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Lars Harms zu TOP 33 - Leukämiefälle im Raum Geesthacht / Elbmarsch
PresseinformationKiel, den 25.01.2007 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 33 Leukämiefälle im Raum Geesthacht / Elbmarsch Drs. 16/1165Wenn ein Kind plötzlich an Leukämie erkrankt, ist dies für die Angehörigen ein schwerer Schlagund eine enorme Belastung. Für alle Betroffenen ist dies eine kummervolle Zeit, da der Ausgangder Krankheit nicht vorhersehbar ist. Die Frage der Heilungschancen ist hierbei oft verbundenmit leidvollen Chemotherapien. Selbst bei einem Genesungsprozess kommen immer wiederFragen auf wie, trägt das Kind einen Schaden davon oder wie hoch ist die Rückfallgefahr? Undirgendwann taucht die Frage auf, warum erkrankt ein Kind an Leukämie?Dass diese Frage bei den Eltern in der Samtgemeinde Elbmarsch und im Raum Geesthacht in denletzten Jahren häufig gestellt wurde und zu Verunsicherungen führt, ist verständlich, angesichtsder häufigen Leukämieerkrankungen bei den dortigen Kindern.Ende September letzten Jahres ist wieder ein Kind aus Geesthacht an Leukämie erkrankt. Damitsind im Zeitraum von 1990 bis 2006 mittlerweile bei insgesamt 16 Kindern unter 15 JahrenLeukämieerkrankungen gemeldet worden. Aufgrund der Häufigkeit bei Kindern in einem 2bestimmten Zeitraum und in einer bestimmten Region, spricht man hierbei von einemLeukämie-Cluster. Das Deutsche Kinderkrebsregister geht davon aus, wenn man diedurchschnittliche Erkrankungsrate zu Grunde legt, dann wären fünf statt 16 Kinder an Leukämiein der Elbmarsch und Geesthacht erkrankt.Dem Bericht der Landesregierung ist hierbei zu entnehmen, dass es immer wieder inverschiedenen Teilen der Welt derartige Clusterbildungen gegeben hat - häufig imZusammenhang mit Leukämieerkrankungen. Untersuchungen in den USA haben jedoch keineUrsachen für diese Häufungen ergeben.Für die Betroffenen möchte ich klarstellen, dass diese Aussage wenig hilfreich ist. Sie kann dahernur zu einer rationalen Klärung herangezogen werden. Angesichts der Häufigkeit derLeukämieerkrankungen bei Kindern in der Elbmarsch und in Geesthacht, ist davon auszugehen,dass das dortige Cluster in seinem Umfang auch weltweit auffällig ist.Da diese ungewisse Situation über die Ursachen der Erkrankungen niemanden kalt lassen kann,wurden bereits frühzeitig mehrere Untersuchungen von den Ländern Schleswig-Holstein undNiedersachsen bezüglich Leukämie in der Elbmarsch in Auftrag gegeben. Dem Bericht ist zuentnehmen, dass insgesamt 17 Studien im Zeitraum von 1992 bis Ende November 2005durchgeführt wurden. Sowohl Schleswig-Holstein als auch Niedersachsen habenExpertenkommissionen eingesetzt, die zahlreiche potentielle Ursachen für dieLeukämieerkrankungen untersuchen sollten. Dazu zählten unter anderem radioaktiveStrahlenbelastungen sowie epidemiologische Untersuchungen. Darüber hinaus wurden auchnatürliche Gegebenheiten wie beispielsweise Wasser, Boden oder Luft und Nahrungsmitteluntersucht. Doch keine der durchgeführten Untersuchungen lieferte eine wissenschaftlichfundierte Erklärung für die Ursache der Häufung kindlicher Leukämien in dieser Region.Dass diese Ungereimtheiten Spielraum für Spekulationen schaffen, hat sich mittlerweilebestätigt. So gibt es Wissenschaftler und Studien, die den Zusammenhang zwischen dem 3Atomreaktor oder dem Forschungszentrum Geesthacht GmbH (GKSS) und den Leukämiefällenbestreiten. Andere wiederum äußern den Verdacht, radioaktive Strahlung könnte die Ursache fürdie Erkrankungen sein. Und der Höhepunkt war in diesem Zusammenhang dieÄmterniederlegung von insgesamt sechs Mitgliedern der Leukämiekommission im November2004, mit dem Vorwurf der Verschleierungstaktik von Seiten der damaligen Landesregierung.Solche Vorwürfe tragen nicht zu einer Problemfindung und sachlichen Lösung bei. DerartigeSchlammschlachten erwecken eher den Anschein, dass es sich bei den gegenseitigenSchuldzuweisungen manchmal um gekränkte akademische Eitelkeiten handeln könnte. Als Laiein Sachen medizinische Untersuchungen will ich mich nicht an der Kritik um Hypothesen undForschungsmethoden beteiligen. Hier