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07.06.07 , 10:48 Uhr
B 90/Grüne

Detlef Matthiessen zum Wirtschaftsbericht 2007

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 24 – Wirtschaftsbericht 2007 Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der wirtschaftspolitische Sprecher Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Detlef Matthiessen: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 252.07 / 07.06.2007



Schleswig-Holstein ist prädestiniert für eine zukunftsfähige Energiepolitik durch erneuerbare Energien
Die Konjunktur in Deutschland und auch in Schleswig-Holstein hat Fahrt aufgenommen. Über die Ursachen kann trefflich gestritten werden, die einen sagen, die Arbeitsmarktre- formen von Rot-Grün greifen jetzt, die anderen sagen CDU-Bundeskanzlerin und CDU- Ministerpräsident schaffen neues Vertrauen in der Wirtschaft.
Tatsache ist, dass von der zeitlichen Dynamik her und vom Charakter der Reformen, die in der Regierung Schröder/Fischer durchgesetzten Änderungen einen großen Bei- trag zum Aufschwung geleistet haben. Die schwarz-rote Koalition hat keine vergleichba- ren Reformen auf den Weg gebracht. Die Gesundheitsreform ist es jedenfalls nicht.
Die meisten Fachleute sind überzeugt, die Wirtschaft wächst völlig unabhängig von der Politik der großen Koalition in Berlin und Kiel und die Konjunktur ist so robust, dass auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht mehr schaden kann. Wie auch immer, die Arbeitslosenzahlen sind rückläufig und das ist eine sehr gute Nachricht für viele Men- schen, die schon nicht mehr daran geglaubt haben, in den Arbeitsmarkt zurückkehren zu können.
Deutschland ist seit vielen Jahren der Exportweltmeister und baut diese Position weiter aus. Auch Schleswig-Holstein kann seine Exportquote steigern und erreicht fast den Bundesdurchschnitt. Hier haben sicher die erneuerbaren Energien und die maritime Verbundwirtschaft ihren Anteil.

