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06.06.07 , 16:36 Uhr
SSW

Anke Spoorendonk zu TOP 10 & 16 - G8-Gipfel

Presseinformation Kiel, den6.6.2007 Es gilt das gesprochene Wort



Anke Spoorendonk
TOP 10 u. 16 Auswirkungen des G-8-Gipfels auf die Sicherheitslage in Schleswig-Holstein Drs. 16/1402; 16/1423

Um es gleich vorwegzunehmen: Aus Sicht des SSW enthält der Berichtsantrag von CDU und SPD
zwei Punkte, auf die später im zuständigen Innen- und Rechtsausschuss noch einmal
eingegangen werden sollten. Gemeint ist zum einen der vierte Spiegelstrich des Antrages, wo
nach den Folgen oder Auswirkungen der entstandenen Mehrarbeitsstunden auf den
Dienstbetrieb der Landespolizei gefragt wird. Soll heißen: Wenn rund 1000 Polizisten aus
Schleswig-Holstein in Heiligendamm sind, dann hat das Folgen für diejenigen, die während
dessen für den Dienst zu Hause zuständig sind. Wir würden also gern wissen, wie viele
Überstunden in den ausgedünnten Dienststellen anfallen.


Weiterhin schuldet uns der Innenminister eine Erklärung dafür, warum nicht alle Überstunden
während des G8-Gipfels – sowohl die 140 000, die durch Heiligendamm zustande kommen, als
auch die Überstunden, die zu Hause erbracht werden – ausgezahlt werden. Sollten keine
Überstunden zustande kommen, dann hat der Landesrechnungshof ja recht mit seiner
Behauptung, dass es auch noch in den Stellenplänen der Polizei Luft für Personaleinsparungen 2
gibt. Wir meinen: Der G8-Gipfel beeinträchtigt die Arbeit der gesamten Landespolizei, was auch
die Maßgabe bei der Auszahlung der Überstunden sein sollte.


Zum anderen gehe ich davon aus, dass wir im Ausschuss Näheres darüber erfahren werden,
welche Rolle das neue Polizeirecht bei den Vorkehrungen von Polizei und Justiz im Vorwege des
G8-Gipfels gespielt hat. Auch, wenn es in Schleswig-Holstein keine Geruchsproben gab und sich
unser Innenminister davon auch empört distanziert hat, so bleibt es dabei, dass wir ein neues
Polizeigesetz haben, das der Polizei neue Mittel in die Hand gibt.


Ohne die Debatte zum Polizeirecht wieder aufwärmen zu wollen, will ich dennoch einige
Stichworte nennen: Telefonüberwachung, Schleierfahndung, Kfz-Kennzeichen-Scanning,
Vorgangsdatenverarbeitung – darum ging es. Und es geht aus Sicht des SSW darum, dass wir uns
bundesweit immer mehr von dem klassischen Straf- und Polizeirecht verabschieden – und hin zu
einem allgemeinen Gefahrenrecht, wo es um die Etablierung von Frühwarnsystemen geht, um
kriminelle und terroristische Risiken schon im Vorfeld zu erkennen und zu bekämpfen. Letzte
Auswüchse dieses Gedankenganges haben wir gestern den Medienberichten entnehmen können,
wo – nach Rostock - der Vorschlag kam, die GSG9 den G8-Demonstranten gegenüber einzusetzen.


Auch der G8-Gipfel an sich verkörpert das neue Sicherheitsdenken. Was das konkret heißt, sind die
Menschen in Heiligendamm gerade dabei zu erfahren: Zuerst mussten sie stundenlang anstehen,
um ihre „Badges“ zu bekommen – die Ausweise zum Passieren der Schleuse bei dem zwölf
Kilometer langen Sicherheitszaun. Ihre Autos werden auf einer stationären Anlage nach
Sprengstoff gescannt, ihr Gepäck wie auf einem Flughafen durchleuchtet und sie selbst immer
wieder untersucht. Schon vor Beginn des Gipfels war jeglicher Privatverkehr untersagt. Sie
mussten also ihre Autos an bestimmten Kontrollstellen stehen lassen, um mit einem Shuttle-
Service nach Hause gebracht zu werden. 3
Mehr noch als alles andere ist der G8-Gipfel aber ein Ausdruck für politische Inszenierung. Auch
die Tatsache, dass sowohl amerikanische wie auch britische Marineeinheiten sich an der
Überwachung des Tagungsortes beteiligen, zeigt in diese Richtung. Denn, wie anders lässt sich
erklären, dass der Sicherheit trotz Netzsperre und dem Einsatz diverser Boote der
Wasserschutzpolizei anscheinend immer noch nicht genüge getan worden ist. Hier wird Macht
demonstriert, damit letztlich die Staatschefs in ihrer Rolle als „Global Players“ bestätigt werden.


