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10.10.07 , 10:40 Uhr
SPD

Lothar Hay zu TOP 37: Wir brauchen ein neues System zur Begrenzung der Verschuldung

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 10.10.2007 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 37 – Bericht zur Föderalismusreform II (Drucksache 16/1610)

Lothar Hay:

Wir brauchen ein neues System zur Begrenzung der Verschuldung

An der Festschreibung des Solidarpakts bis zum Jahr 2019 wird nicht gerüttelt, stellt der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Lothar Hay, in seiner Rede klar. Die Arbeit der „Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder- Finanzbeziehungen“ ist geprägt vom Willen, eine gute Lösung zu finden, aber auch von objektiv unterschiedlichen Interessenlagen. Hay umreißt in seiner Rede die Kon- fliktpunkte, insbesondere die Frage des Umgangs mit Altschulden. Hay macht auch deutlich, dass bei Festlegung einer Schuldengrenze das Recht des Parlaments als Haushaltsgesetzgeber gewahrt bleiben muss. Er führt aus, dass eine Schuldenbrem- se, die die Ausgaben eng an die Einnahmen koppelt, ein einfaches, transparentes Ver- fahren ist. Bei der Föderalismuskommission II geht es um die wichtige Frage, welche Lasten wir kommenden Generationen aufbürden und welche Entscheidungsspielräu- me wir ihnen ermöglichen.



Die Rede im Wortlaut: Gäbe es leichte, auf der Hand liegende Lösungen für eine Neuordnung der Finanzbe- ziehungen: Sie wäre gleich in der ersten Föderalismuskommission mit erledigt worden. Mit erledigt wurde allerdings schon eine Festschreibung, die für die ostdeutschen Länder Sicherheit und für die westdeutschen Länder zumindest Planungssi-



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



cherheit schafft: Die Festschreibung des Solidarpakts bis zum Jahr 2019. Daran, das möchte ich gleich zu Beginn betonen, wird nicht gerüttelt. Äußerungen aus Richtung der einen oder anderen Stelle sind nicht mehrheitsfähig!

Bei der Konnexität, dem Zusammenhang zwischen Regelungskompetenz und Finan- zierungsverantwortung, ist schon vieles auf den Weg gebracht worden, wenngleich ich mir eine Regelung wünsche, die so deutlich ist wie unsere Landesverfassung.

Die Berliner Erklärung der Landtagspräsidenten hat wesentliche Wünsche und Forde- rungen der Länderparlamente benannt. Auf den Aspekt der Länderautonomie bei Steuereinnahmen werde ich später gesondert eingehen.

Die Linien verlaufen nicht wie gewohnt durchgängig zwischen Ost und West oder zwi- schen SPD und CDU oder zwischen nördlichen und südlichen Ländern, nicht einmal zwischen eher armen und eher reichen Bundesländern. Wir haben es mit einer sehr komplexen Struktur zu tun, bei der jede Änderung an einem beliebigen Punkt Verwer- fungen an anderen Punkten zur Folge hat.

Lassen Sie mich die aus meiner Sicht wesentlichen Konfliktpunkte kurz benennen: Der Bund will auf keinen Fall mehr zahlen als bisher. Das wollen die Länder auch nicht. Einigkeit könnte erzielt werden bei der Vereinbarung einer verbindlichen Neu- verschuldungsgrenze. Was aber soll geschehen, wenn ein Land wegen seiner hohen Zins- und Tilgungslasten gar nicht in der Lage wäre, diese Grenze einzuhalten? Über den Umgang mit den Altschulden gehen die Auffassungen weit auseinander. Einem Fondsmodell, wie es unsere Landesregierung und auch – mit leicht unterschiedlichen Regelungen – die baden-württembergische Landesregierung vorgestellt hat, werden derzeit wenig Chancen auf Umsetzung eingeräumt. Hier bedarf es noch weiterer Ü- berzeugungsarbeit. Eine Neuverschuldungsgrenze, ohne eine Lösung für die Altschul- den, ist ein nicht gehbarer Weg aus meiner Sicht. -3-



Das Fondsmodell sieht vor, dass ein Teil des den Ländern zustehenden Anteils an der Einkommenssteuer in einen Entschuldungsfonds eingezahlt wird. Dagegen wehren sich – aus ihrer Sicht verständlich – diejenigen Länder, die weniger hoch verschuldet sind, aber für die Altschulden der anderen Länder mit aufkommen müssten.

Bei der Einbeziehung der kommunalen Finanzen gibt es ebenfalls große Unter- schiede, ich nenne hier nur Bayern als Beispiel für ein Bundesland, in dem der Lan- deshaushalt vergleichsweise gut dasteht, die kommunalen Haushalte hingegen höher verschuldet sind. Ganz im Gegensatz dazu beispielsweise Schleswig-Holstein mit sei- nem hoch belasteten Landeshaushalt und einer vergleichsweise günstigen kommuna- len Finanzsituation.

Die Forderung nach einer Stärkung der finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten der Länder ist grundsätzlich richtig – jedoch finden sich auch hierbei hohe Risiken. Eine Steuerautonomie der Länder sehe ich kritisch, das gleiche gilt für eigene Heberechte der Länder bei bestimmten Steuern. Ich befürchte, wenn es zu einer solchen Öffnung käme, wären ärmere Länder der Situation ausgesetzt, entweder ihre Steuern erhöhen zu müssen und damit möglicherweise die Konjunktur zu schwächen oder aber in Kon- kurrenz zu ihren Nachbarländern ihre Steuern senken zu müssen mit der Folge gravie- render Einschnitte in Kernbereichen wie Bildung oder Sicherheit. Damit verbunden wä- re ein weiteres Auseinanderklaffen der Lebensverhältnisse zwischen den Ländern.