1/4 Der Ölpreis und die Energiekosten werden tendenziell weiter steigen. Bei dieser Lan- desregierung sehe ich aber überhaupt nicht, dass nun energisch eine Politik „Weg vom Öl“ gemacht wird. Gerade Schleswig-Holstein ist prädestiniert für eine zukunftsfähige Energiepolitik durch regenerative Energien, wie Sonne, Wind, Biomasse und Geother- mie. Biomasse wird auch als Treibstoff im Verkehr eingesetzt, da gibt es große Chan- cen. Das ist die Lösung: Heimische Erzeugung von Antriebsstoffen mit Arbeitsplätzen in kleinen und mittleren Unternehmen forcieren mit Wertschöpfung vor Ort statt Devisen für Ölimporte zu opfern.
In seiner Landtagsrede zum Thema neue Kohlekraftwerke vom 15.5.07 sagte Minister Austermann, im Jahr 2020 erzeugen wir in Schleswig-Holstein mehr Strom aus erneu- erbaren Energien als wir tatsächlich verbrauchen. Das ist gut, dass ein Kohlefreund wie Austermann dies so deutlich öffentlich sagt. Er macht aber gleichzeitig falsche Aussa- gen. Er geht weiter von steigenden Stromverbräuchen aus. Wenn heute in Schleswig- Holstein jährlich 14 TWh verbraucht werden, so sollen es im Jahr 2020 16 TWh sein, also ein Zuwachs.
Nein, wir werden im Jahr 2020 weniger Strom verbrauchen als heute, anders sind die Klimaschutzziele gar nicht zu erreichen. Selbst Frau Merkel will ja auf dem G8-Gipfel er- reichen, dass die großen Industrieländer ihren CO2-Ausstoß bis 2050 um 50 Prozent verringern. Um die globale Erwärmung aber auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, müs- sen die Industrieländer bis 2050 aber 80 Prozent ihres CO2 einsparen. Und Sie wissen genau, der CO2-Ausstoß in Deutschland ist 2006 um 0,6 Prozent gestiegen gegenüber 2005. Das zeigt, dass wir viel energischer den Umbau der Energieerzeugung angehen müssen.
Nach Berechnungen des Bundesumweltamtes muss Deutschland jährlich 4 Mrd. Euro aufwenden, um eine Klimakatastrophe abzuwenden. Die Klimapolitik hat positive Aus- wirkungen auf den Arbeitsmarkt. Umweltminister Gabriel hat Recht, wenn er von einer möglichen industriellen Revolution spricht, die durch die ökologische Energiewende ausgelöst werden könnte. Er hat dieses Wort nicht erfunden, aber bekannt gemacht. Leider tut er und die Bundesregierung viel zu wenig, dieser Erkenntnis auch Taten fol- gen zu lassen. Leider beobachten wir auch dort eine Politik großer Kohlekraftwerke, als könne die politische und wirtschaftliche Elite in Deutschland nur in der Dimension Groß- kraftwerkstruktur und Fossilatomar denken.
Die Ökobranche entwickelt sich nach Angaben der Unternehmensberatung Roland Berger zur Leitbranche in Deutschland. Die deutsche Umweltindustrie wird 2020 mehr MitarbeiterInnen ernähren als der Maschinenbau und die Autoindustrie. Das ist doch ei- ne tolle Botschaft, der Umbau der Industriegesellschaft hin zu den erneuerbaren Ener- gien. Dafür ist Schleswig-Holstein prädestiniert, hier ein großes Stück vom nachhaltigen „Ökokuchen“ ab zu bekommen. Diese Chance muss unsere Wirtschaft energisch und energetisch nutzen. Wer das nicht begreift, dem ist nicht mehr zu helfen.
Grüne Wirtschaftspolitik setzt auf den Dreiklang von Innovationen, Ökologie und Markt- wirtschaft. Zukunftstechnologien müssen ressourcen- und energiesparend und ohne Umweltbelastungen sein, denn nur so wird in einer zukünftigen Welt mit 15 Milliarden Menschen Wohlstand und Wachstum für alle möglich. Dazu brauchen wir Innovationen und Marktwirtschaft. Denn es sind immer wieder kleine Betriebe, die neue Innovationen auf den Markt bringen – die aber nur eine Chance in einer offenen Marktwirtschaft ha- ben. Von den 72.500 Betrieben im Lande haben 99,5 Prozent weniger als 250 Beschäftigte. Diese kleinen und mittleren Betriebe sind unsere wirtschaftliche Basis, sie stellen 77 Prozent aller Arbeitsplätze und ihr Anteil bei den Auszubildenden wird noch höher lie- gen. Diese Betriebe sind die Innovationsmotore, sie brauchen den Kontakt zur For- schung. dafür müssen Zugangshindernisse abgebaut werden.
Von den innovativen Technologien und wissensbasierten Dienstleistungen aber hängt in besonderer Weise der Wohlstand und die Zukunft unseres Landes ab. Für ein Land ohne Bodenschätze sind sie existentiell nötig, weil hier das Geld verdient wird, das in der regionalen Wirtschaft zirkuliert. Dabei geht es nicht nur um naturwissenschaftliche und technologieorientierte Forschung – Wohlstand und Zukunftsfähigkeit hängen ge- nauso von Kultur, Geisteswissenschaften und gesellschaftswissenschaftlichen Innovati- onen ab.
