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13.12.07 , 13:12 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Jugendstrafvollzugsgesetz

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 6: – Jugendstrafvollzugsgesetz Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der Vorsitzende der Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Karl-Martin Hentschel: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 515.07 / 13.12.2007

Chance zur Weiterentwicklung vertan
Der Gesetzentwurf wurde zusammen mit neun anderen Ländern zum Jahresende 2006 erarbeitet und seitdem nur geringfügig modifiziert. Er berücksichtigt nicht den zwischen- zeitlich weit fortgeschrittenen bundesweiten Diskussionsstand, der in mehreren Ländern zu deutlichen Verbesserungen geführt hat. Ein positiver „Wettbewerb der Konzepte“ ist nicht festzustellen.
Warum haben Sie die detaillierten Vorschläge der hoch engagierten Fachverbände aus unserem Land und der renommierten Gutachter Prof. Ostendorf und Prof. Maelicke nicht aufgegriffen?
Es muss Ihnen doch zu denken geben, wenn zwei hochrangige ehemalige Landesbe- amte - ein Generalsstaatsanwalt und ein Abteilungsleiter des Justizministeriums - tief- gehende Bedenken geäußert und zugleich eine Vielzahl konstruktiver Anregungen vor- gelegt haben, die in den Änderungsvorschlägen der FDP und den Grünen aufgegriffen wurden.
In der letzten Beratung im Innen- und Rechtssausschuss wurde auch deutlich, dass die SPD anscheinend bereit war, Änderungen vorzunehmen. Allein die Koalitionsdisziplin wird heute diesem Gesetzes-Torso zu einer Mehrheit verhelfen.
Die Chance wurde vertan, die Qualität des Jugendstrafvollzugs in Schleswig-Holstein zu verteidigen und auszubauen. Nach wie vor ist unsere Anstalt in Schleswig ein bun- desweites Modell, zu dem viele Experten aus dem In- und Ausland anreisen. Man kann nur hoffen, dass die Praxis weiterhin besser bleibt als das Gesetz.
1/2 Die Chance zur Weiterentwicklung der Praxis haben Sie mit diesem Gesetz jedenfalls vertan! Nun komme ich zu dem zentralen Punkt der Kritik der Experten. Dabei geht es um das Übergangsmanagement. Denn so gute Ansätze der Vollzug in Schleswig- Holstein entwickelt hat, die Ergebnisse sind immer noch bescheiden.
Noch immer haben wir eine Rückfallquote von 80 Prozent bei den Jugendlichen. Vier von fünf Jugendlichen landen nach der Entlassung wieder im Knast – entweder im Ju- gendvollzug oder im Erwachsenenvollzug.
Kriminologen haben aber nachgewiesen, dass bei einer besseren Entlassungsvorberei- tung, bei einer verbindlichen Eingliederungsplanung, bei vernetztem Übergangs- und In- tegrationsmanagement die Rückfallquoten im besonders gefährdeten Zeitraum des ers- ten Jahres nach der Entlassung in großem Umfang reduziert werden können.
Sie schlagen vor, dass bereits sechs Monate vor der Entlassung die freien Träger und die Bewährungshelfer an der Entlassungsvorbereitung beteiligt werden, damit eine Kon- tinuität der Betreuung sichergestellt ist. Sie schlagen vor, dass möglichst viele Jugendli- che in den offenen Vollzug oder in den Vollzug in freien Formen kommen sollen, wie es in Baden-Württemberg bereits erfolgreich praktiziert wird.
Es sollte das Ziel sein, dass die Jugendlichen noch während ihrer Haftzeit Wohnung und Arbeit finden. Jugendliche, die im Gefängnis eine Ausbildung machen, müssen die- se unbedingt anschließend abschließen können. Möglichst viele Jugendliche sollten auch vorzeitig zur Bewährung entlassen werden. Nur dann hat der Bewährungshelfer ein Druckmittel in der Hand, und der Jugendliche kann sich in der kritischen Zeit dem nicht entziehen.
Zu all diesen Punkten lagen der großen Koalition detaillierte Vorschläge der Oppositi- ons-Fraktionen und der externen Gutachter vor. Nichts haben Sie davon aufgegriffen.
Wenn es gelänge, die Rückfallquote um die Hälfte zu senken, was Gutachter für mög- lich halten, dann würden wir damit erheblich zur Sicherheit unserer MitbürgerInnen bei- tragen. Wir würden auch in erheblichem Maße Geld für spätere teure Gefängnisaufent- halte sparen.
Ich komme zum Schluss: Ihr Gesetz beschreibt nur Minimalstandards. Es stellt den Ju- gendstrafvollzug schlechter im Vergleich zum Erwachsenenvollzug. Es behindert die fortgeschrittene Praxis in Schleswig-Holstein. Und wider besseres Wissen erhöhen Sie nicht den Schutz der Gesellschaft, obwohl alle Fachleute und Fachkräfte Ihnen dazu ra- ten.
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