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Anna Schlosser-Keichel zu TOP 6: Ziel des Jugendstrafvollzugs ist die Resozialisierung
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 13.12.2007 Landtag Es gilt das gesprochene Wort Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 6: Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe in Schleswig-Holstein – Jugendstrafvollzugsge- setz (Drucksache 16/1745)Anna Schlosser-Keichel:Ziel des Jugendstrafvollzugs ist die ResozialisierungDas Jugendstrafvollzugsgesetz setzt an bei der in Schleswig-Holstein seit Jahren geüb- ten Praxis eines fortschrittlichen, auf Bildung und Erziehung orientierten Jugendvoll- zugs, führt Anna Schlosser-Keichel aus. Es ist offen für neue Formen des Strafvollzugs und für die Einbeziehung von freien Trägern, von Ehrenamtlichen und der Eltern. Die Zusammenarbeit mit externen Fachleuten bekommt mit dem Gesetz eine neue Verbind- lichkeit und Qualität. Geschlossener und offener Vollzug werden im Gesetz gleichrangig genannt. Die Abgeordnete lehnt den offenen Vollzug als Regelvollzug ab, nennt aber die bestehenden 3 % im offenen Vollzug zu niedrig. Vor allem zur Vorbereitung der Ent- lassung muss der offene Vollzug stärker eingesetzt werden. Die Umsetzung des Über- gangsmanagements vom Vollzug in die Entlassung ist die große Herausforderung für den Justizvollzug in den nächsten Jahren.Die Rede im Wortlaut: Nach einem Jahr intensiver Diskussion über das erste Jugendstrafvollzugsgesetz für Schleswig-Holstein steht nun der im Juni von der Landesregierung eingebrachte Ge- setzentwurf zur Abstimmung. Die SPD Fraktion hätte gern an einigen Punkten Klarstel-Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-lungen angebracht bzw. Formulierungen aus der Begründung zum Gesetzentwurf der besseren Klarheit wegen in den Gesetzestext übernommen. Darauf konnten wir uns lei- der mit unserem Koalitionspartner nicht einigen.Wir geben dennoch uneingeschränkt unsere Zustimmung zu diesem Gesetz. Es setzt an bei der in Schleswig-Holstein seit Jahren geübten Praxis eines fortschrittlichen, auf Bildung und Erziehung orientierten Jugendvollzugs. Es ist offen für neue Formen des Strafvollzugs und für die Einbeziehung von freien Trägern, von Ehrenamtlichen, auch für die Einbeziehung der Eltern. Und es nimmt natürlich die Forderungen des Bun- desverfassungsgerichts auf.Ziel des Jugendstrafvollzugs ist die Eingliederung in die Gesellschaft. Ich bin auch nach den Diskussionen im Rahmen der Anhörungen der letzten Monate nicht der Mei- nung, dass dies konterkariert würde dadurch, dass dem Vollzug daneben die Aufgabe zugewiesen wird, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen.Alleiniges Ziel des Jugendstrafvollzugs ist die Resozialisierung und zwar durch Erzie- hung und Ausbildung, durch Therapien und Beratung, durch Kontakte mit den Angehö- rigen, durch sinnvolle Freizeitgestaltung, insbesondere auch durch das Zusammenleben in Wohngruppen. Das alles ist durch dieses Gesetz abgesichert bzw. auf den Weg ge- bracht.Wie Sie wissen, steht den jungen Gefangenen schon heute ein breites Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten und Beratung zur Verfügung. Der Ausbau einer sozialthe- rapeutischen Abteilung wird heute Gesetz. Auch was die Betreuung in Wohngruppen angeht, sind wir auf einem guten Weg. Die Jugendanstalt Schleswig präsentiert sich ge- radezu als Vorzeigeanstalt. In Neumünster allerdings ist bei den jetzigen baulichen Ge- gebenheiten ein Wohngruppenvollzug nicht möglich. Da besteht dringender Handlungs- bedarf! Denn nach dem heute zu verabschiedenden Gesetz sind die Gefangenen -3-grundsätzlich in Wohngruppen unterzubringen, so wie es uns das Bundesverfassungs- gesetz vorgibt.Auch die Einbeziehung von externen Fachleuten ist Praxis im Schleswig- Holsteinischen Jugendvollzug. Schon heute gehen 10 % der Nettoausgaben für den Strafvollzug an außervollzugliche Dritte. Diese Zusammenarbeit bekommt mit dem Ge- setz eine neue Verbindlichkeit und Qualität. Wir wollten allerdings nicht so weit gehen, freien Trägern im Rahmen der Subsidiarität Aufgaben des Vollzugs umfassend zu über- tragen – so wie es auch die Änderungsanträge vorsehen.Wichtig ist für uns auch, die Eltern mit ins Boot zu bekommen. Die Zusammenarbeit mit ihnen ist im Gesetz vorgesehen. Wir hätten uns da z.B. für die Vollzugsplanung eine