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22.11.07 , 10:26 Uhr
SPD

Rolf Fischer zu TOP 19: Schülern grundlegende Kenntnisse über die Weltreligionen vermitteln

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 22.11.2007 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 19: Große Anfrage Religionsunterricht an Schulen in Schleswig-Holstein (Drucksache 16/1677)

Rolf Fischer
Schülern grundlegende Kenntnisse über die Weltreligionen vermitteln

Die Erziehung zur Pluralität, die im Bildungsauftrag der Schule verankert ist, setzt, so Rolf Fischer in seiner Rede, voraus, dass jeder Mensch Kenntnisse der eigenen und anderer Kulturen und deren weltanschaulicher Grundlagen hat. Die Studierendenzah- len lassen hoffen, dass der Bedarf an Religionslehrern gedeckt werden kann. Um ihn auch für katholische Schüler zu gewährleisten, sollten Ökumenische Kooperationen entwickelt und auch Formen der Zusammenarbeit mit dem nicht-christlichen Religions- unterricht erprobt werden. Keine Schülerin und kein Schüler darf von der Schule abge- hen, ohne grundlegende Kenntnisse über die christliche Religion und die anderen Weltreligionen erworben zu haben, fordert Fischer.



Die Rede im Wortlaut: „Der Bildungsauftrag der Schule ist ausgerichtet an den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten, den sie begründenden christlichen und humanistischen Wertvor- stellungen und an den Ideen der demokratischen, sozialen und liberalen Freiheitsbe- wegungen“. So definiert das Schulgesetz den Auftrag der Schule und fährt fort: „Die Schule soll die Offenheit des jungen Menschen gegenüber kultureller Vielfalt, den Wil- len zur Völkerverständigung und die Friedensfähigkeit fördern… Zum Bildungsauftrag der Schule gehört die Erziehung des jungen Menschen zur freien Selbstbestimmung in



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



Achtung anders Denkender.“ Und außerdem wird der Schule auferlegt, „das verfas- sungsmäßige Recht der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder zu achten und die religiösen und weltanschaulichen Grundsätze nicht zu verletzen, nach denen die Eltern ihre Kin- der erzogen haben wollen.“

Was sich so leicht liest, kann unter Umständen die Quadratur des Kreises bedeuten, nämlich dann, wenn die Eltern in Wertvorstellungen leben, die mit Humanismus, Auf- klärung und Demokratie nicht vereinbar sind. Hier liegt natürlich die Assoziation mit den Konflikten islamistischer Eltern nahe. Aber niemand wird sich dem Irrglauben hin- geben, dass es nicht auch ganz andere Wertmodelle religiöser und nichtreligiöser Art gibt, die mit einer pluralistischen Ordnung nicht vereinbar sind.

Die Erziehung der jungen Menschen zu den genannten Wertvorstellungen ist nicht die Aufgabe einzelner Schulfächer, sie ist der wichtigste Bildungsauftrag überhaupt, dem die Schulen nachzukommen haben. Die Erziehung zur Pluralität setzt aber in erster Li- nie voraus, dass jeder Mensch Kenntnisse der eigenen und anderer Kulturen hat; dazu gehören natürlich auch die weltanschaulichen Grundlagen dieser Kulturen.

Die Stellung des Religionsunterrichtes an den öffentlichen Schulen ist nicht nur durch Landesrecht und die Staatskirchenverträge, sondern bereits durch das Grundgesetz in Artikel 7 bestimmt.

Ein Spannungsverhältnis zwischen der Verfassungsnorm, wonach die Schüler bzw. El- tern mit ihrem Bestimmungsrecht zur Teilnahme auch einen Anspruch auf Religionsun- terricht haben, und der Realität ist dadurch gegeben, dass die Gesellschaft weltan- schaulich immer stärker gemischt ist.

Religion bzw. religiöse Bildung wird manchmal bloß als eine Form der Werterziehung angesehen. Das greift zu kurz: Werte lassen sich natürlich auch ohne Bezug auf die -3-



Religion begründen. Ebenso richtig ist aber auch, dass – so begründen es die Kirchen – der Glaube nicht auf Werten beruht, sondern umgekehrt folgen Werte aus dem Glauben. Es geht also um mehr als eine vergleichende Wertelehre. Der Staat ist zur Neutralität verpflichtet und kann bzw. darf die religiösen Inhalte und Ziele nicht festle- gen oder vorschreiben; auch deshalb wird der Religionsunterricht nicht staatlich nor- miert, sondern in Übereinstimmung mit und von den Kirchen und Religionsgemein- schaften erteilt.

