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Detlef Matthiessen zum Europabericht 2007
Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 38 – Europabericht 2007 Düsternbrooker Weg 70 24105 KielDazu sagt der europapolitische Sprecher der Fraktion Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Bündnis 90/Die Grünen: Telefax: 0431/988-1501 Detlef Matthiessen: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 198.07 / 09.05.2007 Europa weiterentwickelnWir bedanken uns bei der Landesregierung für den informativen Europabericht, der uns hier vorliegt. Ich möchte auf einige Punkte eingehen, die ich besonders interessant finde.Wie ich dem Bericht entnehmen kann, hat der Europäische Rat bereits vor zwei Jahren be- schlossen, dass die Sicherung und Umweltverträglichkeit der Energieversorgung als heraus- gehobenes Thema in der EU behandelt werden soll. Dazu sollen die Aspekte Steigerung der Energieeffizienz, Einsparung von Energie und Ausbau der erneuerbaren Energien gehören. Endlich bekommen diese Themen, die wir Grünen seit Jahrzehnten hartnäckig auf die Agen- da setzen, den Stellenwert, der ihnen zukommt.Ich habe Ende Januar ein Expertengespräch veranstaltet. Das Ergebnis war, dass eine Stromversorgung Europas und seiner Nachbarn auf der Basis von erneuerbaren Energien möglich ist. Und zwar vollständig. Daher hatte meine Veranstaltung den Titel „100 Prozent“. Das ist das Ziel, das wir technisch erreichen können, das wir ökologisch erreichen müssen, das wir wirtschaftlich günstiger darstellen können als jeden fossilen oder atomaren Weg.Noch erfolgreicher wird Energiepolitik und Klimapolitik, wenn sie von 25 EU-Ländern ge- meinsam gemacht wird. Eine europaübergreifende Politik kann für die ganze Welt Maßstäbe setzen, und ich hoffe, dass eines Tages eine global abgestimmte Politik möglich ist.Die Deutsche Ratpräsidentschaft in der EU tritt nicht als Treibriemen der Energiewende auf, sondern stellt sich auf die Bremse: Der Ausstoß an Klimagasen unserer Autos wird nach o- ben verhandelt. Der deutsche nationale Allokationsplan II für Emissionshandel wird von der EU-Kommission zurückgewiesen. Zukunftsweisende Vorschläge, wie die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel, kommen von der Kommission, niemals von der Bun- desregierung.Wie im Bund so im Land: Auf die Frage, ob er für oder gegen Geschwindigkeitsbegrenzun- gen sei, antwortet Umweltminister von Boetticher, das sei ein Instrument unter vielen. Er macht allerdings zu den vielen Möglichkeiten keinen einzigen eigenen Vorschlag und positio- niert sich nicht. Ministerpräsident Carstensen will Geschwindigkeitsbegrenzungen für Autos nicht ausschließen, positioniert sich jedoch genauso wenig wie sein Wirtschaftsminister Aus- termann, der das Wort Klimaschutz nur im Zusammenhang mit der Verlängerung von Rest- laufzeiten für Atomkraftwerke kennt.1/2 Im Übrigen bejubelt die Landesregierung den beabsichtigten Bau von gigantischen Kohle- kraftwerken in Brunsbüttel und Kiel, deren Realisierung jede Diskussion um Klimaschutz zu absurdem Theater machen würde.Unter anderem hat die EU als Schwerpunktziel den Ausbau der Biomasse genannt. Das ist wichtig und richtig. Wir müssen aber auch hier aufpassen. Zur Versorgung von Biogasanla- gen mit Kofermenten werden in großem Stil Maisfelder angepflanzt, anstatt landwirtschaftli- che und industrielle Reststoffe zu verwenden. Hier müssen wir den Grundsatz „Reststiff vir Anbau“ und „Stoffliche Verwendung vor energetischer Verwertung“ bekanntmachen und durchsetzen.Als wirtschaftspolitischer Sprecher möchte ich noch einmal auf die Gefahren der Dienstleis- tungsliberalisierung eingehen. Der freiere Binnenmarkt bringt den Menschen in Europa viele Vorteile, aber staatliche Aufgaben leichtfertig zu Marktdienstleistungen umzudefinieren, ist ein Missbrauch der Liberalisierungspolitik. Die Wirtschaftstheorie gibt uns genaue Kriterien an die Hand, wann die Effizienz eines freien Marktes größer ist und wann die Volkswirtschaft mehr von der Versorgung durch den Staat profitiert.Dazu gehört das Kriterium des Wettbewerbs. Entsteht aus technischen und naturgegebenen Gründen ein Monopol, ist das Marktergebnis nicht effizient, und die Allgemeinheit profitiert vom Eingreifen des Staates. Braucht der Markt bestimmte Rahmenbedingungen und Grund- voraussetzungen zu seiner Funktionstüchtigkeit, ist der Staat gefragt.Zu diesen grundlegenden Voraussetzungen gehört zum Beispiel die Versorgung mit Trink- wasser, Infrastrukturen in Verkehr und leitungsgebundener Energie, der Gesundheitsschutz und die Sicherung der Bildungschancen. Die leichtfertige Umdefinition staatlicher Aufgaben zu freien Märkten kann große volkswirtschaftliche Schäden anrichten und vor allem sehr un- gerechte Verhältnisse und soziale Unbalancen schaffen. Sie führen wegen Marktversagens zu Monopolrenten. Wie bei dem Thema Subventionen muss die Politik hier mit sehr wachem Auge hinschauen.Im Bericht der Landesregierung ist zu lesen, dass die EU besonders gelungene Politikbei- spiele aus verschiedenen Ländern diskutiert, zum Beispiel die dänische Arbeitsmarktpolitik. Jahrelang stand mein Fraktionsvorsitzender Karl-Martin Hentschel hier im Landtag und wies immer und immer wieder auf das dänische Beispiel hin, das in Bezug auf Steuern, Sozialab- gaben, Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarkt für uns vorbildlich sein kann.Jetzt bekommt die dänische Arbeitsmarktpolitik zwei Seiten im Bericht der Landesregierung eingeräumt, das freut uns!Die CDU nutzt diese längst überfällige Debatte in unseriöser Weise durch das Herauspicken einzelner Elemente, um zum Beispiel den Kündigungsschutz aufzubrechen. Das dänische Beispiel sagt ja zu Flexibilität, aber ein Arbeitnehmer bekommt dort, nachdem er flexibel frei- gesetzt wurde, 90 Prozent Arbeitslosengeld und weitere Leistungen. Flexibilität und Sicher- heit, auf Neudeutsch Flexsecurity, das gehört zusammen, wenn es erfolgreich sein will und wenn es gerecht zugehen soll.Wir Schleswig-Holsteiner haben die Aufgabe, den anderen Bundesländern das dänische Beispiel nahe zu bringen, damit ganz Deutschland davon profitieren kann. Die deutsche Ar- beitsmarktpolitik ist – auch angesichts der PISA-Ergebnisse – für die anderen EU-Länder nicht sehr vorbildlich. Wir freuen uns auf ein erhöhtes Augenmerk auf Dänemark. ***