28 49 591 Karl-Martin Hentschel: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 428.06 / 12.10.06

Niemand braucht ein neues Hochschulgesetz – es gibt ganz andere Probleme
Wer sich – anders als unser Hochschulminister - in den letzten Jahren mit den wirklichen Problemen unserer Hochschulen beschäftigt hat, der stellt fest: Es gibt viele Probleme die gelöst werden müssen. Aber das sind nicht die, mit denen sich dieses Gesetz beschäftigt.
Immerhin ist es gerade 2 Jahre her, seit wesentliche mutige Reformen in der Hochschulge- setzgebung durchgesetzt wurden. Da haben auch wir Grünen einiges zu beigetragen. Wir haben den Hochschulen mehr Autonomie gegeben, den jungen WissenschaftlerInnen mit der Juniorprofessur mehr Chancen, wir haben das verknöcherte Vergütungssystem aufgebro- chen und flexible Elemente in die Vergütung eingebaut. Wir haben uns - und das war das schwierigste - an die Hochschulstruktur in Schleswig-Holstein herangewagt und wichtige Schritte zu einer Effizienzsteigerung getan, zum Beispiel mit der Zusammenlegung der Klini- ka.
Dem vorliegenden Entwurf des neuen Hochschulgesetz kann ich zumindest eines entneh- men, was mich freut: Nämlich, dass nun auch die CDU - zumindest in der Großen Koalition - diese Reformen durchweg akzeptiert.
Wozu also ein neues Hochschulgesetz? Was unsere Hochschulen brauchen, das ist die Un- terstützung des Landes bei den bevorstehenden Reformen. So sind die beschlossenen Er- gebnisse und Reformen auf Vorschlag der Erichsenkommission noch nicht alle umgesetzt – beispielsweise im Bereich der medizinischen Fakultäten.
Was jetzt gebraucht wird, ist eine Reform der Lehrerbildung. Ich könnte mir zum Beispiel vor- stellen, dass es Sinn machen würde, ein Lehrerbildungsgesetz zu verabschieden, wie das andere Bundesländer haben.
1/4 Was die Hochschulen jetzt außerdem brauchen, sind gute Konzepte für die Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse.
Und was die Hochschulen vor allem brauchen, sind Antworten darauf, wie in den kommen- den Jahren mit den wachsenden Studentenzahlen umgegangen werden soll. Macht es zum Beispiel Sinn, reine Lehrprofessuren auch an den Universitäten anzustellen, wie sie an den Fachhochschulen schon längst erfolgreich tätig sind? Macht es Sinn, die Studiengänge neu zu strukturieren? Auf diese Fragen brauchen die Hochschulen eine Antwort.
Was die Hochschulen aber nun wirklich nicht brauchen ist die Vorlage dieses Gesetzes. Da- nach hat niemand, aber auch wirklich niemand gefragt. Der einzige Grund, warum wir heute hier ein neues Gesetz behandeln, ist, dass es einen neuen Minister gibt und ein Herr Drift- mann sich gerne neue Ideen ausdenkt. Ich wiederhole: Niemand im Land will und braucht dies. Alle Hochschulen sind unisono dagegen. Wann hat es das je gegeben?!
Selbst Kiel, die Hochschulstadt Nummer eins im Lande, und dort die auch die stärkste Frak- tion, die CDU, ist dagegen, wie ich dem interfraktionellen Antrag der CDU-Ratsfraktion vom 3. Juli 2006 entnehme. Das Gesetz ist überflüssig!
Aber da die Landesregierung es vermutlich heute nicht zurückziehen will, muss ich denn doch noch einiges dazu sagen:
1. Der Hochschulrat: Jetzt soll es also noch ein Gremium an der Hochschule geben. Wenn die externen Mitglieder des Hochschulrates nicht am Ort leben, wird es eine Geschäftsführung geben mit einer ganz neuen Machtposition. In Paragraph 19 Absatz 6 des Entwurfs steht, dass die Hochschule aus ihren Personal- und Sachmitteln den Rat ausstatten muss. Und das in Zeiten des Bürokratie- abbaus! Besonders viel Aufwand und Bürokratie wird wohl der Universitätsrat zwischen Kiel, Lübeck und Flensburg entfalten.
Welche Persönlichkeiten werden wohl in den Hochschul- oder Universitätsrat gewählt? Wer- den sie die Belange der Wirtschaft vertreten oder das Gemeinwohl? Demokratisch gewählt sind sie jedenfalls nicht. Alle Hochschulen haben sich gegen diese externen Räte ausge- sprochen. Sie beschädigen die neu erworbene Autonomie, die ja den Hochschulen gerade so lauthals garantiert wurde. Und vor allem wird die Hochschuldemokratie beschädigt. Kein drittelparitätisches Konsistorium mehr, aber ein externer Führungszirkel.