Das protestantische Übergewicht der Schüler in unserem Bundesland liegt bei knapp zwei Dritteln; fünf Prozent sind Katholiken, knapp zehn Prozent gehören sonstigen christlichen Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften an, gut 20 Prozent machen keine Angabe über ihre Religionszugehörigkeit. Aber es gilt natürlich auch hier, dass die formale Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft weder etwas über den Glauben noch über die Teilnahme am kirchlichen Leben oder über die Kenntnisse der Geschichte der eigenen Religionsgemeinschaft aussagt.

Trotzdem gilt: Der Gedanke, dass gesellschaftliche Modernisierung automatisch zum Verschwinden religiöser Fragen führt, geht in die Irre. Religion ist und bleibt vielmehr eine wichtige Dimension menschlichen Lebens und gesellschaftlichen Zusammenle- bens. Deshalb wächst die Bedeutung des Religionsunterrichts an den Schulen.

Die Antwort auf die Große Anfrage enthält eine große Menge an Daten, für deren Er- stellung ich dem Bildungsministerium und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danke. Dass im Rahmen einer Großen Anfrage oder eines Berichts nicht die Situation jeder einzelnen Schule abgefragt werden kann, versteht sich von selbst. Wir sollten die bürokratische Belastung der Schulen und ihrer Lehrkräfte nicht verschärfen, sondern da, wo es möglich ist, abbauen.

Lassen Sie mich einige Punkte erläutern: -4-



Gerade für diejenigen Kinder, die nicht einer der beiden großen Konfessionen an- gehören, gibt es aber nur wenige Möglichkeiten, innerhalb der Schule Religionsunter- richt zu erhalten; das betrifft auch orthodoxe Schüler ost- und südosteuropäischer Her- kunft. Die Voraussetzungen dafür sind in großen Städten wie Hamburg oder Berlin si- cher besser.

„Wenn Gott auf dem Stundenplan stand, mussten sie das Klassenzimmer verlassen“, so SPIEGEL-online zur Situation der muslimischen Schüler in Niedersachsen. Schles- wig-Holstein ist da einen großen Schritt vorwärts gekommen, wir können heute an ei- ner Reihe von Grundschulen nunmehr Islamunterricht anbieten. Welchen Bedarf es landesweit gibt und welche Perspektiven es zu einer Ausweitung gibt, lässt sich heute nicht absehen; das stellt der Bericht ja auch deutlich fest. Allein in Niedersachsen be- wegt sich der Bedarf an Lehrern im dreistelligen Bereich.

Positives hat die Landesregierung zu melden, was die aktuelle und perspektivische Unterrichtsversorgung angeht, weil auch die Studierendenzahlen hoffen lassen, dass der Bedarf an Religionslehrern gedeckt werden kann. Die bisherigen Professuren in Kiel und Flensburg sollen mit einer Ausnahme, der Professur für Alte und Mittlere Kirchengeschichte, in Kiel beibehalten werden; diese Professur soll ebenfalls nicht ge- strichen, sondern inhaltlich neu konzipiert werden.

Besonders für den katholischen Religionsunterricht ist dies natürlich aufwändig, weil in unserem Land keine Lehrer für dieses Fach ausgebildet werden. Hier wird also mit dem Einsatz von insgesamt 130 kirchlichen Lehrkräften im Unterricht gearbeitet. Ökumenische Kooperationen sind hier gefragt; und ich denke, dass in Zukunft auch Formen der Zusammenarbeit mit dem nicht-christlichen Religionsunterricht erprobt werden sollten. -5-



Dennoch wird gerade der Religionsunterricht in der Perspektive Probleme haben. Der Übergang auf den Erwerb des Abiturs nach nur noch acht Jahren am Gymnasium führt natürlich zu einer Unterrichtsverdichtung. Für viele Schülerinnen und Schüler liegt es daher nahe, ein scheinbar nicht benötigtes Fach abzuwählen.

Umso wichtiger ist es, die Möglichkeiten der Lehrpläne zu einer Kooperation zwi- schen den Lehrkräften der einzelnen Schulfächer auszunutzen und in diese Koope- ration auch die Religionslehrerinnen und Religionslehrer einzubeziehen. Denn der ein- gangs zitierte Bildungsauftrag der Schule darf nicht dem verständlichen Wunsch nach Entlastung zum Opfer fallen. Keine Schülerin und kein Schüler darf von der Schule abgehen, übrigens egal welcher Schulart, ohne grundlegende Kenntnisse über die christliche Religion und die anderen Weltreligionen erworben zu haben. Dies muss unser Ziel bleiben und dafür müssen wir weiter Perspektiven entwickeln.

Über die Umsetzung dieses Auftrages sollten wir im Bildungsausschuss weiter disku- tieren.

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