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21.02.07 , 12:29 Uhr
SPD

Konrad Nabel zu TOP 20 + 21: Zukunftsfähiger Klimaschutz erfordert breites Bündnis über Parteigrenzen hinweg

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 21.02.2007 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 20+21 - Klimaschutz in Schleswig-Holstein / CO2-Einsparung in der Landesverwaltung (Drucksache 16/1221 + 16/1222)

Konrad Nabel:

Zukunftsfähiger Klimaschutz erfordert breites Bündnis über Parteigrenzen hin- weg

Konrad Nabel kritisiert in seiner Rede den „Bauchladen“ von Fragen nach Auswirkun- gen der Klimaveränderungen und die ellenlanage Ansammlung von Forderungen nach Konzepten und Szenarien im Antrag der Grünen-Fraktion. Er verweist auf zahlreiche vorliegende Studien, Daten und Erkenntnisse, die schon vorliegen. Er konstatiert: „Wir haben kein Erkenntnisdefizit zum Thema Klimawandel, sondern ein weltweites Hand- lungsdefizit.“ Die Klimawende sei die Aufgabe der Menschheit in den nächsten 20 Jah- ren. Er fordert, über die Parteigrenzen hinweg gemeinsam an umsetzbaren Wegen zur Verbesserung der Energieeffizienz, zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes, gegen die Ausräumung und Verarmung der Landschaft, gegen die zunehmende Armut in der Welt und auch für Maßnahmen zur Sicherung gegen den steigenden Meeresspiegel und zunehmende Niederschläge zu arbeiten, denn „die Klimawende ist die Aufgabe der Menschheit in den nächsten 20 Jahren“.



Die Rede im Wortlaut: Nachdem wir zuletzt im Dezember zum TOP „Klimarat” die Gelegenheit hatten, im Plenum über die Folgen und Handlungsnotwendigkeiten in Bezug auf den weltweiten Klimawandel zu debattieren, hatte ich bei der Vorbereitung dieser Landtagssitzung zu- Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



nächst Gelegenheit, den erfreulich kurzen und mittelfristig sicherlich umsetzbaren An- trag der Grünen zur CO2-Reduzierung zu lesen, den ich inhaltlich unterstützen kann, der aber im Ausschuss noch verbessert werden muss. So hatte ich vor dem Lesen des zweiten Antrags der Grünen die Erwartung - ja die Hoffnung -, auch auf den immerhin sieben eng beschriebenen Seiten ihres Klimaschutzantrags konkrete Handlungsanwei- sungen für schleswig-holsteinische Beiträge zum Klimaschutz in Deutschland, Europa und der Welt zu lesen.

Leider war dies eine Fehleinschätzung, - vielleicht eine Überschätzung? - unseres e- hemaligen Koalitionspartners. Ich fand statt dessen einen umfassenden Katalog von Fragen nach Auswirkungen der Klimaveränderungen auf alle möglichen Lebens- und Politikbereiche und die Natur, dazu eine ellenlange Ansammlung von Forde- rungen nach Konzepten, Darstellungen, Szenarien, Instrumentarien und Kos- ten... und schließlich die Forderung, einschlägige Initiativen gegenüber dem Bundes- rat, der Bundesregierung und der EU zu unterstützen. Was für ein Bauchladen - und was für eine Enttäuschung!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Dies reicht nicht aus, um Ihrem Anspruch zu genügen, die ökologische Partei zu sein, die die Interessen der Na- tur, der Einen Welt und der besorgten Bürgerinnen und Bürger vertritt. Sie tun so, als gebe es zu den Folgen des Klimawandels noch nicht genügend Erkenntnisse, als hät- ten sich nicht schon - entschuldigen Sie den militärischen Ausdruck - ganze Heerscha- ren von WissenschaftlerInnen und auch PolitikerInnen den Kopf zerbrochen, was die Menschheit - auch hier in Schleswig-Holstein, auch hier in Kiel, in Itzehoe, Breitenfelde oder Erfde - tun muss, um ihren Beitrag für die Klimawende, für einen wahrhaft ver- nünftigen Umgang mit natürlichen Ressourcen und Energie zu leisten.
Sind die Erkenntnisse des Club of Rome, die Agenda21 von Rio, die Studie Zukunfts- fähiges Deutschland von BUND und Misereor oder der Stern-Report - um nur wenige Beispiele zu nennen - total an Ihnen vorbeigegangen? Weil ich weiß, dass das nicht so ist, wächst mein Unverständnis und mein Unmut über den heute vorliegenden Fragen- und Forderungskatalog Ihres Klimaschutzantrags.
Kommen Sie herunter von Ihrer Besserwisserei im Stil der berühmt-berüchtigten Ober- lehrer, die alle Antworten auf die eigenen Fragen schon kennen, und arbeiten Sie -3-