Herr Minister Austermann, eine Universität ist doch weder eine IHK noch ein Marineschiff. In der Wissenschaft brauchen wir Kreativität, Freiheit und Engagement. Dazu ist die Hoch- schuldemokratie wichtig. Das ist nicht meine Meinung – das ist die Meinung aller Hochschu- len in diesem Land!
2. Studiengebühren: Eine der ökonomischen Binsenweisheiten der Marktwirtschaft lautet: wenn ich etwas teurer mache, wird die Nachfrage sinken. Deutschland hat zu wenige StudentInnen. Wir exportieren im Vergleich zu USA, Japan, Großbritannien oder Skandinavien erheblich weniger Spitzen- technologien. Wir investieren zu wenig in die Forschung. Dieses Problem muss gelöst wer- den. Und wir wissen sehr gut: Das kann nur bundesweit gelöst werden – denn Schleswig- Holstein hat nicht die finanziellen Mittel, um dieses Problem anzugehen. Daran werden auch die Studiengebühren nichts ändern.
Aber eines wird sich ändern: Es werden wird weniger StudentInnen aus sozial schwachen Familien geben. Nun sind wir eines der Länder, in denen viel weniger StudentInnen aus der sogenannten Unterschicht studieren als anderswo. Wir schöpfen unsere Begabungspoten- ziale nicht aus. Wenn Sie diesen Effekt noch verstärken, dann schaden Sie dem Land. Sparen Sie bei Großprojekten, sparen Sie bei den Subventionen für die Landwirtschaft, aber sparen Sie nicht bei der Bildung.


3. Gleichstellungspolitik Aus ihrem Umgang mit der Gleichstellung an den Hochschulen kann ich nur einen Schluss ziehen: Sie halten das für überflüssig! Jetzt soll es also erst ab 2500 Hochschulmitgliedern - statt ab 1000 wie bisher - eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte geben. Die Rechte der Gleichstellungsbeauftragten sollen in diesem neuen Gesetz nicht mehr verankert werden. Insbesondere das Veto-Recht steht nicht drin. Ebenso wenig das wichtige Recht der Wei- sungsfreiheit. Rolle rückwärts in Schleswig-Holstein!
Herr Minister Austermann, glauben Sie wirklich, dass Gleichstellungspolitik überflüssig ist? Richtig ist, dass einiges erreicht wurde. Heute ist es nicht mehr nötig, Mädchen in die höhere Schule und in die Uni zu locken. Aber warum haben Frauen immer noch so schlechte Chan- cen auf eine Professorenstelle? Hier liegt die CAU mit 11 Prozent immer noch weit hinten, und Schleswig-Holstein als Bundesland ist das Schlusslicht in Deutschland!
Auch hier geht es nicht nur um Gerechtigkeit. Wenn eine Hochschule ihren besten Absolven- tInnen keine ausreichenden Chancen gibt, dann ist das nicht nur ein Problem der Gerechtig- keit. Obwohl das Grund genug sein sollte. Es ist auch ein Problem, dass viele unserer besten Begabungen nicht genutzt werden, weil wir ihnen keine Chance geben.
Fazit: Was die CDU hier unter stillschweigender Duldung des roten Koalitionspartners veran- staltet ist pure Ideologie.
4. Demokratie Herr Minister Austermann, mit diesem Gesetz schleifen Sie nicht nur die Autonomie. Sie schleifen auch die Rechte des Parlaments. Seit dem Kaiserreich gilt auch in Deutschland: Das Budgetrecht ist das Königsrecht des Parlaments. Deswegen hatten wir die Einführung von mehrjährigen Budgets und Zielvereinbarungen in dem Paragraphen 15 a des alten Ge- setzes eng an das Parlament gekoppelt. Evaluation, die Festlegung der Eckpunkte der Ziel- vereinbarungen und die Verabschiedung mehrjähriger Budgets erfolgen in enger Abstim- mung mit und aufgrund von Beschlüssen des Parlaments. Indem Sie diesen Paragrafen verstümmeln, schaffen Sie eine Situation, in der das Ministeri- um Zielvereinbarungen verhandelt und dann das Parlament nur noch über die Finanzzu- schüsse entscheiden darf. Was Sie hier verlangen, ist ein Blanko-Check über weit mehr als eine Milliarde Euro, den das Parlament Ihnen ausstellen soll. Damit ist dann der Landtag bei jeder inhaltlichen Gestaltung der Hochschulpolitik außen vor.
Das Gesetz ist unnötig, ideologisch, elitär und undemokratisch. Der Protest aller Hochschu- len dieses Landes gegen dieses Gesetz ist nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar notwendig. Ich kann nur hoffen, dass sich der oder die eine oder andere Abgeordnete der Koalition die Mühe macht, dieses Gesetz sehr kritisch zu hinterfragen. In diesem Sinne hoffe ich auf eine lebhafte Debatte im Ausschuss.
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