etwas verbindlichere Formulierung gewünscht. Wir wissen aber auch, dass viele Eltern dieser Jugendlichen, die oft „rundum verwahrlost“ im Vollzug landen, wie ein Mitarbeiter es ausdrückte, dem Vollzugsziel nicht eben förderlich sind. Aber wenn sie sich für ihre Kinder engagieren, sollten sie, wie die Jugendhilfe auch, bei der Vollzugsplanung, im Vollzug und vor allem beim Übergang in die Freiheit aktiv mitwirken.Breiten Raum in der Diskussion hat die Frage „Geschlossener Vollzug/offener Vollzug/ Vollzug in freien Formen“ eingenommen. Es gibt gewichtige Stimmen, die fordern, den offenen Vollzug als Regelvollzug einzurichten. Im Gesetz sind geschlossener und of- fener Vollzug gleichrangig genannt. Die Jugendlichen sollen allerdings nur im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie dessen besonderen Anforderungen genügen und wenn verantwortet werden kann, zu erproben, dass sie nicht entweichen bzw. neue Straftaten begehen.Ich bin der Meinung, das ist eine akzeptable Hürde, die die Anstaltsleitung, die ihre Klienten kennt, verantwortlich abschätzen muss. Dabei ist zu bedenken, dass die Ver- urteiltenrate in Schleswig-Holstein außerordentlich niedrig ist. 55.5 Verurteilte -4-kommen auf 100.000 junge Menschen ihrer Altersgruppe. Im Bundesdurchschnitt sind das 90,3. Hier wird nicht so schnell eine Freiheitsstrafe verhängt. Wer in Schleswig oder Neumünster einsitzt, hat in der Regel schon eine solide kriminelle Karriere oder eine schwere Gewalttat hinter sich.Offener Vollzug ist zudem kein Zuckerschlecken, sondern für die Betroffenen mit Pflichten verbunden, die sie oft überfordern. Die 10 Plätze, die in Schleswig für den of- fenen Vollzug zur Verfügung stehen, sind regelmäßig knapp zur Hälfte belegt. Im Übri- gen ist in keinem anderen Bundesland vorgesehen, den offenen Vollzug als Regelvoll- zug einzurichten.Ich will dennoch wiederholen was ich auch schon in der ersten Lesung gesagt habe: Die Quote offener/geschlossener Vollzug muss verbessert werden. 3 % im offenen Vollzug sind zu niedrig. Vor allem zur Vorbereitung der Entlassung muss der offene Vollzug stärker eingesetzt werden. Aber den offenen Vollzug als Regelvollzug festzu- schreiben, das ginge vollkommen an der Realität vorbei.Was den Vollzug in freien Formen angeht, da gibt es in der Tat sehr interessante Pro- jekte in anderen Bundesländern. In unserem Gesetz wird diese Form zwar nicht direkt genannt, aber über § 15 Vollzugslockerung besteht jede Möglichkeit, in diese Richtung zu gehen. Ich weiß, dass es freie Träger gibt, die großes Interesse daran haben. Wir werden diese Entwicklung positiv begleiten. „Vollzug in freien Formen“, das klingt ja in manchen Ohren ein bisschen nach „Kuschelpädagogik“. Ich kann Ihnen versichern, das ist es nicht. Das ist knallharter Vollzug, der eine hohe Disziplin und große Einsicht for- dert und für den auch nur wenige Jugendliche geeignet sind.Ein weiterer Schwerpunkt der zurückliegenden Diskussionen war das Thema Entlas- sungsvorbereitungen. Die ersten Wochen nach der Haftentlassung sind maßgeblich dafür, ob der Alltag ohne weitere Straftaten bewältigt werden kann. Deshalb müssen für -5-diesen Zeitraum die Weichen rechtzeitig gestellt werden. Die Entlassungsvorbereitun- gen setzen bereits bei Haftbeginn ein – z.B. mit den Überlegungen hinsichtlich einer Ausbildung. Der Vollzugsplan muss Angaben enthalten über Maßnahmen zur Vorberei- tung von Entlassung, Eingliederung und Nachsorge. Allein deshalb ist es wichtig, dass die außervollzuglichen Träger und Behörden, Jugendamt, Bewährungshilfe, Arbeits- agentur usw. bei der Vollzugsplanung beteiligt werden. Dies ist im Gesetz geregelt.Sinnvoll ist es, zur Vorbereitung auf die Entlassung den Vollzug zu lockern, auch das sieht das Gesetz vor, oder aus dem offenen Vollzug heraus zu entlassen. Die Umset- zung dieses Übergangsmanagements ist die große Herausforderung für den Justiz- vollzug in den nächsten Jahren. Alle Ausbildungsmaßnahmen im Vollzug sind vergebli- che Liebesmüh, wenn der junge Mann am Tag der Entlassung ohne Job und ohne Wohnung fast zwangsläufig sofort in seine alte Szene abtaucht.Der diesjährige Jugendgerichtstag hat diese Situation unter dem Tagungsthema zu- sammengefasst: „Fordern, Fördern, Fallen lassen“. Ich bin überzeugt davon, dass das vorliegende Gesetz das nötige Handwerkzeug bietet, diesen Kreislauf zu durchbrechen.