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30.11.06 , 15:45 Uhr
B 90/Grüne

Monika Heinold zur Zusammenarbeit mit der chinesischen Partnerregion Zhejiang

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 37 – Zusammenarbeit zwischen Schleswig- Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Holstein und der chinesischen Partnerregion Zhejiang Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin Telefax: 0431/988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172/541 83 53 Monika Heinold E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 496.06 / 30.11.06

Enge Zusammenarbeit und kritischer Dialog
Schuster bleib’ bei Deinen Leisten, Bauer bleib’ auf Deiner Scholle – so sagt der Volksmund und stellt die berechtigte Frage, was schleswig-holsteinische ParlamentarierInnen in China zu suchen haben, zehntausend Kilometer weit entfernt von der Heimat und von den hiesigen Problemen. Wenn früher ein Sack Reis in China umfiel, brauchte das hier niemanden zu inte- ressieren. Aber die Zeiten haben sich geändert: China mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern ist auf dem Weg zur Weltmacht. Das Riesenreich wird zukünftig das internationale Gesche- hen maßgeblich bestimmen. Sein wirtschaftlicher und politischer Einfluss wächst rapide, und das ist auch in Schleswig-Holstein zu spüren. Chinesische Firmen siedeln sich bei uns an, und schleswig-holsteinische Betriebe machen ihr Geschäft in und mit China.
Deshalb ist es auch für ein kleines Land wie Schleswig-Holstein wichtig, dass die Parlamen- tarier über die eigenen Grenzen hinweg schauen, den Dialog mit den deutschen Betrieben in China suchen und die Chance nutzen, sich mit den Menschen in unserer chinesischen Part- nerprovinz Zhejiang auszutauschen. Ob es um den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen geht, um wissenschaftliche Kontakte oder um chinesische StudentInnen, welche vielleicht in die ehemalige Bauschule in Eckernförde einziehen: Es ist wichtig zu wissen und zu verste- hen, wie die zukünftige Supermacht China „tickt“. Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Einmal sehen ist besser als hundertmal hören“.
China hat eine komplett andere Tradition: Unternehmen und Parteikader sind eng miteinan- der verflochten. Wirtschaftliche Aktivitäten in China sind nicht ohne die Billigung der Staats-, Provinz- oder Kreisregierung und der Bürgermeister möglich. Auch ausländische Unterneh- mer sind auf den Goodwill der kommunalen und regionalen politischen Führung angewiesen.
1/3 „Sich als Landesregierung oder als Parlament sehen zu lassen“ heißt in China, sich hinter die Unternehmen zu stellen – eine Unterstützung, welche den in China ansässigen schleswig- holsteinischen Firmen Status verleiht und ihre Verhandlungsposition stärkt.
Wir haben in sieben Tagen in den Städten und Provinzen Peking, Ningbo, Shanghai und Hangzhou zahlreiche Gespräche mit Vertretern chinesischer Regierungsinstitutionen und U- niversitäten geführt, wir haben mit Vertretern deutscher Firmen gesprochen und chinesisch- deutsche Joint-Venture Firmen besucht. Auf diese vielfältigen Kontakte sind meine Vorredne- rInnen bereits eingegangen.
Ich möchte zwei andere Punkte beleuchten: Die Chancen der Umwelttechnologie in China und die Notwendigkeit des kritischen Dialoges mit unseren chinesischen Partner.
Umweltschutz ist eines der größten Zukunftsfelder in China. Denn ein bitteres Erbe aus Maos Zeiten, der glaubte, Berge versetzen zu können, ist eine Umweltzerstörung gigantischen Ausmaßes. Heute frisst die Industrialisierung an der Ostküste wertvolles, fruchtbares Acker- land und verursacht eine katastrophale Wasserverschmutzung. Die Regierung hat inzwi- schen dieses Problem erkannt und bemüht sich um eine Verbesserung, nicht zuletzt weil die Opfer den Weg des Widerstandes gehen. So waren im vergangenen Jahr vor allem Umwelt- probleme Anlass für Massenproteste. Vergiftete Flüsse und verschmutzte Luft, hoch verdich- tete Siedlungen oder landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen soweit das Auge reicht. Und Shanghai bleibt einem als eine Stadt ohne Himmel in Erinnerung: eine dichte Smogglo- cke lag über der 18-Millionen-Metropole.
