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Karl-Martin Hentschel zum G8-Gipfel
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Es gilt das gesprochene Wort! Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel TOP 10 + 16 – G8-Gipfel Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt der Fraktionsvorsitzende Telefax: 0431/988-1501 von Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172/541 83 53 Karl-Martin Hentschel: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 250.07 / 06.06.2007G8 – Für Demonstrationsfreiheit und nachhaltige EntwicklungSehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,wir haben hier einen eigenen Antrag eingebracht, weil es nicht ausreicht, den G8-Gipfel nur als ein Sicherheitsproblem zu betrachten, wie es offensichtlich die große Koalition in ihrem Antrag sieht.Der G8-Gipfel ist ein Ereignis, das weltweit Diskussionen auslöst, denen wir uns stellen müssen. Fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung sieht Globalisierung als eine Bedro- hung an. Wenn wir als Politiker darauf keine Antworten geben, dann reden wir an den Sorgen der Menschen vorbei.Und das betrifft nicht nur die Hungernden in Afrika. Das betrifft auch die MitarbeiterInnen der Telekom hier in Schleswig-Holstein, die in den Streik treten, weil ihre Löhne gedrückt werden sollen – und von denen der Betriebratsvorsitzende auf der Demo in Rostock ge- redet hat.Das betrifft Millionen von GeringverdienerInnen, die deshalb einen Mindestlohn fordern.Das betrifft die BäuerInnen, wenn die Agrarpreise gesenkt und die Subventionen abge- baut werden sollen.Das betrifft unsere Deiche, wenn in der Antarktis Eisschilde von der Größe europäischer Staaten ins Rutschen kommen.Das betrifft aber auch unsere Demokratie, wenn eine paranoide Angst vor TerroristInnen und GewalttäterInnen dazu führt, dass immer neue Einschränkungen unserer mühsam gewonnenen Freiheitsrechte gefordert und dann auch in Parlamenten verabschiedet werden.1/4 Meine Damen und Herren, damit wir uns nicht falsch verstehen. Gewalttaten sind zu verurteilen – das tue auch ich.Ich war am Wochenende in Rostock. Ich kann bestätigen, dass die Polizei sich überwie- gend an die verabredete Deeskalationsstrategie gehalten hat. Das begrüße ich.Die Polizei ist nicht der Schuldige. Gerade die schleswig-holsteinische Polizei ist seit Jahren bekannt für eine Philosophie der Bürgerfreundlichkeit und Deeskalation, die bun- desweit anerkannt ist. Ich hoffe, das bleibt so.Ich begrüße auch die Worte von Minister Stegner, als er sagte, dass die Polizei nicht nur zum Schutz des G8-Gipfels dort ist, sondern auch um das Grundrecht der Demonstrati- onsfreiheit zu verteidigen.Aber gerade deswegen darf jetzt nicht die Diskussion über die Gewalttaten einer Minder- heit die Anliegen der großen Mehrheit in den Hintergrund rücken.Wenn jetzt politische Scharfmacher wie der Innenminister Schäuble erneut versuchen, die Diskussion anzuheizen, dann fügen sie der Demokratie einen nachhaltigen Schaden zu.Wer nicht will, dass die GewalttäterInnen auch noch Erfolg haben, der darf nicht eine Demonstration von zigtausenden Menschen weniger beachten, als die Gewalttaten von einer Minderheit.Sonst kommen nämlich immer mehr junge Menschen auf die Idee, dass Randale ein gu- tes Mittel ist, um mehr Beachtung zu finden.Meine Damen und Herren, Ich begrüße es, dass tausende von jungen Menschen aus Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern gefahren sind, um für eine gerechtere Welt und eine enga- gierte Klimapolitik zu demonstrieren.Die Kritik am Treffen der G8 ist berechtigt. Nicht nur wegen ihrer unzureichende Be- schlüsse.Zu kritisieren ist auch, wenn acht Staaten sich treffen und immer mehr dazu übergehen, politische Beschlüsse unter Umgehung der legitimen Gremien der EU fassen. Denn die acht Staaten der G8 repräsentieren zwar 65 Prozent des Bruttosozialprodukts