Die EU-Strukturfördermittel für die Periode 2007-2013 werden vom Land in ein Zu- kunftsprogramm Schleswig-Holstein eingebracht. Neben dem arbeitsmarktpolitischen Programm gibt es das Zukunftsprogramm Wirtschaft. Die EU hat dabei Innovation und Wissen in den Mittelpunkt der Förderung gestellt. Der bisherige ausgleichorientierte Förderansatz wird explizit aufgegeben. Das wird von der Grünen Fraktion ausdrücklich unterstützt. In dem zukünftigen Förderschwerpunkt „Wissen und Innovation stärken“ werden die Mittel in die jeweils am besten geeigneten Standorte fließen, dort wo der neue effektivitätsorientierte Ansatz umgesetzt werden kann. Es wird also zukünftig mehr in Köpfe investiert als jetzt noch in Beton, wie es bei der klassischen Infrastrukturförde- rung der Fall ist.
Wir haben in Schleswig-Holstein eine kleine, aber feine Forschungslandschaft (Medizin- Fakultäten, Borstel, GKSS, ISIT, Ökologieforschung, Meeresforschung, FHs, Uni), aber nur wenig komplementäre Akteure in der Wirtschaft. Eine selbsttragende Innovations- landschaft ist nur in Ansätzen vorhanden (Medizintechnik, Schiffbau, Kommunikations- technik, Windenergie). Darum setzen wir große Hoffnung auf den in Aufbau befindlichen Wissenschaftspark mit seinem Wissenschaftszentrum direkt neben der Kieler Universi- tät. Hier sollen sich durch eine enge Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in- novative Betriebe ansiedeln, die unmittelbar von dem Wissenschaftstransfer profitieren.
Weiterhin hat die CAU im Rahmen der Exzellenzinitiative der Bundesregierung Erfolge vorzuweisen. „Ozean der Zukunft“ oder „Future Ocean“ ist tatsächlich ein Exzellenzc- luster geworden. Das ist ein großer Erfolg und dafür sind die Grundlagen in Kiel gelegt worden. Wenn drei von sechs westdeutschen Forschungseinrichtungen der maritimen Naturwissenschaften in Kiel angesiedelt sind, dann zeigt das die örtliche Kompetenz.
Vom 9. bis 11. Oktober 2007 wird die seit 2001 stetig wachsende Konferenz- und Mes- severanstaltung InWaterTec zum vierten Mal in Kiel stattfinden. Seit sie 2001 erstmalig stattgefunden hat, ist sie stetig gewachsen. Die diesjährige InWaterTec steht unter dem Leitthema „Ressource Meer – Präsentations- und Kommunikationsforum für systemi- sche Lösungen, Produkte und Dienstleistungen“.
Die Veranstaltung wird unverändert bestimmt durch die Kombination einer Fachmesse mit einer qualitativ hochwertigen Konferenz. Neu ist der Veranstaltungsort in zentraler Innenstadtlage direkt an der Kieler Förde: die Halle 400. Gut erreichbar für die Messe- gäste. Veranstalter der InWaterTec 2007 sind die Gesellschaft für Maritime Technik (GMT), die Deutsche Hydrographische Gesellschaft (DHyG), das Maritime Cluster Schleswig-Holstein und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Maritime Forschung und Wirtschaft aus Kiel kann erheblich dazu beitragen das Gleich- gewicht der Meere zu erhalten und so die zukünftige menschliche Existenz zu sichern.
Wir haben hochqualifizierte Arbeitskräfte. Die Menschen leben gern in Schleswig- Holstein. Spitzenkräfte in Wirtschaft und Forschung bleiben auch bei geringerer Bezah- lung Schleswig-Holstein treu – es gibt kaum Fluktuation, weil die Menschen das Land lieben: Strand, Segeln, Fahrradfahren, Natur und Seen, Radfahren und Surfen sind die Gründe – kurz: Arbeiten, wo andere Urlaub machen, ist attraktiv.
Der Städtetourismus ist nach Aussage der IHK zu Kiel der wichtigste Wachstumsbe- reich im Tourismus von Schleswig-Holstein. In den letzten fünf Jahren stiegen die Ü- bernachtungszahlen im Städtetourismus stiegen um 8,3 Prozent. Die gleiche Tendenz gibt es im Bereich der Tagesreisen.
Das ist ein enormes Potenzial an Gästen, die zu einer oder zwei Übernachtungen ani- miert und verführt werden wollen. Der Bereich des Städtetourismus kommt im Bericht der Landesregierung etwas zu kurz. Wir sind ein Flächenland mit den attraktiven Küsten und liebreizenden Landschaften. Wenn der Städtetourismus aber das Pfund ist, mit dem wir wuchern können, dann muss da am meisten gepowert werden.
Hier in Kiel sehen wir die täglich einlaufenden Großfähren von Norwegen und Schwe- den in die Kieler Förde und in der Saison ab April die Kreuzfahrt-Schiffe, 2007 sollen es 115 Anläufe sein. Am 3.6. konnten die Menschen vier Kreuzfahrtschiffe und die zwei täglichen Fährschiffe im Kieler Hafen bewundern. Wenn nur fünf bis zehn Prozent die- ser Gäste eine Übernachtung in der Kieler Region vorschalten oder dranhängen, was könnten wir an Wertschöpfung erzielen. Darum ist ein maritimes Science-Center oder das Historische Zentrum als zusätzliche Attraktion für BesucherInnen so wichtig.
Ich fasse zusammen: Wenn man es Ernst nimmt, die völkerrechtlich verbindliche Defini- tion von Nachhaltigkeit: Entwicklung zukunftsfähig zu machen, heißt, dass die gegen- wärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Ge- neration zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können.
Dann heißt das: Wir dürfen nicht alles machen, wir dürfen keine Kohlekraftwerke bauen, auch wenn damit Investitionen und Arbeit verbunden sind. Der andere Weg einer öko- logischen Wirtschaft tut das auch und besser und tut das nachhaltig.

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