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Karl-Martin Hentschel zum zweiten Verwaltungsstrukturreformgesetz
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 2 – Zweites Verwaltungsstrukturreformgesetz Düsternbrooker Weg 70 24105 KielDazu sagt der Vorsitzende Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Karl-Martin Hentschel: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 528.06 / 13.12.06Soll der ländliche Raum zur Handlungsunfähigkeit verdonnert werden?Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,in der Frage der zukünftigen Struktur der Ämter muss eine grundlegende Entscheidung getroffen werden. Wir müssen entscheiden, welche Aufgabe die Ämter übernehmen sol- len. Wollen wir wirklich nur Ämter, die als Schreibstuben der Gemeinden fungieren, so wie es vor Jahrzehnten mal gedacht war? Dazu reicht in der Tat ein Bürgermeisterclub als Leitungsgremium aus.Aber wenn Sie die Aufgaben der Ämter derart reduzieren, dann werden Sie die Ämter a- tomisieren - 8.000 EinwohnerInnen hin oder her. Es gibt dann keine handlungsfähigen Akteure, die Regionalpolitik machen, die Wirtschaftsansiedlung und Tourismusstrategien voranbringen. Denn das sind Selbstverwaltungsaufgaben, die in einer Schreibstube selbstverständlich nicht erledigt werden. Ich vermute, sie wollen das nicht.Auch ich will das nicht. Wir wollen in dieser Frage sicherlich ausnahmsweise das gleiche, nämlich eine Gemeindeverwaltung, die einen hohen Grad an Professionalität durch die handelnden Personen ermöglicht, gerade auch in den Selbstverwaltungsaufgaben.Dazu müssen wir aber noch weiter gehen, als die von Ihnen anvisierte Mindestgröße von 8.000 EinwohnerInnen pro Verwaltung. Und vor allem müssen wir politische VertreterIn- nen in dieser Gemeinde haben, die direkt von den EinwohnerInnen gewählt werden. Nur so entstehen transparente Strukturen und klare politische Verantwortlichkeiten.1/2 Und damit wird nicht zuletzt auch der Wahlmüdigkeit entgegengewirkt, die wir auf kom- munaler Ebene beobachten können. Wenn die wichtigen Entscheidungen nur in einen Club von mittelbar gewählten AusschussvertreterInnen getroffen werden, finden sich die Stimmen vieler BürgerInnen darin gar nicht wieder.Gute Beispiele sind die neuen Ämter Probstei und Südtondern mit 22.000 beziehungs- weise fast 40.000 EinwohnerInnen. Wie soll eine AmtsdirektorIn in diesen Gegenden, die beide von Tourismus geprägt sind, eine vernünftige Tourismuspolitik machen, wenn sie oder er vorher über 20 Gemeinde- und Stadtvertretungen einbinden muss.Auch die neu eingeführten GemeindedezernentInnen können diese Aufgabe ohne eigene Verwaltung nicht leisten. Das gleiche Problem stellt sich bei der Schulentwicklungspla- nung und vielen anderen Aufgaben.Eine Amtsverwaltung, deren Leitung aus verfassungsrechtlichen Gründen gezwungen ist, sich bei der Planung von Selbstverwaltungsaufgaben zurückzuhalten, verdonnert den ländlichen Raum zur Handlungsunfähigkeit.Eine Amtsverwaltung, die aber die ganzen Aufgaben von der Wirtschaftspolitik, Touris- muspolitik, Schulplanung und so weiter für ihre Gemeinde übernimmt, sorgt dafür, dass sie mit verfassungsrechtlich höchst bedenklicher demokratischer Legitimation arbeitet.Daran ändert auch die rasante Vergrößerung der Amtsausschüsse nichts, die gestern von den Fraktionen der CDU und SPD hereingereicht wurden. Das Grundproblem bleibt das gleiche.Das Bundesverfassungsgericht hat 1979 festgestellt, dass die mittelbare demokratische Legitimation des Amtsausschusses nur so lange den verfassungsrechtlichen Anforde- rungen genügt, wie die Ämter nicht (!) so gewichtige Selbstverwaltungsaufgaben über- nehmen, dass sie den Gebietskörperschaften vergleichbar sind.Das heißt andersrum, dass Ämter, die von einem Amtsausschuss in der bisherigen Form geleitet werden, nicht die zentralen Selbstverwaltungsaufgaben für die Gemeinden wahr- nehmen dürfen.Ich frage mich, welche Aufgaben die größeren Ämter dann noch sinnvoll erfüllen sollen. Die Pläne der Landesregierung sehen vor, dass die Ämter weitere Aufgaben von den Kreisen übernehmen sollen, wie wir der Pressemitteilung vom 10.05.2005 aus dem Hau- se des Innenminister Stegner entnehmen können.Dazu müssen wir noch berücksichtigen, dass die Selbstverwaltungsaufgaben, die von den Ämtern wahrgenommen werden, seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1979 sowohl quantitativ wie auch qualitativ stark zugenommen haben. Unter Berücksich- tigung dieser Umstände ist es nicht kühn, davon auszugehen, dass die Bewertung des Bundesverfassungsgerichts heute anders aussehen würde.Wir brauchen starke Gemeinden, deren Organe mit allen Kompetenzen ausgestattet sind, die sie für die Wahrnehmung der regionalen Interessen ihrer Orte brauchen. Dazu ist es unerlässlich, dass wir die Vertretung der Amtsgemeinden direkt wählen und sie mit einer direkt gewählten AmtsbürgermeisterIn ausstatten. ***