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Anke Spoorendonk zu TOP 10 & 16 - G8-Gipfel
Presseinformation Kiel, den6.6.2007 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 10 u. 16 Auswirkungen des G-8-Gipfels auf die Sicherheitslage in Schleswig-Holstein Drs. 16/1402; 16/1423Um es gleich vorwegzunehmen: Aus Sicht des SSW enthält der Berichtsantrag von CDU und SPDzwei Punkte, auf die später im zuständigen Innen- und Rechtsausschuss noch einmaleingegangen werden sollten. Gemeint ist zum einen der vierte Spiegelstrich des Antrages, wonach den Folgen oder Auswirkungen der entstandenen Mehrarbeitsstunden auf denDienstbetrieb der Landespolizei gefragt wird. Soll heißen: Wenn rund 1000 Polizisten ausSchleswig-Holstein in Heiligendamm sind, dann hat das Folgen für diejenigen, die währenddessen für den Dienst zu Hause zuständig sind. Wir würden also gern wissen, wie vieleÜberstunden in den ausgedünnten Dienststellen anfallen.Weiterhin schuldet uns der Innenminister eine Erklärung dafür, warum nicht alle Überstundenwährend des G8-Gipfels – sowohl die 140 000, die durch Heiligendamm zustande kommen, alsauch die Überstunden, die zu Hause erbracht werden – ausgezahlt werden. Sollten keineÜberstunden zustande kommen, dann hat der Landesrechnungshof ja recht mit seinerBehauptung, dass es auch noch in den Stellenplänen der Polizei Luft für Personaleinsparungen 2gibt. Wir meinen: Der G8-Gipfel beeinträchtigt die Arbeit der gesamten Landespolizei, was auchdie Maßgabe bei der Auszahlung der Überstunden sein sollte.Zum anderen gehe ich davon aus, dass wir im Ausschuss Näheres darüber erfahren werden,welche Rolle das neue Polizeirecht bei den Vorkehrungen von Polizei und Justiz im Vorwege desG8-Gipfels gespielt hat. Auch, wenn es in Schleswig-Holstein keine Geruchsproben gab und sichunser Innenminister davon auch empört distanziert hat, so bleibt es dabei, dass wir ein neuesPolizeigesetz haben, das der Polizei neue Mittel in die Hand gibt.Ohne die Debatte zum Polizeirecht wieder aufwärmen zu wollen, will ich dennoch einigeStichworte nennen: Telefonüberwachung, Schleierfahndung, Kfz-Kennzeichen-Scanning,Vorgangsdatenverarbeitung – darum ging es. Und es geht aus Sicht des SSW darum, dass wir unsbundesweit immer mehr von dem klassischen Straf- und Polizeirecht verabschieden – und hin zueinem allgemeinen Gefahrenrecht, wo es um die Etablierung von Frühwarnsystemen geht, umkriminelle und terroristische Risiken schon im Vorfeld zu erkennen und zu bekämpfen. LetzteAuswüchse dieses Gedankenganges haben wir gestern den Medienberichten entnehmen können,wo – nach Rostock - der Vorschlag kam, die GSG9 den G8-Demonstranten gegenüber einzusetzen.Auch der G8-Gipfel an sich verkörpert das neue Sicherheitsdenken. Was das konkret heißt, sind dieMenschen in Heiligendamm gerade dabei zu erfahren: Zuerst mussten sie stundenlang anstehen,um ihre „Badges“ zu bekommen – die Ausweise zum Passieren der Schleuse bei dem zwölfKilometer langen Sicherheitszaun. Ihre Autos werden auf einer stationären Anlage nachSprengstoff gescannt, ihr Gepäck wie auf einem Flughafen durchleuchtet und sie selbst immerwieder untersucht. Schon vor Beginn des Gipfels war jeglicher Privatverkehr untersagt. Siemussten also ihre Autos an bestimmten Kontrollstellen stehen lassen, um mit einem Shuttle-Service nach Hause gebracht zu werden. 