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Lothar Hay zu TOP 1A: Es wird neue Verwaltungsstrukturen geben!
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 12.09.2007 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 1 A - Regierungserklärung zur VerwaltungsstrukturreformLothar Hay:Es wird neue Verwaltungsstrukturen geben!Alle Gutachter bestätigen den Reformbedarf und sehen ein erhebliches Einsparpoten- zial, führt der Fraktionsvorsitzende Lothar Hay in seiner Rede aus. Die SPD unterstüt- ze die freiwillige Zusammenarbeit der Kreise, die Gutachten machten jedoch deutlich, dass man darüber hinausgehen müsse. Ziel der Reform sie, die Verwaltung in Schleswig-Holstein auf allen Ebenen professioneller, bürgernäher und wirtschaftlicher zu machen. Den Landkreistag fordert Hay auf, eigene Vorschläge für eine am öffentli- chen Wohl orientierte Veränderung der Verwaltungsstruktur in Schleswig-Holstein zu machen. Er geht dann detailliert auf die Gutachten ein, insbesondere auf die Aussagen zu Verfassungsfragen von Prof. Ewer und zur Wirtschaftlichkeit von Prof. Hesse. Zum Anliegen der Volksinitiative aus Dithmarschen sagt Hay mit Bezug auf die Gutachten, dass der Landesgesetzgeber seine Entscheidungskompetenz zugunsten der Kreise nicht einschränken oder aufgeben wird.Die Rede im Wortlaut:Ich möchte Sie nicht unnötig auf die Folter spannen, deshalb am Anfang meiner Rede mein Fazit aus der Vorstellung der Gutachten vom 03. September in Norderstedt:Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-Wir brauchen echte Reformen und keinen Stillstand. Alle Gutachter bestätigen den Reformbedarf und sehen ein erhebliches Einsparpotenzial durch die Veränderung von Kreisstrukturen. Wir werden als Fraktion den Dialog mit der kommunalen Ebene weiterführen.Die Gutachten legen aus finanziellen Gründen eine Veränderung nahe. Diese soll nach Möglichkeit im Konsens mit der kommunalen Ebene erfolgen. Wer von einem er- gebnisoffenen Prozess spricht, muss nachvollziehen, dass die Gutachter Ewer, Bull, Kirchhof, Seitz und Hesse einen neuen Rahmen abgesteckt haben. Bis November noch haben die Kreise Zeit – so die Festlegung der Regierung zu Beginn des Jahres – , eigene Vorschläge auf den Tisch zu legen.Ministerpräsident und Innenminister sind sich in sofern in der Bewertung einig, als es einen Anpassungsbedarf für die Kreisstrukturen gibt. Der Ministerpräsident hat be- reits einen groben Handlungsrahmen für sich abgesteckt, als er sowohl vier Großkrei- se als auch eine Nulllösung abgelehnt hat. Fazit: Es wird neue Strukturen geben!Wir unterstützen Schritte zur freiwilligen Zusammenarbeit der Kreise. Aber wir müssen darüber hinausgehen, wenn es zu einer Reform der Verwaltungsstrukturen kommen soll, die ihren Namen verdient. Das machen die Gutachten deutlich.Im Koalitionsausschuss hatten sich CDU und SPD Anfang Dezember 2006 auf den weiteren Fahrplan geeinigt. Bis Ende März sollte eine Kabinettsentscheidung über allgemeine Grundsätze für eine mögliche Kreisgebietsreform getroffen werden. Vier Arbeitsgruppen sollten sich mit der Aufgabenübertragung, der Gebietskulisse, dem Personalübergang und der Benennung weiterer kommunalisierbarer Aufgaben ausei- nandersetzen. Für jeden Personalübergang, der bei einer Aufgabenübertragung an- steht, wünschen wir uns als SPD-Landtagsfraktion übrigens eine angemessene tarif- vertragliche Regelung. -3-Die bereits genannten Gutachter sollten bis Ende Juni ihre Voten vorlegen. Diese Frist ist bis Ende August verlängert worden. Im Dezember 2007 soll der Innenminister dem Kabinett unter