gemeinsam mit uns an umsetzbaren Wegen zur Verbesserung der Energie- effizienz, zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes, gegen die Ausräumung und Verarmung der Landschaft, gegen die zunehmende Armut in der Welt und auch für Maßnahmen zur Sicherung gegen den steigenden Meeresspiegel und zunehmende Niederschläge. Und helfen Sie dabei, die längst überfällige Wendung unseres Koalitionspartners - zu- mindest auf Bundesebene - hin zu einer vernunftgeleiteten Umwelt- und Klima- schutzpolitik zu verstärken.
Erfreulich für mich ist auch die Tatsache, dass Minister von Boetticher in der CDU auf Bundesebene im „Töpfer-Kurs" das Klimahandwerk lernen und sogar vorantreiben soll. Ich wünschte mir aber auch, dass er die Forderungen zur Bedeutung der Eine-Welt- Politik, die er auf Bundesebene richtigerweise erhebt, auch für die Landespolitik aner- kennt und die Kürzungen z.B. für das Bündnis Entwicklungspolitischer Initiativen (B.E.I.) schnellstmöglich aufgehoben werden. Von anderen Politikern etwas fordern, was man selber nicht macht, ist das Gegenteil von glaubwürdiger Politik.
Wir haben kein Erkenntnisdefizit zum Thema Klimawandel, sondern ein welt- weites Handlungsdefizit - allerdings nicht zuerst in der Bundespolitik, wo unser Um- weltminister Sigmar Gabriel wie auch sein Vorgänger Jürgen Trittin verantwortungsvoll und konkret die deutsche Klimaschutzpolitik als Vorbild für Europa und weite Teil der Welt vertritt. Deutschland war seit Beginn der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts oft vorn in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik, und ganz bewusst will ich Gerhart Baum hier nennen und auch die Verdienste des früheren Umweltministers Klaus Töpfer - vor allem für seine Arbeit für UNEP - würdigen.
Zukunftsfähiger Klimaschutz erfordert ein ganz breites Bündnis über alle Parteigrenzen hinweg, die Klimawende ist die Aufgabe der Menschheit in den nächsten 20 Jah- ren. Wenn wir hier versagen, ist es aus. Und das will ich nicht, und das wollen wir alle nicht. Nicht: wegen unserer Kinder und Enkel. Nicht: wegen unserer noch schönen Na- tur. Und nicht: wegen der nach unseren Maßstäben wahrscheinlichen Einzigartigkeit der Erde im Weltall.
In der letzten Woche hat der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltverän- derungen seine umfassende Stellungnahme an die Bundesministerien überreicht. Ich teile die Folgerungen für die Politik, die der Parlamentarische Staatssekretär im BMU, Michael Müller, dargestellt hat, und fordere Sie auf, liebe Kolleginnen und Kollegen, darüber nachzudenken und zu sagen, wie Sie sich dazu stellen! -4-



