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29.06.07 , 10:23 Uhr
SPD

Lothar Hay: Den solidarischen Föderalismus stärken!

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion
Kiel, 29.06.2007, Nr.: 154/2007

Lothar Hay:

Den solidarischen Föderalismus stärken!

„Föderalismus im Diskurs“ ist der Titel einer Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin, bei der heute auch der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Lothar Hay, als Vertreter der SPD-Fraktionen der Länder, gesprochen hat. Der Redebeitrag, den Lo- thar Hay im Themenkomplex „Ziele und Perspektiven der Föderalismusreform II“ hält, hat den Titel „Von der Lübecker Erklärung bis zur Föderalismusreform II“ und folgen- den Wortlaut:

Die Bundesstaatsreform I war, das möchte ich nicht verhehlen, für viele Bundesländer in zahlreichen Punkten enttäuschend und sie war dem solidarischen Miteinander der Bundesländer nicht eben förderlich.

Gemeinsam mit den Kollegen Fraktionsvorsitzenden Jüttner (Niedersachsen), Neu- mann (Hamburg), Schlotmann (Mecklenburg-Vorpommern) und Sieling (Bremen) hatte ich Anfang März 2006 einen Antrag für die Fraktionsvorsitzendenkonferenz gestellt. Wir haben Korrektur bei einigen wesentlichen Punkten gefordert, dazu gehörten die Forderungen nach einem einheitlichen Beamtenrecht und Strafvollzug ebenso wie die Beibehaltung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau und das bundes- einheitliche Heimrecht.

Was daraus geworden ist, ist bekannt: Wir haben uns in diesen wesentlichen Punkten nicht durchsetzen können und stehen jetzt vor der Situation eines eher konkurrie- renden als solidarischen Föderalismus, der für die ärmeren Bundesländer harte Konflikte schafft, die im Dreieck zwischen der Umsetzung unserer politischen Ziele und



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Vorstellungen, notwendigem Bestehen im Wettbewerb mit anderen Ländern und der ebenso notwendigen Haushaltskonsolidierung auszutragen sind. Umso wichtiger, dass diese Situation mit der Bundesstaatsreform II nicht weiter verschärft wird!

Wir stehen zur Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Daran soll es überhaupt keinen Zweifel geben. Es ist aber aus unserer Sicht, und jetzt spreche ich für die finanzschwächeren Länder, zwingend erforderlich, dass die Kon- kurrenz mit den wirtschaftlich stärkeren Ländern nicht weiter verschärft wird. Wir brauchen einen gangbaren Weg, der Verschuldungsgrenzen so festlegt, dass sie auch eingehalten werden können.

Ein Verschuldungsverbot, hier teile ich die Auffassung von Professor Wieland, würde die Entscheidungen von der politischen Ebene der Parlamente auf die juristische Ebe- ne der Gerichte verlagern. Ob dies der Demokratie und der Erkenntnis förderlich wäre, darf bezweifelt werden.

Über die von einigen vorgeschlagene Neudefinition des Investitionsbegriffs wird eben- so zu reden sein wie über den Umgang mit Altschulden. Zu letzteren haben der Schleswig-Holsteinische Ministerpräsident und der Minister für Justiz, Arbeit und Euro- pa des Landes Schleswig-Holstein vergangene Woche das Modell des Kieler Fonds vorgestellt, der eine Entschuldung der Bundesländer beinhaltet, allerdings in seiner Ausformung bei den Sachverständigen keine Zustimmung fand.

Einem neuen Verständnis von „Investition“ im haushaltsrechtlichen Sinne will ich mich vorsichtig nähern. Einerseits nützt es den verschuldeten Gebietskörperschaften nichts, wenn sie durch eine beliebige Ausweitung des Investitionsbegriffs das Recht bekom- men, noch mehr Kredite aufzunehmen. Das würde die Haushalte umso mehr in die Krise führen. Auf der anderen Seite sollten tatsächliche Investitionen in die Zu- -3-



kunft als solche anerkannt werden – und das können durchaus andere sein, als bis- her mit dem Investitionsbegriff abgedeckt wurden.

