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12.07.07 , 12:22 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Jugendstrafvollzugsgesetz

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 13 – Jugendstrafvollzugsgesetz Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der Vorsitzende Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Karl-Martin Hentschel: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 322.07 / 12.07.2007 Wie übt man Freiheit im Knast?
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
mit dem behandlungsorientierten und aus Resozialisierung ausgerichteten Strafvollzug erfüllt Deutschland eine Vorreiterfunktion auf die wir stolz sein können, die wir aber auch immer wieder verteidigen müssen.
Der Resozialisierungsgedanke ist besonders im Jugendstrafvollzug verankert. Der Ju- gendstrafvollzug knüpft in ganz besonderem Maße an die Hoffnung an, einen relativ jun- gen Menschen noch positiv prägen zu können, seine – vor allem im sozialen Sinne - ne- gativen Erfahrungen durch neue, andere Erfahrungen und das einüben neuer Verhal- tensmuster ersetzen zu können.
Im Grunde genommen ist der auf Resozialisierung ausgerichtete Strafvollzug ein Para- dox: Der Umgang mit Freiheit soll dadurch geschult werden, dass man sie wegnimmt.
Zur Vorbereitung dieses Gesetzes habe ich einen Besuch der Jugendvollzugsanstalt in Schleswig gemacht. Was man als Laie erwartet, sind wilde tätowierte brutale Knackis. Was man vorfindet sind vor allem gescheiterte Existenzen, hilflos, orientierungslos. Sie wirken wie kleine Jungs, aber um dort hin zu kommen, muss man schon erheblich krimi- nell tätig geworden sein.
Sie lernen in der Anstalt die Grundregeln des zivilisierten Lebens, sie lernen regelmäßig zu arbeiten, sie lernen in Wohngruppen miteinander zu leben.
Nur: Bei der Entlassung erfolgt dann der Bruch. Der Gefangene soll in Freiheit zurecht kommen, obwohl er gerade das Leben nach strikten Regeln gelernt hat.
Diesen Widerspruch können wir nicht auflösen, wir können ihn aber im Auge behalten und der Eingliederung nach der Haft unser besonderes Augenmerk widmen.
Am Strafvollzugsgesetz von 1977 wurde zu Recht kritisiert, dass es sich zu sehr auf die Regelung des Geschehens im Vollzug konzentriert und zu wenig die Perspektive der Eingliederung oder Wiedereingliederung in die Gesellschaft berücksichtigt und regelt. 1/2 Wirksame Resozialisierung darf nicht mit dem Tag der Entlassung enden. Eine vollzugs- übergreifende Behandlung ist daher notwendig. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 31.05.2006 darauf hingewiesen, dass der jugendliche Straftäter in verhältnismäßig jungen Jahren – in einem statistisch betrachtet immer noch vergleichs- weise hoch kriminalitätsanfälligen Alter - wieder in die Freiheit entlassen wird.
Das Urteil fährt fort: „Erfolgreiche Wiedereingliederung ist deshalb sowohl im Hinblick auf das weitere Leben des Betroffenen als auch im Hinblick auf den Schutz der Allgemein- heit vor weiteren Straftaten von besonders großer Bedeutung.“
Vor diesem Hintergrund sollte der die Eingliederung in die Gesellschaft als eigenständi- ges Vollzugsziel in das Gesetz aufnehmen und anstatt eines Vollzugsplans einen „Voll- zugs- und Eingliederungsplan“ vorsehen.
Die Bewährungshilfe sollte in diese Vollzugs- und Eingliederungsplanung mit einbezogen werden.
Eigenverantwortliches Leben ist eine Fähigkeit, die genau so gelernt und geübt werden muss wie Fahrradfahren. Daher müssen wir der Einübung eines neuen Lebensstils, der sinnvollen Zeit- und Freizeitgestaltung unsere Hauptaufmerksamkeit widmen.
Daher müssen in diesem Bereich umfangreiche Regelungen betreffend Freizeit und Sport getroffen werden.
Ganz besonders an den Wochenenden ist ein ausreichendes Angebot wichtig, um sub- kulturellen Einwirkungen entgegen zu wirken.
Wenn aus personellen Gründen kein Angebot mit den Justizvollzugsbediensteten geleis- tet werden kann, müssen hierfür externe DienstleisterInnen, eventuell auch ehrenamtlich Tätige herangezogen werden.
In den anstehenden Beratungen im Innen- und Rechtsausschuss sollten wir uns intensiv mit PraktikerInnen und WissenschaftlerInnen auseinandersetzen.
Es wäre auch sinnvoll, die Entwürfe anderer Länder vergleichend heranzuziehen. Bei- spielsweise haben andere Länder Erfahrungen im Jugendvollzug in freien Formen, die wir uns zunutze machen sollten.
Lassen Sie uns in einen konstruktiven Wettbewerb der Konzepte eintreten.
Die Justiz ist teuer. Haftanstalten sind besonders teuer. Jeder Jugendliche, der nicht wieder rückfällig wird, ist ein Sicherheitsgewinn für die Gesellschaft. Er erspart unserer Justiz aber auch ganz praktisch viel Geld.
Lassen Sie uns die Erfahrungen aus der Praxis und wissenschaftlichen Arbeiten nutzen und in Qualitativ hochwertigen Strafvollzug umwandeln – im Sinne einer möglichst gerin- gen Rückfallquote und damit eines effektiven Schutzes vor Kriminalität.
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