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22.03.07 , 15:32 Uhr
SPD

Thomas Rother zu TOP 34: Grundlagen für demokratisches Selbstverständnis stärken

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 22.03.2007 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 34 - Bekämpfung von politischem Extremismus und Fremdenfeindlichkeit – Stärkung der Demokratie (Drucksachen 16/1208neu und 16/1287)

Thomas Rother:

Grundlagen für demokratisches Selbstverständnis stärken

Die Kriminalstatistik zeigt eine deutliche Verschiebung bei der Zahl der Straf- und der Gewalttaten von der links- zur rechtsextremen Seite, führt Thomas Rother aus. Er betont die Bedeutung der Bekämpfung des Rechtsextremismus als Dau- eraufgabe, denn nur so bestehe die Chance, die 10 – 15 % der Menschen mit geschlossenem rechtsextremem Weltbild zu erreichen und damit auch rechtsex- tremen Parteien den Boden zu entziehen. Sportprojekte und Präventionskonzep- te seien sehr wirksam bei der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Fremden- feindlichkeit, wichtig seien auch kommunale Aktionen und Initiativen. Die Schule sei einer der wichtigsten Orte, sich in Projekten wie „Schulen ohne Rassismus / Aktion Courage“ aktiv mit dem Phänomen auseinanderzusetzen. Durch eine Stärkung der Grundlagen für ein demokratisches Selbstverständnis und der Zu- stimmung zum demokratischen System sollte dieses gesellschaftliche Problem angegangen werden.



Die Rede im Wortlaut: Erst einmal vielen Dank an die Landesregierung, dass dieser Bericht so rasch vorgelegt werden konnte. Anlässe für eine solche Berichterstattung gibt es leider

Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



genug: Umfragen deuten auf eine geringer werdende Zustimmung zu unserem demokratischen System in der Bevölkerung hin.

Die aktuelle Kriminalitätsstatistik weist zwar eine Stagnation bei der politisch mo- tivierten Kriminalität auf, es gibt aber eine deutliche Verschiebung bei der Zahl der Straf- und der Gewalttaten von der links- zur rechtsextremen Seite. Im Bundesvergleich nimmt Schleswig-Holstein in Bezug auf die Gewalttaten mit rechtsradikalem Hintergrund einen Spitzenplatz ein. Nach Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Sachsen kommt schon unser Bundesland mit gut zwei Gewalttaten pro hunderttausend Einwohner im Jahr.

Parteien wie die NPD wittern vor dem Hintergrund der Wahlerfolge in Branden- burg – dort die DVU – Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern auch hier bei uns Morgenluft. Und das lässt für die Kommunalwahl im kommenden Jahr Schlech- tes befürchten. Im Kreis Steinburg scheint sich ein überregionaler Treffpunkt für Neo-Nazis neben dem Club 88 in Neumünster zu etablieren.

Immer noch bestätigen Studien, dass rund 10 – 15 % der Wahlbevölkerung ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben – momentan wieder mit eher steigender Tendenz. Daher trägt auch die vor kurzem vorgelegte Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu diesem Themenbereich den Titel „Vom Rand zur Mit- te“ und weist darin Tendenzen zu rechtsextremen Positionen auch im politischen Mainstream nach.

Der G-8-Gipfel im Juni dieses Jahres in Heiligendamm dient nicht nur zur Klä- rung internationaler politischer Streitfragen und ist daher nicht nur ein berechtig- ter Anlass zu Protesten gegen die negativen Folgen der Globalisierung, sondern bietet leider auch Extremisten von Links und Rechts einen Ansatzpunkt für Kra- wall und Gewalt. Und die halten sich dabei natürlich nicht an die Grenzen der -3-



Bundesländer, also sind auch wir betroffen. Positiv ist anzumerken, dass die Bundesregierung schon im Vorfeld Gipfel-Themen wie den „Klimawandel“ ge- meinsam auch mit nicht beteiligten Ländern und mit Nicht- Regierungsorganisationen erörtert. Das schafft öffentliche Akzeptanz für die an- stehenden Beratungen.

Zur Situationsbeschreibung und Analyse von politischem Extremismus und Fremdenfeindlichkeit wird uns ja demnächst der Landes- Verfassungsschutzbericht vorgelegt.

