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07.06.07 , 17:01 Uhr
B 90/Grüne

Angelika Birk zu den Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 22 – Umsetzung Landesausführungsgesetz Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel zum SGB XII Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt die sozialpolitische Sprecherin Telefax: 0431/988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Angelika Birk: Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 258.07 / 07.06.2007


Beschämend: Die Kommunen tragen ihre Konflikte auf Kosten der Menschen mit Behinderungen aus!
Seit Anfang diesen Jahres sind die Kommunen nun allein zuständig für die Gestaltung der Leistung für Menschen mit Behinderung, die gesetzlich unter dem sperrigen Namen „Eingliederungshilfe“ fir- miert. Die Landesregierung hat bei dem Übergang mit Fortbildung und Einarbeitung geholfen und unterstützt jährlich mit 365 Millionen Euro. Die Summen sollen sogar steigen. Soweit so gut, so könnte es gehen.
Doch leider geht es nicht. Denn die Kommunen haben sich entschlossen, in Konfrontationsstarre zu verfallen - und dies auf Kosten der Betroffenen, der Menschen mit Behinderungen und ihren Ange- hörigen. Die Kommunen haben den Landesrahmenvertrag, der Grundlage für die Finanzierung aller Leistungen für Menschen Behinderungen ist, schon Ende letzten Jahres gekündigt und weigern sich, das Land als gewichtigsten Mitfinanzierer an ihrem Ausschuss zu beteiligen, der die Rahmen- bedingungen neu gestaltet. Die Wohlfahrts- und Behindertenverbände lassen sie erst recht nicht an ihren Tisch.
Noch längst nicht haben alle Kreise und kreisfreien Städte für die neue Aufgabe der Bewilligung von Behindertenhilfe in stationären Einrichtungen ausreichend Fachleute eingestellt und ausreichend fortgebildet. Ostholstein hat bisher die viele Arbeit mit zwei halben Stellen bewältigt. Am schwersten wiegt aber, dass viele Kommunen ihre neue Zuständigkeit vor allem als Chance sehen, in diesem Bereich massiv einzusparen, und dies, obwohl unstrittig ist, dass es zukünftig deutlich mehr Men- schen mit Handicaps geben wird als früher - seien sie seelischer, geistiger oder körperlicher Art. Vielerorts wurden schon Monate vor der Übergangszeit zur neuen gesetzlichen Regelung Anträge der Menschen mit Behinderungen lieber nicht entschieden.
Damit nicht genug, unterstellen die Kommunen denjenigen, die die Hilfeleistung erbringen - in Schleswig Holstein sind dies überwiegend Einrichtungen der Behinderten- und Wohlfahrtsverbände - schlichtweg eine grundsätzliche Befangenheit. Sie sprechen ihnen damit die Kompetenz ab, im Sinne der Menschen mit Behinderungen an der Hilfeplanung für den einzelnen Menschen, aber auch an der Planung für die unterschiedlichen Hilfen in einer Region, mitzuwirken.
1/2 Offenbar gehen die VertreterInnen der Kommunalen Spitzenverbände davon aus, dass ihre eigene bisher gezeigte Haltung, nämlich bei diesem Thema immer zuerst ans Geld zu denken, auch die Philosophie der Behinderteneinrichtungen sei. Dies kommt in den durch den Bericht dokumentierten Entscheidungsdiagrammen der Kommunen zum Ausdruck.
Und was wollen die Menschen mit Behinderungen selbst? Sie haben schon Anfang des Jahrtau- sends, als sich die ersten Zeichen für geänderte Zuständigkeiten abzeichneten, gefordert: „nicht ü- ber uns ohne uns“ zu entscheiden und sich mehrmals öffentlich zu Wort gemeldet. Von der Erfüllung dieser Forderung sind die Kommunen in Schleswig Holstein noch meilenwert entfernt.
Wir stellen fest: Die Gesellschaft ist noch lange nicht offen für die selbstverständliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Daher ist es gut, wenn vom Land durch öffentliche Veranstaltungen und Förderungen einzelner Modellprojekte, Promotoren und Vernetzungsangebote neue Wege der gesellschaftlichen Teilhabe besonders gefördert werden. Doch dies reicht politisch nicht. Das Land kann sich angesichts einer solchen massiven Verweigerung der kommunalen Spitzenverbände nicht auf eine reine Moderationsrolle beschränken.
Bisher haben die Bundes- und Landesgesetze falsche finanzielle Anreize in der Behindertenhilfe gegeben. Die 2004 im Grundsatz beschlossene und jetzt schrittweise umgesetzte Reform durch den Bund war überfällig. Leider ist es nicht gelungen, ein Leistungsgesetz zu schaffen, das den Bund verpflichtet, Land und Kommunen bei der Finanzierung zu entlasten. So werden Bürgerinnen und Bürger mit Behinderungen vom ihrem Rechtsstatus her immer noch zu Sozialhilfeempfängern ge- macht. Dies wirkt gesellschaftlich ausgrenzend.
Ausgrenzend ist auch immer noch die Struktur der Hilfsangebote. So haben sich vielerorts mono- polartige Strukturen der stationären Behindertenhilfe gebildet. Die systematische Förderung neuer Arten von Integrationsbetrieben haben wir, dies geben wie hiermit freimütig zu, bei unserem frühe- ren Koalitionspartner SPD in Schleswig-Holstein nicht durchsetzen können. Viele stationäre Einrich- tungen der Behindertenhilfe sind inzwischen dabei, sich zu wandeln und zu öffnen. Trotzdem: So- lange diese Einrichtungen durch Investitionszuschüsse gegenüber ambulanten Hilfeleistungsformen privilegiert sind und noch nicht einmal ordentlich abrechnen müssen, wie der Landesrechungshof zu Recht kritisiert, wird der Wandel nicht belohnt, sondern bestraft.
Deshalb haben wir auf Bundesebene die Einführung des persönlichen Budgets erstritten. Der Land- tag hat hierzu schon vor mehreren Jahren Modellversuche vor Ort eingefordert. Nach langem Zö- gern entsprechen nun erste Kommunen in Schleswig- Holstein diesem Auftrag. Aber gleichzeitig wollen sie diese Form der Finanzhilfen grundsätzlich für Menschen mit geistiger Behinderung aus- schließen. Das finden wir nicht nachvollziehbar. Auch sie sollen das Recht haben, dass sich die Hil- fen nach ihren Bedürfnissen richten, nicht nach den Sachzwängen einer Einrichtung oder der Kas- senlage einer Gemeinde.
Der Bericht der Landesregierung kann es nicht verbergen: Die Auseinandersetzungen um die Hilfen für Menschen mit Behinderungen sind ein beschämender Beitrag zum Jahr der Chancengleichheit. Alle Abgeordneten des Landtags sind hier gefordert: Gehen Sie auf Landräte und BürgermeisterIn- nen zu und verlangen Sie Rechenschaft darüber, wie vor Ort mit den Rechten und dem Geld für Menschen mit Behinderungen umgegangen wird.

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