Berücksichtigung der Vorschläge von Kreisen und kreisfreien Städten und auf Grundlage der Wirtschaftlichkeitsuntersu-chungen Leitlinien vorlegen. Bis spä- testens zum 08. April 2009 soll das Reformgesetz verabschiedet werden.Am 18. April hat die Landesregierung die allgemeinen Grundsätze, die landesplaneri- schen Aspekte sowie die überschlägige Wirtschaftlichkeitsberechnung für eine mögli- che Kreisgebietsreform zur Kenntnis genommen. Über das Ziel gab es von Anfang an Übereinstimmung. Die Verwaltung in Schleswig-Holstein soll auf allen Ebenen professioneller, bürgernäher und wirtschaftlicher werden - dies insbesondere auch im Hinblick auf die steigenden Anforderungen, die sich aus materiell- und verfah- rensrechtlichen Vorgaben der Europäischen Union ergeben.Als weitere Vorgabe war klar: Landesaufgaben, die nicht entfallen, privatisiert oder durch Dritte erledigt werden können, sollen kommunalisiert werden. Dadurch sollen parallele Zuständigkeiten abgebaut und Synergien genutzt werden. Dabei war für mich immer in besonderer Weise klar, dass die Neuordnung der Aufgabenstrukturen nicht nur die Landes- und Kreisebene, sondern auch die kreisangehörigen Verwaltun- gen im Rahmen einer kommunalen Funktionalreform mit einbeziehen muss.Als Anforderungen an eine mögliche Kreisgebietsreform wurde im April festgelegt, dass neue Kreisstrukturen zu einer spürbaren Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Kreisverwaltungen führen müssten, dass sie raumordnerischen Kriterien genü- gen müssten, dass die Entwicklung gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Schles- wig-Holstein gesichert wird und dass eine Zweiteilung des Landes in Nord und Süd zu vermeiden ist. -4-Meine Aufforderung an die Kreise und den Landkreistag kann deshalb nur lauten: Reden Sie nicht nur von ergebnisoffener Debatte, sondern machen Sie eigene Vor- schläge für eine am öffentlichen Wohl orientierte Veränderung der Verwaltungsstruktur in Schleswig-Holstein! Denn wer sich nicht beteiligt, redet auch nicht mit!Es gab mit Sicherheit unterschiedliche Erwartungen und Hoffnungen an die vorgeleg- ten Gutachten. Dass nun alle vorgelegten Gutachten in eine Richtung weisen, hat mit Sicherheit viele überrascht. Wer die Hoffnung hatte, dass auch nach Vorlage der Gutachten Ergebnisoffenheit mit Bewegungslosigkeit gleichgesetzt werden könnte, muss von den Gutachten enttäuscht sein.Am prägnantesten formulieren die Gutachten von Professor Hesse und Professor E- wer die wirtschaftlichen und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, doch auch die anderen Gutachten sind substanziell so, dass sie in den weiteren offenen Dialog mit einbezogen werden müssen.Prof. Ewer stellt in seinem Gutachten die Frage, in wie weit eine Gebietsreform mög- lich ist. Er kommt, verkürzt dargestellt, zu dem Ergebnis, dass eine Gebietsreform im kommunalen Bereich grundsätzlich zulässig ist, wenn das öffentliche Wohl bei sorgfäl- tiger Abwägung mit den durch die Verfassung geschützten Interessen der betroffenen Kommunen überwiegt und diese an dem Prozess angemessen beteiligt wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das Recht auf Selbstverwaltung der kommunalen Gebietskörperschaften keine indi- viduelle Bestandsgarantie einer Gemeinde oder eines Kreises bedeutet. Dieses Recht ist vielmehr erst dann verletzt, wenn die Selbstverwaltung ganz abgeschafft o- der weitgehend ausgehöhlt würde. Ich zitiere beispielhaft aus der so genannten „Rastede-Entscheidung“ des Bundesver- fassungsgerichts: „Das Selbstverwaltungsrecht würde jedoch faktisch dann beseitigt, wenn das Gesetz die gemeindliche Selbstverwaltung innerlich aushöhlte, sie die Gele- -5-genheit zu kraftvoller Betätigung verlöre und nur noch ein Scheindasein führen könn- te.