der Welt und beherbergen 80 Prozent der größten Konzerne, aber sie vertreten nur 13 Prozent der Weltbevölkerung.Die G8-Länder haben keine Legitimation, alleine Entscheidungen über die Gestaltung der Globalisierung zu treffen.Meine Damen und Herren, fast alle Parteien hier im Saal jammern seit Jahren über den Schwund von Jugendlichen und die geringe Wahlbeteiligung.Wir sollten uns deshalb freuen, wenn tausende Jugendliche losziehen, um für globale Gerechtigkeit, für wirksamen Klimaschutz, und gegen immer mehr Überwachung durch Polizei und Geheimdienste protestieren. Das ist die größte politische Jugendbewegung, die wir in den letzten 20 Jahren erlebt haben. Dieses Engagement von Jugendlichen, die für ihre Zukunft demonstrieren, ist trotz der erschreckenden Begleitumstände erst mal ein Grund zur Freude für jede Demo- kratIn.Und wer die unzähligen Plakate gegen Schnüffelhunde, gegen Polizeikontrollen, gegen den elektronischen Personalausweis, gegen den Bruch des Briefgeheimnisses usw. ge- sehen hat, der sollte sich ernsthaft fragen, ob dadurch unser Land sicherer wird.Auch Präsident Bush glaubte, die Welt würde sicherer, wenn er in den Irak einmarschier- te. Heute pfeifen es die Spatzen selbst in jedem konservativen Dorf in USA vom Dach, dass Bush damit dem Terrorismus den größten Gefallen getan hat. Er hat tausende und abertausende Menschen in die Fänge der Terroristen getrieben.Deshalb dürfen wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Wenn politisch aktive Ju- gendliche den Eindruck gewinnen, dass ihr Engagement unerwünscht ist und kriminali- siert wird, wenn Parlamente in Berlin und in Kiel Sicherheitsgesetze und Polizeigesetze beschließen, die von nahezu allen JuristInnen als verfassungswidrig bezeichnet werden, wenn Überwachungsmaßnahmen gegen Jugendliche, MitbürgerInnen und JournalistIn- nen eingesetzt werden, wenn diese ihre demokratischen Rechte wahrnehmen, dann schafft das kein Vertrauen.Dann leisten wir damit einen Bärendienst an unserer Demokratie und treiben engagierte Jugendliche geradezu gewalttätigen RädelsführerInnen in die Arme.Meine Damen und Herren, der Protest der DemonstrantInnen gegen die Unfähigkeit der Regierungen zu einer en- gagierten Klimapolitik trifft auch die Landesregierung Schleswig-Holstein.Diese Regierung hat bisher keine konkreten Schritte und Maßnahmen eingeleitet. Statt den Weg ins solare Zeitalter zu gehen, will sie eine Renaissance der Kohleverbrennung einleiten.Und dieses Parlament hat mit seiner großen Mehrheit bisher alle Klima-Anträge ohne Ausnahme entweder abgelehnt oder in die berühmte Warteschleife geschoben.Die Globalisierungskritik trifft diese Regierung auch, wenn sie zu wichtigen Themen der sozialen Sicherung, dem Mindestlohn, der Ausbildungsplatzabgabe usw. zu keiner ge- meinsamen Position findet.Der Gipfel der Heuchelei ist es aber, dass diese Regierung sämtliche Mittel im Haushalt für die Entwicklungszusammenarbeit gestrichen hat.Diese Landesregierung lässt ausgerechnet die Menschen, die sich ehrenamtlich für eine gerechte Weltordnung, für eine Zusammenarbeit mit Entwicklungsinitiativen in Afrika, La- teinamerika und Asien engagieren, im Regen stehen.Besonders erstaunt mich das, weil diese Arbeit ganz besonders von den Kirchen getra- gen und finanziert wird, und wir jetzt eine Partei in der Regierung haben, die das Wort „christlich“ sogar im Namen trägt. Ich fordere deshalb die Regierung und den Landtag auf, den Protest gegen den G8- Gipfel ernst zu nehmen.Freuen Sie sich über das Engagement der Jugend!Fangen Sie endlich an, zu den Themen der Globalisierung, der Sozialpolitik und des Kli- maschutzes praktische Initiativen für Schleswig-Holstein zu entwickeln!Stellen Sie die Mittel für eine engagierte Entwicklungszusammenarbeit wieder in den Haushalt ein!Meine Damen und Herren, ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. ***