Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.
Heiner Garg: Aktion Gesichtswahrung der Kanzlerin beenden
FDP Landtagsfraktion Schleswig-HolsteinPresseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Nr. 366/2006 Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Stellvertretender Vorsitzender Kiel, Mittwoch, 13. Dezember 2006 Dr. Ekkehard Klug, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Sperrfrist: Redebeginn Günther Hildebrand, MdLEs gilt das gesprochene Wort!Gesundheit/GesundheitsreformHeiner Garg: Aktion Gesichtswahrung der Kanzlerin beenden Auf Antrag der FDP-Fraktion, der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen und den Abgeordneten des SSW wird der Schleswig-Holsteinische Landtag unter TOP 17 aufgefordert, den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbs- stärkungsgesetz – GKV-WSG) zurückzuziehen. In seinem Redebeitrag sagte u.a. der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Schleswig- Holsteinischen Landtag, Dr. Heiner Garg:„Angetreten war die Große Koalition mit dem Ziel eine Jahrhundertreform im Gesundheitswesen auf die Beine stellen zu wollen. Durch diese Reform sollte nicht nur das Gesundheitssystem auf die Herausforderungen der demografischen Entwicklung vorbereitet werden, mit ihr sollte auch die Reformfähigkeit der Großen Koalition unter Beweis gestellt werden. Die Lohnzusatzkosten sollten sinken – eine Herzenssache der Kanzlerin, wie sie nach ihrer Wahl verlauten ließ – jetzt steigen die Beiträge zur GKV sogar schneller als ohne Reform. Weniger Beitrags- und mehr Steuerfinanzierung sollte es geben. Jetzt gibt es weniger Steuer- und sehr viel mehr Beitragsfinanzierung. Mehr Effizienz, Transparenz und Wettbewerb sollte es geben – jetzt gibt es einen Fonds, der mehr Kosten und Bürokratie verursacht, obwohl niemand diesen Fonds braucht. Niemand – bis auf die Verhandlungspartner der Großen Koalition, die mit einem vollkommen überflüssigen Instrument Handlungsfähigkeit beweisen wollen.Begründet wird die Gesundheitsreform von beiden Verhandlungspartnern damit, dass diese Reform aus der „Verantwortung für das Land“ notwendig sei. Verantwortung kann aber in manchen Fällen auch bedeuten, etwas nicht zu tun. Es geht im Hinblick auf die anstehenden Veränderungen nicht um die Proteste einzelner Interessengruppen. Denn bei genauer Betrachtung handelt es sich um Proteste aus der gesamten Gesellschaft.Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 1 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Patienten, Beitragszahler, Leistungserbringer, Kostenträger, Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Gewerkschaften protestieren, weil etwas grundlegend schief läuft.Ich sage das in aller Ruhe und mit dem notwendigen Ernst: Es ist notwendig, Verantwortung zu übernehmen. Das heißt im konkreten Fall, diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen!Es genügt nicht, an irgendwelchen „Stellschrauben“ etwas zu verändern. Der Versuch der Länder im Bundesrat1 in fast 100 Änderungsanträgen diese „Stellschrauben“ neu zu justieren, muss scheitern – allein schon deshalb, weil die grundlegende Struktur des GKV-Wettbewerbstärkungsgesetzes in die falsche Richtung läuft. Anstatt einzelne Nachbesserungen einzubringen, die die konkreten Auswirkungen des Gesetzes allenfalls etwas abmildern können, muss jetzt noch einmal von vorne angefangen werden.Denn diese Reform ist nicht aus gesundheitspolitischer Vernunft, sondern ausschließlich aus dem Koalitionszwang heraus entstanden. Der Versuch, einen Mittelweg zwischen Kopfpauschale und Bürgerversicherung zu finden, war von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Statt zu fragen, was ist gut für den Patienten, was ist gut für die Leistungserbringer, was ist gut für das Land – fragten die Strategen in den Parteizentralen von Union und SPD stets nur, was die andere Seite davon haben könnte und wie das verhindert werden kann!Und so sieht das Ergebnis dann auch aus.Von der geplanten Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt lediglich der Griff in die Tasche der Beitragszahler und die Verfestigung der Strukturen, wie sie zu Lasten der Leistungserbringer bereits im Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) aufgebaut worden sind. Statt die Kosten für Gesundheit vom Erwerbseinkommen zu entkoppeln – und damit die „Strafsteuer auf Arbeit“ in Form der heutigen Sozialversicherungsbeiträge zu senken – wurde das Gegenteil unternommen: Arbeit wird noch teurer und die Versorgung der Bevölkerung im Gegenzug eher schlechter als besser.Hier haben nicht große Partner, sondern kleinliche Gegner zu Lasten von Patienten, Leistungsträgern und Kostenträgern verhandelt – die jetzt aus Gründen der Gesichtswahrung nicht mehr zurück können.Die Reform ist nicht anderes als ein Kompromiss zwischen Union und SPD um des Kompromisses willen.Es ist die „Aktion Gesichtswahrung“ der Bundeskanzlerin – mehr nicht – und inhaltlich nicht zu begründen.Diese Aktion führt sogar dazu, dass in allein 39 wesentlichen Punkten des Gesetzentwurfes nicht nur technische Umsetzungsprobleme, sondern auch ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken in Kauf genommen werden.Wir wollen uns aber nicht darauf verlassen, dass der Bundespräsident diesen Gesetzentwurf stoppt.1 Protokoll des Bundesrates UA Gesundheit vom 21.11.2006; 94 Änderungsanträge der Bundesländer und 53 abgelehnte oder anderweitig erledigte Anträge.Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 2 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Mit dem gemeinsamen Antrag wollen wir diese Gesichtswahrung vorher beenden, bevor das Gesetz in seinen Auswirkungen den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein akut bedroht:1. Beispiel: Einführung eines GesundheitsfondsDie im so genannten GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz angelegten Maßnahmen führen nicht zu mehr Wettbewerb zwischen den Kassen, sondern schalten diesen vollständig aus. Standen bislang die gesetzlichen Krankenkassen durch autonom festgelegte Beitragssätze im Wettbewerb, reduziert sich dieser auf den kassenindividuellen Zusatzbeitrag von maximal 1% des Einkommens der Versicherten. Künftig bestimmt der Staat, wie viel Geld welche Kasse nach Anwendung eines morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleiches zugeteilt bekommt. Anstatt nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu handeln, wird der Beitrag zu geplanten Gesundheitsfonds nach politischem Ermessen durch den Staat ersetzt. Tarifliche Vielfalt ist in einem solchen Zuteilungssystem nicht möglich. Stattdessen kommt es nicht nur zu wettbewerblichen Verwerfungen zwischen Krankenkassen mit hohem und niedrigem Grundlohnniveau sondern auch noch zwischen den einzelnen Bundesländern. Denn Transferobergrenzen sorgen im Rahmen einer Übergangsregelung dafür, dass die Kassen künftig regional unterschiedlich belastet werden und sie nicht einmal die Möglichkeit haben, diese Belastung durch eigenes Handeln abzuwenden. Das heißt für die schleswig-holsteinischen Kassen: Selbst sehr wirtschaftlich arbeitende Krankenkassen mit guten Versorgungskonzepten werden allein deshalb im Wettbewerb nicht bestehen können, weil sie ihre Mitglieder in einem Bundesland versichern, das ein niedriges Grundlohnniveau hat. Das bedeutet für den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein: Freiwillige Kassenleistungen, wie Vorsorgeprogramme, wird es in Schleswig-Holstein künftig nicht mehr geben, weil das Geld fehlt. Gleichzeitig wächst die Gefahr der Insolvenz. Eine Insolvenz der AOK Schleswig-Holstein würde beispielsweise nicht nur bedeuten, dass mit einem Schlag rund 750.000 Versicherte nicht mehr versichert wären, sondern Leistungserbringer im Anschluss ebenfalls Insolvenz anmelden müssten, da ihnen ein Teil der Einnahmen wegbricht.2. Beispiel: Solidarbeitrag der KrankenhäuserKein anderes Bundesland hat die Gesundheitsausgaben pro Krankenhauspatient zuletzt so stark gesenkt wie Schleswig-Holstein. Der Aufwand je stationären Fall ging nach Auskunft des statistischen Bundesamtes bereinigt im vergangenen Jahr um 3,2% zurück, während die Kosten bundesweit um 0,6% stiegen. Und das, obwohl die Kliniken in Schleswig-Holstein bereits die niedrigste Vergütung im Vergleich zu den anderen westdeutschen Bundesländern erhalten Dennoch sieht der Gesetzentwurf einen pauschalen Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser von insgesamt 1% des Budgets vor. Alles in allem würde dieses Verhandlungsergebnis die schleswig- holsteinischen Krankenhäuser gut 80 Mio. Euro in 2007 kosten und dazuChristian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 3 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ führen, dass einige Häuser aus den roten Zahlen nicht mehr herauskommen und schließen müssen. Schleswig-Holstein hat deshalb zu Recht die Rücknahme des zusätzlichen Sanierungsbeitrages eingefordert und einen entsprechenden Antrag mit der Begründung in den Bundesrat eingebracht2, dass eine Kürzung des Budgets „medizinisch nicht begründbar und wirtschaftlich nicht verantwortbar“ ist. Dennoch wird dieser Antrag den schleswig-holsteinischen Krankenhäusern nicht weiterhelfen, wenn die Bundesgesundheitsministerin verkündet, es könne „nicht sein, dass der größte Ausgabenblock, die Krankenhäuser, keinerlei Beitrag erbringt“3.Wieder geht es nicht um „Verantwortung“ – sondern darum, das Gesicht zu wahren und bestimmte ideologische Prinzipien zu reiten3. Beispiel: Solidarbeitrag des RettungsdienstesZur Kompensation der Fahrtkosten sieht der Gesetzentwurf Ausgabenabschläge in der Höhe von 3 % vor. In diese Abschläge sind auch Rettungsfahrten mit einzubeziehen. Diese Regelung hieße, dass allein der Rettungsdienst in Schleswig-Holstein einen Sanierungsbeitrag in der Höhe von rund 2,9 Mio. Euro hinzunehmen hätte4. In der Notfallrettung werden nach Landesrecht Gebühren auf Basis des Selbstkostendeckungsprinzips festgelegt. Das bedeutet letztlich, dass der 3%-ige Abschlag bei den Berechnungen der Kosten zuvor „eingepreist“ werden müssen oder die Patienten diese Mehrkosten zu tragen hätten – andernfalls müsste womöglich § 8 a des schleswig-holsteinischen Rettungsdienstgesetzes (Benutzungsentgelte) geändert werden.“2 Antrag Nr. 50, vgl. Protokoll des Bundesrates (UA G 3/06) vom 21.11.2006, S. 61 f. 3 Handelsblatt vom 06.12.2006, S. 5 4 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage vom 02.08.2006, Drs.: 16/917 Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 4 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/