3Mehr noch als alles andere ist der G8-Gipfel aber ein Ausdruck für politische Inszenierung. Auchdie Tatsache, dass sowohl amerikanische wie auch britische Marineeinheiten sich an derÜberwachung des Tagungsortes beteiligen, zeigt in diese Richtung. Denn, wie anders lässt sicherklären, dass der Sicherheit trotz Netzsperre und dem Einsatz diverser Boote derWasserschutzpolizei anscheinend immer noch nicht genüge getan worden ist. Hier wird Machtdemonstriert, damit letztlich die Staatschefs in ihrer Rolle als „Global Players“ bestätigt werden.Für mich war in dieser Hinsicht die Stippvisite des amerikanischen Präsidenten in Kopenhagen2005 ein richtiger „Augenöffner“. Das dänische Fernsehen übertrug damals live die Landung derAirforce One – wovon es übrigens zwei gibt und man nie weiß, in welcher Maschine sich GeorgeBusch befindet – den Einsatz von über 20 Hubschraubern und was sonst noch geschah. Nichts,aber auch gar nichts wurde dem Zufall überlassen. Erstrecht nicht die Landung von Airforce One,die von der Beleuchtung der Maschine bis hin zur Platzierung auf der Landebahn inszeniert wurde– von einem Mitarbeiter des Weißen Hauses mit Hollywooderfahrung.Aus Sicht des SSW ist es daher wichtig, dass wir uns die Geschichte dieses Gipfelsvergegenwärtigen. Er wurde Mitte der 70´ziger Jahre von Helmut Schmidt und dem französischenStaatspräsidenten Giscard d`Estaing ins Leben gerufen und fand damals sozusagen in einemHinterzimmer statt. Was seitdem daraus geworden ist, zeigt uns Heiligendamm.Und noch einem Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang ansprechen – die Frage nämlichnach der Legitimierung des G8-Gipfels. Denn fest steht, dass die G8-Runde eine private Initiativederjenigen ist, die sich als die wichtigsten Wirtschaftsmächte in der Welt auffassen. Sie vertretenaber nicht den Großteil der Weltbevölkerung. Der Gipfel entscheidet nichts, er kann nur beraten –wobei formal betrachtet völlig unklar ist, wen er berät. Nicht die UNO, die ja eigentlich derAdressat der G8-Empfehlungen sein sollte. 4Daher sage ich, es ist an der Zeit, dass sich die G8-Staaten darüber Gedanken machen, wie dieFrage der Legitimierung zu regeln ist. Denn natürlich macht es Sinn, dass sich Staatschef treffen.Und mit der Konstruktion des UN-Sicherheitsrates wird ja auch der Tatsache Rechnung getragen,dass Großmächte „gleicher“ sind als andere Staaten, was aus meiner Sicht ja auch wesentlich zumrelativen Erfolg der UNO beigetragen hat. Um es ganz deutlich zu sagen: die Zeit ist dem G8-Gipfel davon gelaufen. Es ist nicht hinnehmbar, dass so viele Ressourcen dafür aufgewendetwerden. Dass zumeist demokratisch gewählte Politiker sich dermaßen von den Menschenabschotten, die sie gewählt haben. Gelingt es nicht den G8-Gipfel neu zu ordnen, dann gehört erabgeschafft.Die Konsequenzen zeigt uns Heiligendamm. Daher ganz klar und deutlich: Gewalt vonDemonstranten hat nichts, aber auch gar nichts mit der Wahrung des Demonstrationsrechts zutun. Den Gewalttätern ist alles egal. Ihnen geht es nicht um Demokratie und Globalisierung, ihnengeht es nur darum, mit den brutalsten und dümmsten Aktionen, die man sich vorstellen kann –mit roher Gewalt also – das demokratische System aufzumischen.Umgekehrt kann es den ernstzunehmenden Kritikern der G8-Runde nicht egal sein, dass es beiden aus Sicht des SSW notwendigen Demonstrationen gegen die markkonforme Globalisierunggewalttätige Trittbrettfahrer gibt. Die furchtbaren Rostocker Szenen können also nur dadurchüberwunden werden, wenn die G8-Demonstrationen einen so großen friedlichen Zulauf erhaltenwie möglich. Geschieht dies nicht, dann bleibt der Eindruck, dass die Befürworter desSicherheitsstaates Recht haben, wenn sie immer mehr Maßnahmen fordern.Der SSW stimmt also denjenigen zu, die der Meinung sind, dass wir als Weltbürger unddemokratische Gesellschaft die Geschicke unserer Welt nicht den eingezäunten Staatschefs vonHeiligendamm überlassen können. Wir werden also dem Antrag von Bündnis90/Die Grünenzustimmen.