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22.02.07 , 15:59 Uhr
B 90/Grüne

Detlef Matthiessen zum Verbandsklagerecht für den Tierschutz

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 8 – Verbandsklagerecht im Tierschutz Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der tierschutzpolitische Sprecher Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Detlef Matthiessen Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 093.07 / 22.02.2007

Dem Tier eine Stimme geben: Fangen wir in Schleswig-Holstein an!
Was würden Sie tun, wenn Sie bei einem Spaziergang an einer Weide Folgendes sehen:
Ein Pferd, das Ihnen schlecht gefüttert erscheint, das sich in seiner Schutzremise nicht rühren kann, weil ein Tor, das dort abgestellt war, umgefallen ist und halb liegend, halb stehend den Raum einnimmt? Dadurch kommt das Tier nur mühsam an die Tränke.
Sie schütteln den Kopf und gehen weiter. Am nächsten Tag dasselbe Bild und Sie wollen etwas tun.
Halter um Abhilfe bitten? – Der erwidert, er kenne seine Tiere besser.
Polizei anrufen? – Die erwidert, dafür sei das Veterinäramt zuständig.
Veterinäramt anrufen? Das erwidert, der Veterinär sei zur Zeit nicht erreichbar.
Den örtlichen Tierschutz anrufen? Der erwidert, er würde sich gern beim Veterinäramt bemühen, stünde dort aber auf der „Querulantenliste“.
Strafanzeige erstatten? Wird von der Polizei aufgenommen. Nach Monaten teilt die Ord- nungsbehörde mit, der Halter sei mit Bußgeld belegt.
Anfrage bei der Ordnungsbehörde, ob dem Halter auch Verbesserung der Weidehaltung auferlegt sei. Sie erwidert: Straf- und Bußgeldverfahren richteten sich auf die Vergan- genheit, die sei abgeschlossen.
1/3 Anfrage beim Tierschutzverband, ob er wegen größerer Sachkenntnis klagen könne, ihm sollten auch keine Kosten entstehen. Der erwidert: Gern, aber er sei nicht klagebefugt, denn er sei weder vom Halter noch vom Veterinäramt „in seinen Rechten verletzt“. Er könne vor Gericht sein Rechtsschutzbegehren nicht begründen.
Diese Odyssee von Menschen für Tiere ist nicht frei erfunden, sie fußt auf gemachten Leidenserfahrungen von Menschen und Tieren. Wie kommt es dazu?
- Der Halter hat das Recht zu handeln, aber kein Interesse. - Das betroffene Tier hat Interesse, dass gehandelt wird, ist aber nicht rechtsfähig. - Der Tierschutzverband ist rechtsfähig, aber rechtlich nicht betroffen.
Diese Lücke soll durch das von uns beantragte Gesetz geschlossen werden. Sein Kern ist die Klagebefugnis anerkannter Tierschutzverbänden „ohne die Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen“.
Vorbild ist das Verbandsklagerecht anerkannter Naturschutzverbände, von diesem Ho- hen Haus beschlossen! Es gilt nicht für den Tierschutz; der aber steht seit fast fünf Jah- ren auf Grund breiter politischer Mehrheit als Staatsziel im Grundgesetz. Seitdem haben wir die Pflicht ihn zu verbessern, hier bietet sich gute Gelegenheit dazu.
Wir haben den Gesetzentwurf schlank gehalten und Schranken eingebaut:
- Nach Paragraf 1 können nur anerkannte Tierschutzverbände beim Erlass von Rechts- und Verwaltungsvorschriften und nur begrenzt mitwirken.
- Nach Paragraf 2 sind hohe Anforderungen zur Anerkennung von Tierschutzverbänden nötig.
- Nach Paragraf 3 können Tierschutzverbände nur in näher bestimmten Verfahren Rechtsbehelfe einlegen. Das sind besonders Widerspruch bei der Verwaltungsbehörde, Klage beim Verwaltungsgericht und Berufung beim Oberverwaltungsgericht. Dazu gehört auch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung; er wäre in der ein- gangs geschilderten Odyssee angebracht gewesen.
- Nach Paragraf 4 haben anerkannte Tierschutzverbände nur die gleichen Informations- rechte, wie sie jedermann nach dem Umweltinformationsgesetz hat.
Sie kennen die Rubrik aus dem Internetz „Häufig gestellte Fragen“:
Frage: Wieso kann das Land von der Verwaltungsgerichtsordnung des Bundes abwei- chen, nach der die Verletzung eigener Rechte geltend gemacht werden muss? Antwort: Der Bund hat die Abweichung in der Verwaltungsgerichtsordnung selbst zuge- lassen!
Frage: So ein Gesetz gibt es bisher Nirgends in Deutschland? Antwort: Das ist richtig. Wir wären die Pioniere, auch wenn es längst überfällig ist. Es wä- re nicht das erste Mal, dass unser Land auf einem Gebiet Vorreiter ist und andere Länder – vielleicht auch der Bund – werden uns auch bei diesem Tierschutzthema folgen, da bin ich mir sehr sicher.
Frage: Ist nicht eine Prozessflut zu erwarten? Antwort: Nein; die Statistik zeigt, dass durch Einführung der Verbandsklage im Natur- schutz die Zahl der Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nicht explodiert ist! Die Ver- bände sind offenbar keine Gerichtshansel, sondern gehen mit den übertragenen Rechten sehr verantwortlich um. Zudem werden Verbände sich auch wegen des Kostenrisikos gut überlegen, ob sie ein Gerichtsverfahren anstrengen.
Frage: Wird nicht die Verwaltung durch die Mitwirkung von Tierschutzverbänden, ihre Anerkennung und ihr Informationsrecht spürbar belastet? Antwort: Nein; durch hohe formale Anforderungen an die Anerkennung ist der Kreis der in Betracht kommenden Tierschutzverbände sehr begrenzt. Das wirkt sich auf alle Rech- te der Tierschutzverbände, auch gegenüber der Verwaltung, aus.
Zum Schluss: Wie kommen wir eigentlich dazu, uns so für die Rechte der Tiere einzuset- zen, ihnen eine Stimme zu geben? Ist das nicht – wie manchmal behauptet - eine „Ver- menschlichung der Tiere“? Antwort: Nein; wir wollen gerade erreichen, dass Tiere Tier bleiben können als „Mitge- schöpfe“ des Menschen, wie es im Tierschutzgesetz verbindlich heißt.
Wie wir Menschen uns gegenüber Tieren verhalten, ist nicht nur eine Frage der Wirt- schaftlichkeit, sondern auch der Kultur. Und weil wir vom Recht eigentlich geschützten Wesen auf Umwegen tatsächlich wenigstens ein Stück zu ihrem Recht verhelfen wollen, ist es auch eine Frage des Rechtsstaats.
Also. Wir machen etwas Gutes, wenn dieses Gesetz im schleswig-holsteinischen Land- tag eine Mehrheit, möglichst des ganzen Hauses findet.

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