Für mich war in dieser Hinsicht die Stippvisite des amerikanischen Präsidenten in Kopenhagen
2005 ein richtiger „Augenöffner“. Das dänische Fernsehen übertrug damals live die Landung der
Airforce One – wovon es übrigens zwei gibt und man nie weiß, in welcher Maschine sich George
Busch befindet – den Einsatz von über 20 Hubschraubern und was sonst noch geschah. Nichts,
aber auch gar nichts wurde dem Zufall überlassen. Erstrecht nicht die Landung von Airforce One,
die von der Beleuchtung der Maschine bis hin zur Platzierung auf der Landebahn inszeniert wurde
– von einem Mitarbeiter des Weißen Hauses mit Hollywooderfahrung.


Aus Sicht des SSW ist es daher wichtig, dass wir uns die Geschichte dieses Gipfels
vergegenwärtigen. Er wurde Mitte der 70´ziger Jahre von Helmut Schmidt und dem französischen
Staatspräsidenten Giscard d`Estaing ins Leben gerufen und fand damals sozusagen in einem
Hinterzimmer statt. Was seitdem daraus geworden ist, zeigt uns Heiligendamm.


Und noch einem Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang ansprechen – die Frage nämlich
nach der Legitimierung des G8-Gipfels. Denn fest steht, dass die G8-Runde eine private Initiative
derjenigen ist, die sich als die wichtigsten Wirtschaftsmächte in der Welt auffassen. Sie vertreten
aber nicht den Großteil der Weltbevölkerung. Der Gipfel entscheidet nichts, er kann nur beraten –
wobei formal betrachtet völlig unklar ist, wen er berät. Nicht die UNO, die ja eigentlich der
Adressat der G8-Empfehlungen sein sollte. 4
Daher sage ich, es ist an der Zeit, dass sich die G8-Staaten darüber Gedanken machen, wie die
Frage der Legitimierung zu regeln ist. Denn natürlich macht es Sinn, dass sich Staatschef treffen.
Und mit der Konstruktion des UN-Sicherheitsrates wird ja auch der Tatsache Rechnung getragen,
dass Großmächte „gleicher“ sind als andere Staaten, was aus meiner Sicht ja auch wesentlich zum
relativen Erfolg der UNO beigetragen hat. Um es ganz deutlich zu sagen: die Zeit ist dem G8-
Gipfel davon gelaufen. Es ist nicht hinnehmbar, dass so viele Ressourcen dafür aufgewendet
werden. Dass zumeist demokratisch gewählte Politiker sich dermaßen von den Menschen
abschotten, die sie gewählt haben. Gelingt es nicht den G8-Gipfel neu zu ordnen, dann gehört er
abgeschafft.


Die Konsequenzen zeigt uns Heiligendamm. Daher ganz klar und deutlich: Gewalt von
Demonstranten hat nichts, aber auch gar nichts mit der Wahrung des Demonstrationsrechts zu
tun. Den Gewalttätern ist alles egal. Ihnen geht es nicht um Demokratie und Globalisierung, ihnen
geht es nur darum, mit den brutalsten und dümmsten Aktionen, die man sich vorstellen kann –
mit roher Gewalt also – das demokratische System aufzumischen.


Umgekehrt kann es den ernstzunehmenden Kritikern der G8-Runde nicht egal sein, dass es bei
den aus Sicht des SSW notwendigen Demonstrationen gegen die markkonforme Globalisierung
gewalttätige Trittbrettfahrer gibt. Die furchtbaren Rostocker Szenen können also nur dadurch
überwunden werden, wenn die G8-Demonstrationen einen so großen friedlichen Zulauf erhalten
wie möglich. Geschieht dies nicht, dann bleibt der Eindruck, dass die Befürworter des
Sicherheitsstaates Recht haben, wenn sie immer mehr Maßnahmen fordern.


Der SSW stimmt also denjenigen zu, die der Meinung sind, dass wir als Weltbürger und
demokratische Gesellschaft die Geschicke unserer Welt nicht den eingezäunten Staatschefs von
Heiligendamm überlassen können. Wir werden also dem Antrag von Bündnis90/Die Grünen
zustimmen.

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