Als besonders bedeutsam erscheinen auch die Fragestellungen, die sich mit dem Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse befassen. Sehr problematisch aus Sicht der armen Bundesländer ist der Vorschlag, ein ei- genes Heberecht der Länder zu ermöglichen. Auch hier kann es zu Konkurrenzen kommen, die die finanziell starken Länder einseitig bevorzugen.

Interessant waren in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Professor Kirch- gässner in der Anhörung am vergangenen Freitag. Er legte dar, dass die unterschied- lichen Steuersätze in der Schweiz mitnichten zu einem Auseinanderdriften von wirt- schaftlich schwachen und wirtschaftlich starken Kantonen geführt haben, im Gegenteil: Die niedrigen Steuersätze in einigen Kantonen führten zu gezielten Unternehmensan- siedlungen und die daraus erwachsenden Steuereinnahmen und Arbeitsplatzgewinne zogen die anderen Kantone mit und kamen über den Finanzausgleich allen Gebiets- körperschaften zu Gute.

Auch daran wird deutlich, dass wir, wie Berlins regierender Bürgermeister Wowereit formuliert hat, keinen Manchester-Föderalismus brauchen, sondern einen Koope- rations-Föderalismus.

Bei der Bundesstaatsreform II verlaufen die Grenzen zwischen den Positionen anders als wir es gewohnt sind. Das hängt direkt mit konkreten unterschiedlichen materiellen Interessenlagen zusammen. Es gibt Übereinstimmungen zwischen den Ländern ins- gesamt in Abgrenzung zum Bund, Übereinstimmungen zwischen den armen Ländern in Abgrenzung zu reichen Ländern und / oder zum Bund, Übereinstimmungen zwi- schen SPD-Fraktionen in Bund und Ländern in Abgrenzung zur CDU sowie verschie- dene partielle Berührungspunkte. -4-



Deutlich wird die Unterschiedlichkeit auch in der Lübecker Erklärung der deutschen Landesparlamente vom 31. März 2003. Es ist richtig: Der Föderalismuskonvent der Landtage hat damals einen Impuls zur Beschleunigung der ersten Bundesstaatsreform gegeben. Allerdings bleibt der Beschluss inhaltlich an der Oberfläche, er ergeht sich in Allgemeinplätzen. Die Lübecker Erklärung hat große Bedeutung als Schwungrad ge- habt, das die Diskussion um die Staatsreform bewegt und belebt hat.

Wir Vertreter der Länderparlamente sehen unsere Interessen nicht automatisch durch unserer Regierungen vertreten. Die Bedeutung der Länderparlamente wird deutlich, wenn man davon ausgeht, dass für grundlegende Änderungen in den Fi- nanzbeziehungen verfassungsändernde Mehrheiten in allen Landtagen erforderlich sind – eine Auffassung, die von der Mehrzahl der am vergangenen Freitag befragten Sachverständigen geteilt wurde.

Für die Länder ist auch die Erfahrung aus der Schweiz von Bedeutung, dass ver- meintlich große Schritte wie beispielsweise Länderfusionen, die Zusammenle- gung von Bundesländern, nicht automatisch zu Verbesserungen und Effizienz- steigerung führen. Die Schweiz betreibt mit ihren 26 Kantonen, die bedeutend kleiner sind als unsere Bundesländer, eine wirtschaftlich und finanziell erfolgreiche Politik bei weitgehender Eigenständigkeit der Gebietskörperschaften.

Aus meiner Sicht - und ich spreche hier als Vertreter der SPD-Fraktionen der Landtage - muss es um mehr als einen Minimalkonsens gehen. Ich stehe dafür, einen solida- rischen Föderalismus zu stärken. Dazu gehört auch, Solidarität nicht als weitere Schwächung der armen Länder zu Gunsten der reichen zu begreifen. Ein System, das die Erreichung vergleichbarer Lebensverhältnisse hintanstellen würde, würde uns allen schaden.

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