“Nach der Interpretation von Prof. Ewer, die, das möchte ich ausdrücklich betonen, von Prof. Bull nicht geteilt wird, ist die durch das Grundgesetz und die Landesverfassung gezogene Grenze bei Kreisen von mehr als 5.000 Quadratkilometern überschritten. Im Bereich zwischen 3.000 und 5.000 Quadratkilometern kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Nach seiner Einschätzung gibt es gegen Großkreise möglicherweise verfassungsrechtliche Bedenken.Wenn bei der Auflösung kreisfreier Städte, z.B. Flensburg, ein Drittel der Kreisbevölke- rung dann in Flensburg, zwei Drittel im Kreis Schleswig-Flensburg wohnen, so ist dies nach Ewer die kritische Höchstgrenze für eine kreisangehörige Stadt. Und klar ist für ihn auch, dass einem Zusammenschluss eine intensive Analyse vorangehen muss.Gleichzeitig ist die Anhörung der von der Reform betroffenen Gebietskörper- schaften zwingend. Hier sind wir also auf dem richtigen Weg. Der Innenminister macht es bereits.Was die weiteren materiellen Anforderungen an die Gebietsreform angeht, so müssen diese durch Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigt sein. Diese sind die Stär- kung der kommunalen Leistungs- und Verwaltungskraft, die Schaffung einer einheitli- chen Lebens- und Umweltqualität sowie der Abbau eines Leistungs- und Ausstat- tungsgefälles zwischen dicht und dünn besiedelten Gebieten und die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit. Eine geplante Gebietsänderung muss geeignet sein, Ziele zur Stär- kung des öffentlichen Wohls zu erreichen. Und es muss nachgewiesen werden, dass kein milderes Mittel ausreicht, um das Ziel zu erreichen. Weiterhin darf die Allgemein- heit nicht unverhältnismäßig belastet werden. -6-Bei der möglichen Abschaffung bisher kreisfreier Städte schlägt Ewer das Modell der großen kreisangehörigen Stadt als Alternative vor. Sie würde viele Aufgaben behal- ten, die sonst auf den Kreis übergingen. Als Einwohnergrenze, oberhalb der große kreisangehörige Städte gebildet werden könnten, schlägt er 40.000 vor.Was die Wirtschaftlichkeit angeht und Vorschläge für eine Strukturveränderung, so lie- fert Professor Hesse einen ganzen Strauß möglicher Alternativen. Es freut mich, dass seine Wirtschaftlichkeitsberechnung sich in der Gesamtsumme in der Tendenz nicht von den Wirtschaftlichkeitsschätzungen des Innenministers aus dem Frühjahr des Jahres unterscheidet.Professor Hesse stellt uns vier Modelle vor, die ihren besonderen Charme dadurch entwickeln, dass sie in verschiedenster Art und Weise miteinander verknüpft und er- gänzt werden können. Beim Modell 1 geht es um eine erheblich verstärkte Kooperati- on bei Beibehaltung der bisherigen Kreisstruktur.Im Modell 2 geht es um eine Fusion der Kreise Steinburg und Dithmarschen sowie Plön und Ostholstein bei Einbeziehung der kreisfreien Städte Flensburg in den Kreis Schleswig-Flensburg und Neumünster nach Rendsburg-Eckernförde.Sein Modell 3 unter der Unterschrift „Gebietsreform mittlerer Reichweite“ bezieht zu- sätzlich die Fusion der Kreise Segeberg mit Pinneberg, Stormarn mit Lauenburg und Nordfriesland mit Schleswig-Flensburg ein.Das 4. Modell würde schließlich die Bildung von nur noch 4 Großkreisen in Schleswig- Holstein bedeuten.Sein eigenes Votum fasst Hesse wie folgt zusammen: „Der Gutachter plädiert im Er- gebnis für ein einvernehmliches Votum zu Modell 2, verbunden mit der Empfehlung, -7-mittelfristig und auf freiwilliger Basis zu Modell 3 überzugehen, wenn mangelnde Effi- zienzrenditen und eine weitere Verschlechterung der Rahmenbedingungen dies nahe legen.