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21.11.07 , 10:54 Uhr
SPD

Siegrid Tenor-Alschausky zu TOP 7: Umfassendes Konzept mit Angeboten und Förderungen

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 21.11.2007 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 7: Kinder- und Jugendschutzgesetz (Drucksache 16/1705)

Siegrid Tenor-Alschausky:

Umfassendes Konzept mit Angeboten und Förderungen

Wir setzen nicht auf Repression und Strafe, sondern auf Unterstützung und För- derung von Kindern und Eltern, führt die SPD-Landtagsabgeordnete und Sozial- politikerin Siegrid Tenor-Alschausky in ihrer Rede aus. Wir wollen aber sicher- stellen, dass kein Kind „verloren geht“, dass die staatliche Gemeinschaft Kindern bei drohender Gefährdung verlässlich Schutz bietet. Das Kinderschutzgesetz umfasst das gesamte System aus Vorsorge, frühen Hilfen für Familien, einem verbindlichen Einladungswesen zu den Früherkennungsuntersuchungen sowie Interventionsmaßnahmen. Das Land fördert frühe und rechtzeitige Hilfen und Leistungen für Eltern und Kinder. In den Kreisen und kreisfreien Städten werden lokale Netzwerke Kinder- und Jugendschutz für frühe und rechtzeitige soziale und gesundheitliche Hilfen und Leistungen eingerichtet.



Die Rede im Wortlaut: Erinnern Sie sich noch an Kevin, Pascal, Jennifer, Jessica und Tim? Kinder, de- ren Schicksal die Schlagzeilen beherrschte, deren Tod nach Vernachlässigung und Misshandlung durch die Erziehungsberechtigten mehr öffentliche Aufmerk- samkeit hervorrief, als ihr Leiden zuvor es jemals vermochte. Das Schicksal der Kinder machte betroffen: Gemeinsam war ihnen, dass sie Opfer überforderter,



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



gewaltbereiter Eltern wurden, dass niemand da war, der sie schützte, der eingriff, als offensichtlich wurde, dass hier Fälle von Kindeswohlgefährdung vorlagen.

In der folgenden öffentlichen Diskussion wurde auch der Ruf nach dem „star- ken Staat“ laut. Hätten die staatlichen Behörden mehr Befugnisse, hätte es kei- ne Fehler beim Verwaltungshandeln gegeben, wäre der Tod dieser Kinder ver- meidbar gewesen. So verständlich eine solche Forderung ist, wenn es um den Schutz der Schwächsten, der kleinen Kinder geht, wäre es völlig unzureichend, den Umgang mit Kindeswohlgefährdung darauf zu beschränken.

SPD und CDU haben mit dem „Gesetz zur Weiterentwicklung und Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein“ deshalb ei- nen umfassenden Ansatz gewählt. Wir setzen nicht auf Repression und Strafe, sondern auf Unterstützung und Förderung von Kindern und Eltern, wollen aber auch sicherstellen, dass kein Kind „verloren geht“, dass die staatliche Gemein- schaft Kindern bei drohender Gefährdung verlässlich Schutz bietet.

Der Weg zum jetzt vorliegenden Gesetzentwurf war lang. Viele Stellungnahmen waren auszuwerten, wir haben vertiefende Gespräche geführt, und es lag uns besonders daran, die Vertreter der kommunalen Ebene für das Gesetz zu ge- winnen.

Das Kinderschutzgesetz umfasst jetzt das gesamte System aus Vorsorge, frü- hen Hilfen für Familien, die Unterstützung brauchen, einem verbindlichen Ein- ladungswesen zu den Früherkennungsuntersuchungen sowie Interventi- onsmaßnahmen und verankert es rechtlich.

Im Vordergrund stehen zunächst Beratung, Bildungsangebote und Unterstützung für Familien, um Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch vorzubeugen. -3-



Es gibt in den Regionen bereits zahlreiche Angebote; diese müssen die gefähr- deten Kinder und ihre Eltern aber auch zuverlässig erreichen. Um noch qualifi- zierter handeln zu können, müssen Fortbildungen den Mitarbeiterinnen und Mit- arbeitern von entsprechenden Einrichtungen und Institutionen die notwendigen Kenntnisse für ihre Arbeit mit den Betroffenen vermitteln. Besondere Belas- tungssituationen müssen früh erkannt und auf sie mit geeigneten Hilfsan- geboten reagiert werden. Das kann nur dann erreicht werden, wenn verschie- dene Akteure in einem vernetzten System arbeiten. Das Land fördert frühe und rechtzeitige Hilfen und Leistungen für Eltern und Kinder, die gemeinsam von Jugendhilfe, Gesundheitshilfe und Sozialhilfe erbracht werden (§ 7 Abs. 3).

Neu eingeführt wird ein verbindliches Einladungswesen zu den Früherkennungs- untersuchungen. Wir tragen damit der Tatsache Rechnung, dass gerade Kinder aus belasteten Familien diese Angebote der Gesundheitsvorsorge signifikant sel- tener nutzen können als Kinder aus behütenden Familien.

Wenn Eltern ihre Kinder nicht an den Früherkennungsuntersuchungen teil- nehmen lassen, kann das verschiedene Ursachen haben, muss nicht auf Ver- nachlässigung hindeuten, aber indem wir die Teilnahme oder Nichtteilnahme re- gistrieren, verhindern wir, dass staatliche Institutionen wie bisher erstmals bei der Schuleingangsuntersuchung verbindlich Kontakt zu Kind und Eltern haben. Eltern werden zu den Früherkennungsuntersuchungen eine schriftliche Einla- dung erhalten; wurde der Termin wahrgenommen, melden die Kinderärzte dies an eine zentrale Meldestelle.