Mit diesem Bericht soll das Augenmerk auf Aktivitäten zur Bekämpfung von poli- tischem Extremismus und Fremdenfeindlichkeit und auf Maßnahmen zur Stär- kung der Demokratie gerichtet werden. Der Hinweis, dass sich der Bericht in sei- ner Struktur an Berichten aus den Jahren 2002 und 2004 orientiert, ist wichtig. Denn dieser Hinweis macht deutlich, dass diese Aufgabe als Daueraufgabe begriffen worden ist – über den Regierungswechsel hinaus. Nur mir einem dauerhaften Engagement, das nicht von der politischen oder publizistischen Kon- junktur dieses Themas abhängig gemacht werden darf, besteht die Chance, den Prozentsatz von 10 – 15 % der Menschen mit geschlossenem rechtsextremen Weltbild aufzuknacken und damit auch rechtsextremen Parteien den Boden zu entziehen.

Ob das bisherige Engagement der Landesregierung Wirkung gezeigt hat, lässt sich natürlich nicht sicher ermitteln. Und ich weiß auch, dass bei Erfolgen jeder gern dafür die Verantwortung übernimmt – bei Misserfolgen waren es ja immer die anderen.

Festzuhalten ist auf der Grundlage der neuesten Erhebungen der Universität Bielefeld jedenfalls, dass fremdenfeindliche Einstellungen in Schleswig- -4-



Holstein eher spärlich sind – wir haben hier den viertbesten Wert aller Bundes- länder – und dass Rechtspopulismus bei uns im Vergleich die geringsten Chan- cen auf Resonanz hat. Bei Gewaltbereitschaft und Gewaltbilligung landen wir al- lerdings bei einem Mittelplatz und das erklärt sicher auch die hohe Zahl von Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund.

Nun im Detail zum Bericht: Das Justizministerium kümmert sich um die einsit- zenden Rechtsradikalen in besonderer Weise und das ist richtig so, denn diese können sich der Auseinandersetzung im Vollzug nicht entziehen. Ich teile die im Bericht genannten Einschätzungen des Ministeriums zur Wirksamkeit seiner Maßnahmen bis auf eine: Auf der Seite 11 wird behauptet, dass durch das ent- schiedene Handeln aller an der Strafverfolgung beteiligten Stellen es gelungen sei, insbesondere die Rechtsradikale Szene zurückzudrängen. Erstens bewirkt das wenig in den Köpfen und zweitens sprechen die Zahlen leider dagegen.

Das Innenministerium ist vor allem über Sportprojekte und Präventionskon- zepte sehr wirksam in der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Fremden- feindlichkeit insbesondere in Bezug auf jungen Menschen. Und ich hoffe, dass aus dem „runden Tisch“ zu Gewalt in und um Fußballstadien dann auch konkrete Projekte entwickelt werden.

Der „Leitfaden gegen Rechts“ des Landes-Rates für Kriminalitätsverhütung ist und bleibt ein wichtiges Werkzeug für kommunale Aktionen und Initiativen gegen Rechtsextremismus. Hervorzuheben ist auch das Engagement des In- nenministers auf Bundesebene zur Aufdeckung von Finanzquellen rechtsex- tremer Gruppierungen, die zu ganz neuen Konzepten zur Bekämpfung dieser Organisationen führen und vielleicht sogar wirksamer sind als ein Verbot. -5-



Wir stehen zu den Maßnahmen der Polizei bei der Verfolgung und Verhinderung von Straftaten und wir stehen auch zur Polizei, wenn sie das Recht auf Demonst- rationsfreiheit wahrt – auch wenn uns manche der Demonstrationen gar nicht passt. Das Informationsangebot über die Internet-Plattform unter www.polizei- beratung.de ist sehr zu empfehlen im Gegensatz zum Internetangebot des IQSH, das in seiner Suchmaschine unter „Rechtsextremismus“ nur einen Eintrag aus 2000 aufweist. Die Stichworte „Rassismus“ und „Fremdenfeindlichkeit“ weisen gar keinen Treffer auf. Auch der Landesbildungsserver ist da weitaus ergiebiger.

