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Monika Heinold zu Patientenverfügungen
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 49 – Patientenverfügungen Düsternbrooker Weg 70 24105 KielDazu sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Monika Heinold: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 328.07 / 13.07.2007Den Willen der Patienten beachten und gleichzeitig die Patienten schützenDie Tatsache, dass wir alle sterben müssen, steht im drastischen Gegensatz zur Ver- bannung des Themas „Tod“ aus dem Leben. Die Unwissenheit über Tod und Sterben und über die Gefühle Sterbender ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Gerade, weil jeder weiß, dass er sterben muss, aber niemand weiß – wissen kann –, wie der Lebensweg für ihn ganz persönlich zu Ende geht, entsteht bei vielen Menschen der Wunsch, auch in den letzten Lebensabschnitt Klarheit zu bringen, ihn planbar zu ma- chen.Die Angst vor den körperlichen Folgen einer langwierigen Krankheit, aber auch die Angst, der Familie zur Last zu fallen und für die Gesellschaft nur noch Kostenverursa- chers zu sein, ist bei vielen Menschen vorhanden. Dazu tragen auch tägliche Meldun- gen über Vergreisung, Explosion der Pflegekosten und über Pflegenotstände bei. Hin- zu kommt die Angst, unendlich lange Schmerzen zu haben oder gegen den eigenen Willen lebenserhaltenden Maßnahmen ausgesetzt zu sein.Die heutigen medizinischen Möglichkeiten führen dazu, dass der Mensch teilweise zum Herrscher über Leben und Tod geworden ist. Der Sterbeprozess kann über Wo- chen und Monate durch künstliche Ernährung, Beatmung und durch Medikamente hinausgezögert werden. Auch deshalb fragen sich Viele: Was passiert mit mir, wenn ich auf Grund meiner Krankheit nicht mehr in der Lage bin zu sagen, was ich will? Wenn ich bewusstlos bin, künstlich beatmet und ernährt werde? Die Angst, am Ende des Lebens gegen den eigenen Willen behandelt zu werden, die Angst künstlich am Leben erhalten zu werden, wächst mit dem medizinischen Fortschritt, mit dem theore- tisch Machbaren.1/3 Jeder Mensch muss in jeder Phase seines Lebens das Recht haben, selbst zu ent- scheiden, ob und welchen lebensverlängernden medizinischen Maßnahmen er sich unterziehen möchte. Niemand darf gegen seinen Willen ärztlich behandelt werden. Solange jemand noch selbst entscheiden kann, ob er in eine Behandlung einwilligt o- der nicht, ist die Beachtung seines Willens selbstverständlich.Schwierig wird es, wenn sich der Patient nicht mehr äußern kann, wenn der Wille nicht mehr ermittelt werden kann. Deshalb wollen immer mehr Menschen diesen Willen in Form einer Patientenverfügung dokumentieren. Sie wollen, solange sie noch selbst entscheiden können, festlegen, welche Maßnahmen sie sich wünschen, welche sie ablehnen. Ihnen ist es wichtig, dass ihr eigener Wille auch dann beachtet wird, wenn sie ihn selbst nicht mehr äußern können. Diese Gewissheit ist mit der jetzt geltenden Rechtslage nicht gegeben. Sowohl die ge- setzliche Lage als auch die Rechtsprechung lassen viele Fragen offen. Ich selbst plä- diere für eine Klarheit in Form einer gesetzlichen Regelung, weiß aber, dass auch in meiner Partei, wie in allen Parteien, die Meinungen darüber auseinander gehen, was genau gesetzlich geregelt werden sollte.In unserer Gesellschaft gibt es eine große Einigkeit darüber, dass es nicht in jedem Fall das Ziel der medizinischen Anstrengungen sein muss, die Körperfunktionen mög- lichst lange zu erhalten. Strittig ist, ob und wie wir von der Möglichkeit, selber den Zeitpunkt des Todes zu bestimmen, Gebrauch machen sollen, Gebrauch machen dür- fen.Auch steht die Frage im Raum, ob die Ärzte ihr Selbstverständnis ändern müssen. Nicht mehr nur gegen den – letztlich unausweichlichen – Tod kämpfen, sondern auch gegen vermeidbares Leiden, und damit einen früheren Tod als medizinisch möglich bewusst hinzunehmen.In diesem Zusammenhang hat der Präsident der deutschen Gesellschaft für Palliativ- medizin, Prof. Müller Busch, die Ausgaben der Krankenkassen für palliativmedizini- sche Betreuung als völlig unzureichend bezeichnet. Die Kosten für Palliativmedizin liegen in Deutschland bei den gesetzlichen Krankenkassen bei 0,1 Prozent der Aus- gaben. 