“ Und weiter: „Auf der Basis eines gemeinsam erarbeiteten Organisations- und Verfahrenskonzepts sowie verbindlicher Konsolidierungsziele sollte bis Ende 2008 die Umsetzung des Modells 2 erfolgen. Den betroffenen Kommunen wäre auch hierbei eine (kleine) Freiwilligkeitsphase einzuräumen, erforderlichenfalls ist mit gesetzlichen Maßnahmen nachzusteuern. Bis Ende 2010 sollten dann maximale Kooperations- lösungen greifen, die das Land strukturiert und finanziell fördert. Ob weitere gesetzli- che Strukturreformen sich als notwendig erweisen, soll nach einer Evaluation bis spätestens 2012 entschieden werden.“ Für den gesamten Prozess schlägt er eine wissenschaftliche Begleitung vor, die bei Konflikten auch moderieren soll.Nach diesen sehr konstruktiven Vorschlägen von Professor Hesse kann ich eine ge- wisse wortreiche Sprachlosigkeit des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages nach- vollziehen. Ich fordere den Landkreistag auf, gemeinsam mit uns nach Lösungen deut- lich jenseits einer von ihnen erhofften Nulllösung zu suchen.Wir wissen natürlich auch um die Zwänge unseres Koalitionspartners, gerade aufgrund des Widerstands von Teilen der eigenen Basis. Wir sollten gemeinsam in allen Krei- sen um Verständnis für eine Lösung werben.Ein Wort noch zur Volksinitiative aus Dithmarschen. Die von dort erhobene Forde- rung, eine Neuordnung nur mit Zustimmung der Kreise durchzuführen, widerspricht dem Grunde nach den Ausführungen von Professor Ewer und Professor Bull. Beide haben in ihren Gutachten darauf hingewiesen, dass es bei einer möglichen Kreisge- bietsreform um eine Abwägungsentscheidung zwischen den widerstreitenden Interes- sen gehen muss und an deren Sorgfalt hohe Anforderungen zu stellen sind. Nur über- wiegende Gründe des öffentlichen Wohls können einen Eingriff in die kommunale Ge- bietshoheit rechtfertigen. Da die Kreistage natürlich die Interessen ihrer Kreise vertre- -8-ten, kann es in keinem Fall so sein, dass der Landesgesetzgeber seine Entschei- dungskompetenz zugunsten der Kreise einschränkt oder aufgibt. Wir sind ver- pflichtet entsprechend Artikel 11 Absatz 1 Satz 1 unserer Landesverfassung die Inte- ressen des ganzen Volkes zu vertreten. Die SPD wird deshalb den Gesetzentwurf der Volksinitiative ablehnen.Meine Damen und Herren, die beiden Koalitionspartner werden in den nächsten Wo- chen gemeinsam auf dem vereinbarten Weg weiter gehen. Wir werden die Überein- stimmung und das Mitwirken der Kreise suchen und hoffen auf einen konstruktiven Prozess. Wir hoffen auch auf den ostholsteinischen Landrat Sager, der auf die Beteili- gung an sinnvollen Veränderungen unter der Bedingung verweist, dass geplante Ver- änderungen auch tatsächlich zu einer erhöhten Wirtschaftlichkeit führen, was auch be- legt werden müsse. Genau dies ist mit den Gutachten der Professoren Seitz und Hes- se geschehen.Wir setzen darauf, dass niemand auf die Idee kommt, im nächsten Schritt die Wissen- schaftlichkeit von ihm selbst benannter Gutachter nun grundlegend in Zweifel zu zie- hen. Wer die Gutachten gelesen und die Gutachter gehört hat, kann schwerlich zu ei- nem Ergebnis kommen, das da heißt: „Die Kreise in Schleswig-Holstein sind nahezu optimal strukturiert.“Für eine möglichst optimale Struktur wollen wir durch nötige Veränderungen mit Ihnen gemeinsam sorgen. Ich freue mich auf konstruktive Debatten und nach vorne weisen- de Vorschläge der Landkreise.