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Lars Harms zu TOP 13 - Aktionsplan Demenz
PresseinformationKiel, den 13.09.2007 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 13 Aktionsplan Demenz (Drs. 16/1484)Wenn ältere Menschen in früheren Zeiten von abnehmender Hirnleistung betroffen wurden,dann konnten sie sich darauf verlassen, dass sie von ihrer Umgebung aufgefangen wurden. Siekonnten im vertrauten Rahmen des Mehrgenerationenhaushaltes altern und gehörten selbst als„Dorftrottel“ noch zur Gemeinschaft. Im letzten Jahrhundert hat sich dieses aber verändert. DieMenschen altern nicht nur unter anderen Lebensumständen, sie werden auch älter und habendamit ein größeres Risiko, von Altersdemenz betroffen zu sein.Die moderne Gesellschaft hat diese Menschen erst einmal als psychisch krank eingestuft und sieentsprechend der Praxis früher Zeit in psychiatrischen Krankenhäusern weggesperrt. Es ist nichtviele Jahre her, dass man dieses Elend noch in den Langzeitabteilungen von Anstalten wie demLandeskrankenhaus in Schleswig sehen konnte. Mittlerweile hat die Gesellschaft aber gelernt,dass man diesen Menschen damit nicht gerecht wird. Getragen durch die wissenschaftlichenErkenntnisse, durch die Psychiatriereform der 70er aber auch durch die populärwissenschaftliche 2Beschäftigung mit der Alzheimerschen Krankheit, die den Sachverhalt der breiten Bevölkerungins Bewusstsein gerückt hat, wollen wir diesen Menschen heute gerecht werden. Wir wollenihnen ein Leben in Würde mit soviel sozialer Teilhabe wie möglich bieten. Die Politik hat auf dieHerausforderungen aber bisher nur unzulänglich reagiert.Modellprojekte und solitäre Einrichtungen gibt es, aber eine wirklich durchdachte Versorgungs-struktur können wir nicht erkennen. Heute leben diese Menschen zumeist in Einrichtungen, diefür Menschen mit einem hohen Bedarf an körperlicher Pflege konzipiert wurden. Immerhin bei40-50 % der Pflegebedürftigen, die in deutschen Alten- und Pflegeheimen aufgenommenwerden, war eine Demenzerkrankung der Hauptaufnahmegrund. Ca. 20 % sind dabeiverhaltensauffällige Demenzkranke mit pflegerischem Mehraufwand, so wird geschätzt.Ich stelle gar nicht in Abrede, dass diese Einrichtungen schon ihr bestes tun, um dieDemenzkranken zu integrieren und sich auch fachlich entsprechend fortzubilden. Auch dieambulanten Pflegdienste haben sich entsprechend gerontopsychiatrisch qualifiziert. Trotzdemstellt sich die Frage, ob dadurch schon eine angemessene Gesamthilfe für diese Menschen zurVerfügung steht.Gerade wenn es um Menschen geht, die an Demenz erkrankt sind, ist es besonders wichtig, dassverschiedene pflegerische, medizinische, therapeutische, soziale und andere Hilfsangeboteineinander greifen - idealer Weise, wie Räder in einem Uhrwerk. Oder, um es anders mit denWorten des Vorsitzenden der Deutschen Alzheimergesellschaft, dem Fachmediziner Jens Bruder,zu sagen: „Der Pessimismus des Verstandes, nämlich unser Wissen, die Krankheit Demenz nichtheilen zu können, hat sich mit dem Optimismus der Tat zu verbinden, nämlich immer alles zutun, um die Eigenständigkeit der Erkrankten so lange wie möglich zu erhalten – selbst dann,wenn das erreichte Ausmaß bescheiden erscheint.“ 3Dass wir davon noch weit entfernt sind, mag zum einen daran liegen, dass dementielleErkrankungen bisher von der Pflegeversicherung nicht anerkannt wurden. Obwohl an Demenzerkrankte Menschen weit mehr Arbeit verursachen können als Bettlägerige, ist ihrePflegebedürftigkeit bisher nicht „abrechnungsfähig“ gewesen. Eine brutale, technokratischeLücke in unserem Sozialsystem, die aber jetzt durch eine Änderung des SGB XI glücklicherweisegeschlossen werden soll– endlich, muss ich hinzufügen, denn das Problem ist so lange bekannt,wie es die Pflegeversicherung gibt, also über 12 Jahre.Mit dieser Änderung der Pflegversicherung wird eine große Ungerechtigkeit für dementeMenschen und ihre Angehörigen beseitigt. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie dadurchschon das Leben bekommen, das sie benötigen. Dementielle Erkrankungen führen zu einem ganzeigenen Verlauf des Alterns, der alle Lebensbereiche betrifft. Eine Politik, die diesen Menschengerecht werden will, muss also auch all diese Bereiche berücksichtigen. Deshalb begrüßen wirden Antrag der FDP.Der Kollege Garg fordert einen Überblick über die Lebenssituation und die Hilfen für Menschen,die an Demenz erkrankt sind, und über die entsprechenden Pläne der Landesregierung. Wirkönnen uns dieser Forderung anschließen. Ich möchte aus unserer Sicht allerdings noch anregen,im Aktionsplan noch einen weiteren Aspekt aufzugreifen, der im Antrag nicht erwähnt ist: dieSituation der Menschen anderer Muttersprache, die nach Schleswig-Holstein eingewandert sind.Für sie ist es besonders schwierig, bei abnehmender geistiger Leistungsfähigkeit in einerdeutschsprachigen Umwelt klarzukommen und sich wohl zu fühlen. Auch dieser Aspekt gehörtzu einem gesammelten Bild eines Aktionsplanes Demenz.