Dennoch bleibt die Schule natürlich einer der wichtigsten Orte, sich mit die- sem Thema auseinander zu setzen. Insbesondere Projekte wie „Schulen ohne Rassismus / Aktion Courage“ ermöglichen eine aktive und nicht nur theoretische Auseinandersetzung mit dem Phänomen.

Besondere Bedeutung besitzt vor diesem Hintergrund die Jugendarbeit. Nicht nur die bildende und präventive Ausrichtung von Projekten auf spezielle Problemgruppen bezogen ist hervorzuheben, sondern auch so genannte „Normale“ müssen angesprochen werden, da diese für unterschwellig angebote- ne rechtsextreme Angebote leider durchaus empfänglich sind. Die Erfahrung ei- gener Lebensgestaltung und Integration in Kommunikations- und Kooperations- zusammenhänge ist dabei von großer Wichtigkeit. Denn meist sind nicht die Be- dürfnisse „falsch“, sondern die Form ihrer Äußerung und Befriedigung.

Deshalb ist auch die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen als Schwerpunkt- thema des Kinder- und Jugendaktionsplans vollkommen richtig gesetzt. Die Initi- ative „mitWirkung“, die in der vergangenen Woche gestartet worden ist, wird hof- fentlich dazu beitragen, in den Kommunen eine bessere Beteiligungskultur in Bezug auf Kinder- und Jugendliche zu etablieren und somit Demokratie posi- -6-



tiv erleben zu können. In der Landeszeitung wird heute über verschiedene Pro- jekte berichtet.

Der Bund hat nunmehr seine Förderprogramme für Toleranz und Demokratie neu geordnet: Das Programm „Xenos – Leben und Arbeiten in Vielfalt“ wird fort- geführt – gerade in der vergangen Woche fand ja in Lübeck eine Ergebniskonfe- renz statt. Die Programme „Entimon“ und „Civitas“ werden in einem neuen Pro- gramm zusammengefasst. Das ist richtig und schafft eine bessere Übersichtlich- keit und Zielgenauigkeit der Maßnahmen. Allerdings wäre es hilfreich gewesen, wenn die Antragsteller aus Schleswig-Holstein im Bericht genannt gewesen wä- ren – ich weiß lediglich von Anträgen aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg - wir würden das nämlich gerne unterstützen; das kann in der Ausschussberatung ja nachgeholt werden.

Das segensreiche Wirken der Landeszentrale für politische Bildung zur Stärkung der Demokratie ist in der vergangenen Woche anlässlich des 50-jährigen Beste- hens dieser Einrichtung zu Recht gewürdigt worden.

Und es ist richtig, dass der Umgang mit nationalen Minderheiten ein Maßstab für die Humanität einer Gesellschaft ist. Allerdings sind hier nicht nur wie im Bericht die autochthonen Minderheiten zu nennen, auch der Umgang mit Migran- tinnen und Migranten ist ein ebensolcher Maßstab und damit aus meiner Sicht auch ein Fall für die Staatskanzlei und nicht nur für das Innenministerium.

Der Bericht zeigt auf, dass wir bei der Bekämpfung von politischem Extremismus und Fremdenfeindlichkeit – bei der Stärkung der Demokratie – auf dem richtigen Weg sind. Wir werden uns dauerhaft mit rechtsextremen und fremdenfeindlichen Einstellungen zu beschäftigen haben. Dazu gehört, die Grundlagen für ein de- mokratisches Selbstverständnis und die Zustimmung zum demokratischen -7-



System zu stärken. Denn das Problem des Rechtsextremismus ist weniger ein individuelles, sondern mehr ein gesellschaftliches. Dennoch müssen wir natürlich auch versuchen, diejenigen zurück zu gewinnen, die ihre Interessen in der de- mokratischen Gesellschaft nicht mehr aufgehoben sehen.

Letztlich bleiben wir als Parlamentarier verantwortlich dafür, dass unsere Demo- kratie funktioniert, Probleme löst, die Sorgen der Menschen erst nimmt und Chancen und Perspektiven für alle – wirklich alle – bietet. Daher haben wir auch noch genügend Stoff zur abschließenden Beratung des Berichts im Innenaus- schuss – mitberatend im Sozialausschuss.

Und wer mag, kann sich an der Demonstration gegen den Neo-Nazi-Aufmarsch in Lübeck am 31. März beteiligen und damit auch aktiv etwas Gutes tun.

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