erwarte ich von der Landesregierung, dass sie die nachihrem Ermessen besten unabhängigen Wissenschaftler für die Studien heranzieht.Auch wenn kein kausaler Zusammenhang zwischen den Leukämiefällen und dem KernkraftwerkKrümmel oder dem Forschungszentrum nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissenfestzustellen ist, beschleicht einen aber trotzdem dieser Verdacht. Und eben dieser Verdachtlässt die Bevölkerung in der Region auch nicht zur Ruhe kommen. Deshalb sind wir derAuffassung, dass die Untersuchungen nicht gestoppt werden dürfen, bevor der schlüssigeBeweis vorliegt, dass das AKW oder das GKSS nichts mit den Leukämiefällen zu tun haben, oderandere Ursachen für die häufigen Erkrankungen gefunden werden konnten. Auch wenn bisherkeine Zusammenhänge wissenschaftlich belegbar sind, können wir letztendlich nichtausschließen, dass sie vorhanden sein können. Denn an puren Zufall mag niemand denken undkann uns auch nicht befriedigen.Im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk warten wir noch gespannt auf die Ergebnisse derFall-Kontrollstudie des Deutschen Kinderkrebsregisters in Mainz, die im Frühjahr dieses Jahresvorgelegt werden sollen. Denn dort befasst man sich unter anderem mit der Fragestellung, obdie Nähe eines Wohnortes zu einem westdeutschen Kernkraftwerk einen Risikofaktor für das 4Entstehen von Krebserkrankungen im Kindesalter darstellt. Darüber hinaus wird untersucht, obauch andere Risikofaktoren vorliegen.Auf dieser Studie wird dann in diesem Jahr weiter aufgebaut. Hierbei werden neue genetischeund molekularbiologische Verfahren herangezogen, mit deren Hilfe man sich erhofft, dieUrsachenforschung und Leukämietypen gezielter eingrenzen zu können.Ebenso von Bedeutung ist das seit 20 Jahren beim Robert-Koch-Institut geführte bundesweiteKrebsregister - „Dachdokumentation Krebs“ - und das schleswig-holsteinische Krebsregister.Durch einen Abgleich der beiden Register verspricht man sich eine fundierte Ursachenforschung,um eine effektivere Vorbeugung von Krebserkrankungen möglich machen zu können. Bei einemersten und bisher einzigen Abgleich des Robert-Koch-Institutes von 1999, konnte leider keinAbgleich mit dem schleswig-holsteinischen Krebsregister durchgeführt werden, da sich dasKrebsregister seinerzeit noch im Aufbau befand. Mittlerweile sind sechs Jahre ins Land gegangenund es hat noch keinen Abgleich mit dem schleswig-holsteinischen Krebsregister stattgefunden.Dies ist mehr als bedauerlich, denn der Datenabgleich ist erforderlich, damit Krankheitsursachengezielt untersucht werden können. Hier muss die Landesregierung dringend nachhaken.Der von der SPD kürzlich eingebrachte Vorschlag, zur Untersuchung der rätselhaften Häufungvon Leukämiefällen in der Elbmarsch eine gemeinsame Anhörung der Sozialausschüsse desniedersächsischen Landtages sowie der Hamburgischen Bürgerschaft durchzuführen, findet auchdie Unterstützung des SSW. Denn es macht noch mal deutlich, dass wir in Schleswig-Holsteinnicht allein mit dem Problem dastehen.Eine gemeinsame Anhörung insbesondere mit den Kollegen in Niedersachsen kann auch dazubeitragen, Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Vorgehensweisen undUntersuchungsmethoden aus dem Weg zu räumen. Schließlich handelt es sich hierbei um einProblem, dass länderübergreifend ist. Und nur, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen,können wir den Menschen in der Elbmarsch deutlich machen, dass das Problem von Seiten der 5Politik ernst genommen wird. Gegenseitige Kritik und Missverständnisse helfen hier nicht weiter.Wir müssen klären, wie wir künftig gemeinsam und länderübergreifend das Problem angehenkönnen.Für den SSW haben die Sorgen der Menschen in der Elbmarsch den absoluten Vorrang. Wirmüssen die Ängste und Bedenken der Leute vor Ort ernst nehmen. Daher dürfen mit denUntersuchungen zu den Leukämiefällen solange nicht aufhören, bis wir einen schlüssigen Beweisfür die Ursachen der häufigen Leukämieerkrankungen haben. Nur so werden wir unsererVerantwortung denjenigen gegenüber gerecht, die sich um die Gesundheit ihrer Kinder und umdie eigene Gesundheit große Sorgen machen.