Erfolgt die Meldung nicht, erhalten die Eltern ein Erinnerungsschreiben. Erfolgt auch dann keine Reaktion, wird der zuständige Kreis oder die kreisfreie Stadt in- formiert. Und dann ist es Aufgabe von Jugendamt oder Gesundheitsamt, sich um das betroffene Kind zu kümmern. Sollte dann festgestellt werden, dass das Wohl -4-



des Kindes gefährdet ist, müssen sie handeln und eingreifen. So kann direkt vor Ort der Hilfebedarf von Kindern und Eltern erkannt werden, denn problemati- sche Familiensituationen dürfen nicht dazu führen, dass die Schwächsten, die Kinder, leiden. Wir Sozialdemokraten möchten das Landesfamilienbüro mit die- ser Aufgabe betrauen.

Auf Wunsch aller kommunalen Spitzenverbände werden wir das „verbindliche Einladungswesen“ im Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst veran- kern. Wir verzichten auch darauf, den Kreisen und kreisfreien Städten im Gesetz vorzugeben, ob Jugendamt oder Gesundheitsamt tätig werden. Für uns ist ent- scheidend, dass möglichen Kindeswohlgefährdungen rasch und zuverlässig nachgegangen wird. Wie dies jeweils vor Ort ausgestaltet wird, ist Angelegenheit der kommunalen Familie.

In den Regionen unseres Landes gibt es bereits zahlreiche Institutionen und Ein- richtungen, die sich gefährdeter Kinder und Jugendlicher annehmen. Um deren Arbeit noch besser aufeinander abzustimmen, werden in den Kreisen und kreisfreien Städten lokale Netzwerke Kinder- und Jugendschutz für frühe und rechtzeitige soziale und gesundheitliche Hilfen und Leistungen für Schwan- gere, Kinder, Jugendliche, Mütter und Väter eingerichtet (§ 8, Abs. 1). Hier sollen die Erfahrungen z.B. aus dem Projekt „Schutzengel für Schleswig-Holstein“, bei dem sich Familienhebammen um besonders belastete Familien kümmern, ge- nutzt und weiterentwickelt werden.

Teilnehmer der lokalen Netzwerke Kinder- und Jugendschutz können insbeson- dere das Jugendamt, Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, das Sozial- amt Träger der freien Wohlfahrtspflege, Kinderschutzorganisationen und - zentren, Hebammen, Ärzte, Träger von Frauenunterstützungseinrichtungen, der Behindertenhilfe und auch der Polizei sein. -5-



Die Teilnehmer der lokalen Netzwerke Kinder- und Jugendschutz treffen Ver- einbarungen über die Zusammenarbeit und Organisation. Sie regeln, bei wem die Koordinierungsaufgaben der lokalen Netze Kinder- und Jugendschutz angesiedelt werden.

Wir setzen aber auch auf eine wirkungsvolle Krisenintervention, insbesondere durch die Inobhutnahme gefährdeter Kinder, die durch die Zusammenarbeit der in den lokalen Netzwerken organisierten Einrichtungen begleitet wird. Auch die besten Hilfs- und Unterstützungsangebote werden nicht verhindern können, dass in den Fällen, in denen nach Ausschöpfung dieser Angebote eine Kindeswohlge- fährdung nach wie vor nicht ausgeschlossen werden kann, Kinder dem Zugriff ih- rer Eltern entzogen werden müssen.

Wir legen heute einen Gesetzentwurf vor, dessen Entstehungsprozess von vie- len, meist sehr konstruktiven Diskussionsbeiträgen begleitet war. Der Dank mei- ner Fraktion gilt insbesondere der Jugendministerin und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dem Justizministerium, dem Landesdatenschutzbeauftragten, den kommunalen Spitzenverbänden, aber auch den zahlreichen Fachverbänden, deren Stellungnahmen und Anregungen hilfreich waren.

Mit dem Kinderschutzgesetz verfügen wir in Schleswig-Holstein künftig über ein wirksames Instrument zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Ver- nachlässigung, Misshandlung und Missbrauch. Schwerpunkt ist nicht eine si- cherheitspolitische Ausrichtung, der Ruf nach dem Eingreifen eines starken Staates. Wir setzen auf ein miteinander verknüpftes und aufeinander abgestimm- tes Konzept, das eine höhere Verbindlichkeit von Angeboten und Förderungen enthält und die Früherkennungsuntersuchungen für möglichst alle Kinder besser sicherstellt. -6-



Wir legen ein Gesetz vor, dass unter Fachpolitikern und Fachleuten bundesweit als vorbildlich gilt. Wir werden sicherstellen, dass das Land sich an der Finanzie- rung der Umsetzung des Gesetzes angemessen beteiligt. Wir wollen dieses Ge- setz und seine Umsetzung vor Ort weiter begleiten. Deshalb haben wir die Er- stellung eines Kinderschutzberichtes festgeschrieben.

Seine Wirksamkeit wird das Kinderschutzgesetz aber vor Ort zu entwickeln ha- ben. Wir Sozialdemokraten freuen uns über die Bereitschaft Vieler, besonders in den Kommunen und Kreisen, gemeinsam noch effektiver für das Wohl der Kin- der einzutreten. Und wenn dieses Gesetz dazu führt, dass wir auch nur einen Fall Kevin, Pascal, Jessica oder Tim weniger haben, dann wird sich dieser Auf- wand gelohnt haben.

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