Die Einbeziehung von Vertretern der Landtage mit beratender Stimme, insgesamt 4, hat ihren Grund in objektiv unterschiedlichen Interessen von Parlament und Regie- rung: Aus Sicht der Landtagsvertreter in der Föderalismuskommission birgt selbst die Eini- gung auf einen Minimalkonsens noch erheblichen Klärungsbedarf, nämlich die Umstel- lung auf das System einer Schuldenbremse: Mit jedem bundeseinheitlichen Grund- -4-



prinzip wird die Rolle der Landesparlamente als Haushaltsgesetzgeber ge- schwächt. Allerdings könnte eine Schuldenbremse so ausgestaltet werden, dass die gesetzgeberischen Kompetenzen gestärkt werden. Ich denke beispielsweise an die Bewertung der jeweiligen konjunkturellen Situation, die Führung eines Ausgleichskon- tos und die Verwendung von Überschüssen. Daher gilt es abzuwägen, welche grund- sätzlichen Festlegungen so notwendig und sinnvoll sind, dass eine Einschränkung der Haushalts-Gesetzgebungskompetenz von den Ländern akzeptiert werden kann.

Wenn also eine Schuldengrenze verbindlich festgelegt wird, muss das Recht des Par- laments als Haushaltsgesetzgeber gewahrt bleiben.

Lassen Sie mich kurz auf das Modell der Schuldengrenze eingehen. Bislang ist es so, dass die Höhe der Investitionen dafür ausschlaggebend ist, in welchem Ausmaß die Neuverschuldung erhöht werden darf. Die geltende Regelung birgt zahlreiche Nachteile: Sie lässt zu viele Ausweichmöglichkeiten zu, beispielsweise Schattenhaus- halte und Ausnahmetatbestände, und sie vernachlässigt den Aspekt des Vermögens- verzehrs.

Eine Schuldenbremse dagegen koppelt die Ausgaben eng an die Einnahmen. Aus- gaben dürfen nur dann erhöht werden, wenn ihre Finanzierung durch entsprechenden Verzicht oder ergänzende Einnahmen gesichert ist. Eine strikte Bindung in jedem ein- zelnen Haushaltsjahr wäre jedoch kontraproduktiv, weil sie lediglich prozyklische Ein- griffe ermöglichen würde. Das ist wenig zielführend, wenn die Konjunktur nachlässt und gezielte Förderinstrumente geboten wären. Daher erfolgt eine Verteilung über mehrere Jahre: In einer Rezession sind Defizite in einem gewissen Ausmaß zugelas- sen, sie müssen aber in der folgenden Hochkonjunktur wieder ausgeglichen werden. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur jetzt geübten Praxis, denn ein Blick zurück zeigt, dass sich die Verschuldung der öffentlichen Haushalte über alle Konjunkturzyk- len hinweg stetig nur in eine Richtung bewegt hat: nach oben. -5-



Die Schuldenbremse ist ein vergleichsweise einfaches, transparentes Verfahren mit vier herausragenden Merkmalen: 1) Einfache Ausgabenregel mit Bindungswirkung: Die Höhe der Ausgaben ist an die Höhe der Einnahmen gekoppelt 2) Berücksichtigung von Ausnahmefällen wie konjunkturelle Schwankungen 3) Führung eines Ausgleichskontos für Über- und Unterschreitungen bei den Aus- gaben 4) Vorgaben zur Verwendung außerordentlicher Einnahmen.

Insbesondere beim zweiten Punkt, bei den Ausnahmefällen, kommt den Parlamenten eine wichtige Rolle zu: Sie sollten darüber entscheiden, ob eine Situation eingetreten ist, in der Defizite erlaubt sind. Die parlamentarische Debatte ist anderen Instrumen- ten, etwa einem Sachverständigenrat, bei weitem vorzuziehen – zumal es jedem Par- lament unbenommen ist, im Vorfeld seiner Entscheidung die Sachkompetenz von Fachleuten hinzuzuziehen.

Aus Sicht der Landtage dringe ich auch darauf, dass notwendige Änderungen nicht nur im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in jeder einzel- nen Länderverfassung geregelt werden.

Wir brauchen ein neues, transparentes System zur Begrenzung der Verschuldung auf allen Ebenen. Das jetzige System hat sich nicht bewährt. Es gibt aber noch erhebli- chen Diskussionsbedarf beim Umgang mit den Altschulden und beim Umfang der fi- nanziellen Autonomie der Länder.

Die Föderalismuskommission hat sich in sehr sachorientierter und lösungsorientierter Weise mit den Finanzthemen befasst. In den kommenden Monaten wird es um die Verwaltungsthemen gehen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass diese Debatte ebenso -6-



konstruktiv geführt wird. Am Ende sollte die Verständigung auf ein Paket stehen, mit dem alle Beteiligten leben können und das vor allem zukunftsorientiert ist.

Alle Mitglieder der Föderalismuskommission sind sich bewusst, dass es um die wichti- ge Frage geht, welche Lasten wir kommenden Generationen aufbürden und welche Entscheidungsspielräume wir ihnen ermöglichen. Politik ist kein Selbstzweck, sondern Politik hat die Aufgabe, verantwortlich im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu han- deln. Es geht darum, die Schulden zu begrenzen und langfristig zu reduzieren und es geht um Gestaltungsmöglichkeiten.

Ziel ist, laut Aussage der beiden Kommissionsvorsitzenden, in 2008 die Arbeit erfolg- reich abzuschließen!

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