0,4 bis 0,5 Prozent würden gebraucht, um eine adäquate palliativmedizinische Versorgung zur Verfügung zu stellen, einschließlich der notwendigen Hospize. Hier muss die Politik entscheiden, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollen.Die Frage der rechtlichen Verankerung und Ausgestaltung von Patientenverfügungen ist eine Entscheidung des Bundestages. Er muss entscheiden, wie unsere Gesell- schaft zukünftig mit der Entscheidung über Leben und Tod umgehen will. Er ist ge- fragt, wenn es darum geht, wie der Wille des Patienten am besten sichergestellt und umgesetzt werden kann.Dabei gilt es den Willen des Patienten in jeder Lebensphase zu berücksichtigen und gleichzeitig die Patienten zu schützen: Vor voreiligen Entscheidungen, vor Entschei- dungen aus Unwissenheit, vor dem Druck pekuniärer Erwägungen. Zu einem selbst- bestimmten Leben gehört auch ein selbstbestimmtes Sterben. Und zu einem men- schenwürdigen Leben gehört auch ein menschenwürdiges Sterben.Zur Meinungsbildung des Landtages hat Justizminister Döring ein sehr aufschlussrei- ches und informatives Positionspapier vorgelegt, in dem viele Gesichtspunkte, die im Zusammenhang mit den strittigen Kernfragen stehen, aufgelistet und bewertet werden. Dieses Papier bietet eine gute Übersicht über die einzelnen Erwägungen, es ist – un- abhängig davon, ob man die Thesen teilt oder nicht - für die persönliche Meinungsbil- dung hilfreich. Außerdem liegt ein Bericht der Landesregierung vor, der den Diskussi- onsstand in Berlin aufzeigt.Zusammenfassend lässt sich sagen: Es ist noch völlig unklar, ob, wann und wie sich der Bundestag entscheiden wird. Die Absprache der Parlamentarischen Geschäftsfüh- rer, so unsere Information aus Berlin, war es, im Frühjahr eine erste Lesung im Bun- destag durchzuführen. Bislang ist allerdings nichts passiert und diejenigen Stimmen, die der Auffassung sind, dass über die Sterbehilfe gar keine weitere gesetzliche Rege- lung getroffen werden muss, scheinen lauter zu werden.Will der Landtag Einfluss nehmen, so muss er mehr machen, als über den vorliegen- den Bericht des Ministers zu beraten. Die Gestaltungsmöglichkeit des Landes liegen bei der Hospizversorgung und bei der Palliativmedizin – sie sind wichtige Landesauf- gaben im Bereich der Sterbebegleitung. In beiden Bereichen ist Schleswig-Holstein zwar in den letzten Jahren vorangekommen, aber ausreichend ist die Versorgung noch nicht. Der Anspruch, unser Land zum Vorreiter in der Palliativmedizin zu werden, ist ein großer.Es ist wichtig, dass wir das Thema „Sterben“ nicht auf die Frage nach Patientenverfü- gungen und Sterbehilfe begrenzen, sondern dass wir uns Gedanken machen, wie die Gesellschaft insgesamt mit Sterbenden umgeht, um auch die letzte Phase des Lebens nicht auszugrenzen sondern – so weit wie möglich - in den Alltag zu integrieren. Die Hospizbewegung hat sich zum Ziel gesetzt, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptie- ren und zu benennen. Den Tod, der das Leben begrenzt, der das Leben kostbar macht und uns dazu mahnt, auf erfüllte Weise zu leben. Das Motto der Hospizbewe- gung heißt: „Sterben lernen heißt leben lernen." Bundespräsident Horst Köhler sagte in seiner Rede bei der Fachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz: „Wenn wir die Hospizarbeit stärken und die palliativmedizinische Versorgung verbessern, dann werden wir - dessen bin ich gewiss - die Ängste vieler Menschen vor dem Sterben ab- bauen können.“Ich würde mich freuen, wenn uns dieser Schritt in Schleswig-Holstein gelingt. Vom Bundestag erwarte ich, dass er möglichst bald Rechtssicherheit schafft, damit jeder, der es möchte, auch tatsächlich über die letzte Phase seines Lebens mitbestimmen kann. ***