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Angelika Birk zur Zukunft der Pflege in Schleswig-Holstein
Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Stellv. Pressesprecher Es gilt das gesprochene Wort Dr. Jörg Nickel Landeshaus TOP 14: Pflege muss sich an den Menschen Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel orientieren Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt die sozialpolitische Sprecherin Telefax: 0431/988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0178/28 49 591 Angelika Birk: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 379.07 / 13.09.2007Keine neuen Pflegeheime bauen, sondern humane Al- ternativen unterstützenStatt an Institutionen und Pflegestufen, muss sich die Hilfe für pflegebedürftige Menschen an deren individuellem Bedarf orientieren. Die überwältigende Mehrheit der Menschen möchte zuhause alt werden, auch bei Pflegebedürftigkeit. Das Angebot in Schleswig-Holstein geht an diesem Bedarf vorbei. Von den 36.000 Pflegebetten sind nach Angaben des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen lediglich 31.000 belegt. Im Vergleich kommt Hessen mit 42.000 stationären Pflegeplätzen aus, obwohl es mit guten sechs Millionen mehr als doppelt so viel EinwohnerInnen hat wie wir. Viel ist öffentlich die Rede von neuen Pflegeformen, aber laufend werden von den Kommunen neue Pflegeheime genehmigt, obwohl immer mehr Menschen dort gar nicht leben wollen.Die Bundesregierung hat es nicht geschafft, die Fehlanreize in der Pflegeversicherung aufzu- heben: Wenn durch gute Pflege Menschen weniger Hilfe brauchen, wird dies nicht honoriert, sondern finanziell bestraft. Das ist ein Kardinalfehler und daran ändern auch die neuen Vor- schläge wenig.Ganz entscheidend ist darüber hinaus: Wer pflegebedürftig ist, ist oft auch körperlich, geistig oder seelisch behindert. Trotzdem werden den Betroffenen Leistungen in Deutschland nach dem Behindertenrecht flächendeckend vorenthalten. Dies trifft besonders die Menschen mit Demenzerkrankungen. Die Fürsorge für Menschen mit dieser schweren geistigen und seeli- schen Behinderung wird weder nach den Pflegestufen, noch nach der Eingliederungshilfe aus- reichend finanziert. Das ist aktiv praktizierte Altersdiskriminierung.Auch in Schleswig Holstein: Obwohl die Sozialministerin dankenswerterweise mit KIWA (Ko- ordinationsstelle für innovative Wohn- und Pflegeformen) eine landesweite Beratungs- und Vernetzungsstelle zur Unterstützung neuer Pflegewohnformen fördert, hält sie sich zurück, wenn es um die konkrete Verhandlung um die Finanzierung der neuen Pflege und Betreu- ungsangebote für altersverwirrte Menschen geht.Verschiedene neue Pflegewohngemeinschaften haben sich in Schleswig Holstein vergeblich bei den Pflegekassen und den Kommunen darum bemüht, wenigstens das zu erhalten, was ihnen nach der Pflege- und Behindertengesetzgebung zusteht. Noch nicht einmal die Fahrt- kosten für Menschen, die in eine Tagespflegeeinrichtungen gebracht werden, sind ausreichend fi- nanziert. So kämpfen neue Projekte vor den Einigungsstellen und vor den Gerichten.1/2 Vom Land haben sie bisher keine politische Unterstützung bei dieser Pionierarbeit erhalten. Nur dem außergewöhnlichen Engagement der Pflegedienste und Angehörigen ist es zu ver- danken, dass die wenigen Pioniereinrichtungen noch nicht aufgegeben haben. Wir fordern neue Formen der Förderung für ambulante Angebote, für die Tagespflege und für Pflege- wohngemeinschaften. Hiermit muss in Schleswig-Holstein rasch begonnen werden.Zur Neudefinition der Versorgung von hilfebedürftigen alten Menschen gehört auch eine am tatsächlichen Bedarf orientierte Vielfalt von Fachkräften. Bisher ist mit „Fachkraftquote“ nur die Pflegefachkraft gemeint. Hier will das Landessozialministerium neue Wege gehen, nennt aber als Beispiel für neue Fachkräfte ausgerechnet den Bereich Hauswirtschaft. Auch dieses Per- sonal ist nötig, aber pflegebedürftige Menschen brauchen vor allem Fachkräfte mit psycho- und ergotherapeutischem Wissen.Auch Heime müssen sich in ihren Angeboten umorientieren und familienähnliche Einheiten schaffen. Sie müssen sich nach außen für die Angehörigen und die Nachbarschaft und in den Stadtteil öffnen. Dazu brauchen wir endlich die Umsetzung eines neuen Personalbemes- sungsverfahrens. Die Einigung aller an der Pflege Beteiligten Verbände schon vor drei Jahren nehmen wir beim Wort. Wenn das Label PLAISIR aus patentrechtlichen Gründen verboten ist, dann müssen die Erfahrungen, die im Modellversuch in Schleswig Holstein gesammelt wur- den, unter einem eigenen Konzept umgesetzt werden.Zukünftig soll es bundesweit eine flächendeckende kommunale Pflegeberatung und Beglei- tung bei der Hilfeplanung der Pflege geben. Hier hat sich die Bundesregierung endlich zu ei- nem guten Schritt durchgerungen. Diese Beratung muss aber tatsächlich unabhängig sein. Mit einer einseitigen Finanzierung allein durch die Kassen, ist sie dies mit Sicherheit nicht.Wir fordern darüber hinaus, die flächendeckende Vernetzung aller Einrichtungen, Behörden und Dienste, die mit pflegebedürftigen und alten Menschen zu tun haben. Bisher haben Land und viele Kommunen zwar viel Papier bedruckt, was alles geschehen müsste, aber es sind weder Verantwortlichkeiten noch Zeitpläne festgesetzt werden. Die Sozial- und Jugenddienste sind mit der Fürsorge für Kinder überlastet, sie haben erst recht keine Zeit für die alten Men- schen. Hier muss auch bei Sozialverbänden, Pflegekassen und Kommunen eine entspre- chende Prioritätensetzung erfolgen.Nach wie vor gibt es in Schleswig-Holstein keinen flächendeckenden Überblick, der alle Pfle- geangebote, geordnet nach Region und Qualitätsmerkmalen zusammenfasst. Hier brauchen wir endlich eine von allen Pflegebeteiligten finanzierte Internetpräsenz.Außerdem müssen unangemeldete Kontrollen und Veröffentlichung der Kontrollberichte selbstverständlich werden. Dies ist praktizierter Verbraucherschutz, wie ihn die Seniorenräte seit langem im Land fordern.Die Heimaufsicht ist zwar in einigen Kommunen verbessert worden, aber sie nimmt happige Gebühren von mehreren Hundert Euro. Auch für Routineschreiben, die vor allem für kleine Träger zu Recht als Schikane empfunden werden.Last but not least: Die Qualifizierung von Angehörigen und freiwillig bürgerschaftlich Engagier- ten. Hier liegen in der Hospizarbeit erste gute Erfahrungen vor, wie Menschen verantwortlich für ihre neuen Aufgaben fortgebildet werden. Entsprechende Fortbildung brauchen wir auch für die Pflegesituation und zwar nicht irgendwann, sondern bald. Die Kurse der „Pflege Le- bensNah“ aus Rendsburg wären dem ganzen Land zu empfehlen. ***