1. Die wissenschaftliche Beweislage ist eindeutig: Die wissenschaftliche Debatte um die Tatsache und die Ursachen der globalen Erwärmung ist beendet. Nach Jahr- zehnten der Forschung gibt es eine erdrückende wissenschaftliche Beweislage dafür, dass der Mensch hauptverantwortlich für den gegenwärtigen Klimawandel ist.
2. Einhaltung der 2° C-Leitplanke lohnt sich: Die globalen CO2-Emissionen sind seit 1990 um mehr als 20% gestiegen und steigen weiter - dieser Trend muss innerhalb der nächsten zehn Jahre umgekehrt werden. Hier verweise ich auf die bereits disku- tierten Ergebnisse der von Sir Nicolas Stern vorgestellten Studie. Diese Studie belegt: Wenn die notwendigen Emissionsreduktionen unterlassen werden, wird ein unge- bremster Klimawandel Kosten in Höhe von mindestens 5% des jährlichen globalen Bruttoinlandprodukts (BIP) verursachen.
3. Kyoto-Protokoll an langfristiger Perspektive ausrichten: Der in dem vor zwei Jahren in Kraft getretenen Kyoto-Protokoll verfolgte Ansatz verpflichtender Redukti- onsziele in Verbindung mit handelbaren Emissionszertifikaten bildet eine Säule für die notwendige globale Energiewende, indem er ökonomische Anreize für die Entwicklung und Verbreitung emissionsarmer Technologien schafft.
4. Ehrgeizige Reduktionsziele für Industrieländer vereinbaren: Die Industrieländer müssen sich angesichts ihrer hohen Pro-Kopf-Emissionen, ihrer historischen Verant- wortung für den Klimawandel und ihrer großen wirtschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit zu überdurchschnittlichen Emissionsreduktionen verpflichten, weil der Klimawandel sonst nicht zu bremsen ist. Sie müssen für die zweite Verpflichtungs- periode des Kyoto-Protokolls ehrgeizigere Ziele in der Größenordnung von 30% effek- tiver Reduktion von Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber 1990 übernehmen. Deutschland sollte hierbei weiterhin seiner Vorbildfunktion gerecht werden - ein Reduktionsziel von 40 % für Deutschland halte ich für angemessen. Die globalen Klimaschutzziele können allerdings nur erreicht werden, wenn auch die USA ihre Treibhausgasemissionen erheblich senken und endlich dem Kyoto- Protokoll beitreten. So sehr ich mich über den Bewusstseinswandel einzelner amerikanischer Politiker freue, z.B. bei Gouverneur Schwarzenegger, so muss doch ein klares Signal aus Washington für die USA insgesamt kommen. Und auch Australien muss endlich dem Protokoll beitreten und deutlich mehr tun, als die Glühlampen zu verbannen. -5-



5. Schwellenländer differenziert einbinden: Um auch Schwellen- und Entwicklungs- länder stärker in den Klimaschutz einzubinden, empfiehlt der Beirat eine flexiblere Gestaltung der Verpflichtungen. Die Chance auf eine Einbindung dieser Länder wird erhöht, wenn sie die Option erhalten, sich anstelle von starren Emissionsobergrenzen auf flexible Ziele zu verpflichten. Ihre Einbindung ist angesichts ihrer hohen und weiter schnell steigenden Gesamtemissionen unumgänglich. Insbesondere China und Indien haben in Weltwirtschaft und internationaler Politik erheblich an Gewicht gewonnen und globale Verantwortung übernommen, die auch im Klimaschutz zum Tragen kommen muss.
Angst ist ein schlechter Ratgeber, das gilt auch in der Klimapolitik, zumal es schon aus psychologischen Gründen sehr schwer ist, die abstrakte Angst vor Umweltschäden und die Folgen für die Menschen in das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zu rücken und ihr Handeln zu verändern.
Was wir in Deutschland und in jedem Bundesland - auch in Schleswig-Holstein - brau- chen, sind Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels und konkrete Verhal- tensänderungen bei jeder Bürgerin und bei jedem Bürger. Was wir nicht brauchen, sind kleinteilige, landesspezifische Berichte und Maßnahmen. Die im Klimaschutzan- trag der Grünen formulierten Sach- und Berichtsanträge verstellen in ihrer Kleinteilig- keit den Blick auf das nur national und international lösbare Problem des Klima- wandels. Da die Zielrichtung aber stimmt, bitte ich um Überweisung beider Anträge in den Um- weltausschuss, um gemeinsam zu beraten, wie dieses Ziel erreicht werden kann.

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