Ob es um alternative Energieerzeugung, um Konzepte zur Energieeinsparung, oder um eine Lösung der Müll- und Abwasserprobleme geht: China ist in diesen Bereichen noch Entwick- lungsland. Schleswig-Holstein mit seiner hoch entwickelten Umwelttechnologie ist der perfek- te Wirtschaftspartner, Firmen haben hier einen großen Markt in den sie gehen können und zum Teil auch schon gegangen sind, wie das Beispiel Windenergie zeigt. Durch moderne Umwelttechnologie lässt sich wirtschaftlicher Profit mit Fortschritt verbinden. Schleswig- holsteinische Entwicklungen können zur Lösung lokaler Umweltprobleme beitragen und da- mit zu einer Steigerung der Lebensqualität der chinesischen Bevölkerung.
Gleiches gilt für Gesundheitstechnologien, die gesundheitliche Versorgung verbessern hel- fen. Das Interessante im Bereich der Gesundheitsforschung ist aber auch die beiderseitige Bereicherung – so können auch wir von der chinesischen Heilkunst viel lernen, hier liegt ein interessanter Markt für chinesische Firmen im Gesundheitsland Schleswig-Holstein.
Ein zweiter Punkt, der unsere Reise auszeichnete, war der Dialog mit den Menschen vor Ort. Ein Dialog, der auf Grund der nicht vorhandenen Meinungsfreiheit und auf Grund der Not- wendigkeit, über staatliche Dolmetscher zu kommunizieren, noch ganz am Anfang steht. Aber gerade die Themen Menschenrechte, Umweltschutz und soziale Sicherung machen den Dialog zwingend notwendig. Es ist schwierig, vor Ort kritische Fragen zu stellen, aber es ist möglich und es ist notwendig.
Wie schwierig es ist, zeigte unser Besuch in Peking. Wir besuchten das dem Außenministe- rium unterstellte Institut für Internationale Studien. Der Vizepräsident Herr Ruan Zongze be- richtete über den geplanten Bau von 30 neuen Kernkraftwerken. Meine Frage, wie man in China das Problem der Endlagerung radioaktiver Abfälle zu lösen gedenke, beantwortete er auf typisch chinesische Art und Weise: „Wir orientieren uns in dieser Frage am guten Beispiel der Europäer.“ Der Ball war zwar elegant zurückgespielt, aber das große Problem der nicht gelösten Endlagerung radioaktiver Abfälle bei gleichzeitiger Planung von 30 neuen Atom- kraftwerken bleibt. Dieses Beispiel zeigt, dass auch wir selbst durch Besuche wie diesen wachgerüttelt werden.
Ob Verkehrsprobleme oder Atomenergie: Wenn wir unsere eigenen Hausaufgaben nicht lö- sen, können wir dieses auch nicht von den anderen Ländern erwarten und gehen in eine Zu- kunft mit unkalkulierbarem Risiko. Die Geschichte geht aber noch weiter: Nach der höflich umschriebenen Abfuhr war das Gespräch abrupt zu Ende, zügig gingen die Gastgeber zum Austausch der Gastgeschenke über. Beim Rausgehen nahm mich einer der chinesischen Wissenschaftler zur Seite. Er bedankte sich für meine Frage und bat mich, in dieser Angele- genheit ja nicht locker zu lassen. Allein schon das kritische Hinterfragen würde den chinesi- schen Entscheidungsträgern deutlich machen, wie aufmerksam der Westen die chinesische Atompolitik verfolge.
Wir dürfen also nicht locker lassen, auch schwierige Themen wie Umweltschutz und Men- schenrechte in China anzusprechen. Denn das riesige Land China auf dem Weg zur Super- macht befindet sich derzeit in einem gefährlichen Entwicklungsstadium: Die sozialen Unter- schiede zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land und vor allem zwischen dem aufstrebenden Osten und dem rückständigen Westen wachsen rapide. Ein idealer Nährbo- den für Konflikte.
Wichtigste Aufgabe der chinesischen Führung wird es sein, für soziale Stabilität zu sorgen, ohne den Weg der brutalen Unterdrückung von Protesten zu gehen. Wir als Vertreter eines demokratischen Staates haben Vorbilder anzubieten – die europäische Vision einer freien, nachhaltig wirtschaftenden und friedlichen Gesellschaft. Wir dürfen nicht aufhören, den Dia- log zu suchen, immer und überall. Denn wie Konfuzius sagte: „Der Weg ist das Ziel.“
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