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Karl-Martin Hentschel zur Landespolizei und zur Alters- und Personalstruktur
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 15: – Große Anfrage Landespolizei Düsternbrooker Weg 70 24105 KielDazu sagt der Vorsitzende der Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Karl-Martin Hentschel: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 519.07 / 13.12.2007Wollen wir die Polizei als Freund und Helfer behalten?Vielen Dank an die Mitarbeiter des Ministeriums und der Polizei für die Beantwortung der großen Anfrage. Sie gibt uns wichtige Information über die Situation unserer Polizei, nach den Schulen der zweitgrößte Personalbereich des Landes.Da meine Vorredner schon viele Daten der Antwort referiert und analysiert haben, will ich darauf verzichten und mich auf einige Aspekte beschränken, die mir von besonderer Bedeutung zu sein scheinen.Fangen wir an mit den Aufgaben der Polizei: Liest man den Bericht über die Entwick- lung von Straftätern und unterhält sich mit den Vertretern der Gewerkschaften, dann kann man sicher notwendige Personalaufstockungen von der Regierung fordern. Für die Opposition sind solche Forderungen bekanntlich billig. Ich werde das aber nicht tun, da es angesichts der unverändert katastrophalen Finanzen des Landes unverantwort- lich wäre. Wir würden nur Hoffnungen erwecken, die niemand einlösen kann und so den Politikverdruss noch steigern, und das wäre schlimm.Trotzdem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Aufgaben der Polizei in den letz- ten Jahren nicht abgenommen haben, sondern eher mehr wurden. Dazu gehören neue Formen der Kriminalität. Dazu gehören auch Einsätze bei Demonstrationen, die immer sehr viel Personal binden. Aber auch Fußballspiele – und dass müssen nicht mal Spit- zenspiele der oberen Ligen sein, bergen mehr Konfliktpotential. Und selbst Volksfeste auf dem Lande erfordern oft mehr als einen beobachtenden Beamten, der allein durch seine Präsenz nicht mehr automatisch für Ruhe sorgt.Die Ursachen dafür sind bekannt: Die erhöhte Gewaltbereitschaft bei jungen Männern – als Folge von Perspektivlosigkeit von Bildungsverlierern, Mangel an Ausbildungsplätzen und daraus resultierendem Herumhängen, Alkoholkonsum, und eben Gewaltbereit- schaft. Diese Ursachen wird die Polizei nicht beseitigen können. Da sind Wirtschaft, Schule und Politik gefragt. Die Polizei muss aber damit umgehen.1/3 Bei wachsenden Aufgaben und beschränkten Finanzen landet man automatisch bei dem oft gebrauchten Schlagwort „Konzentration auf die Kernaufgaben“, das ja auch in dem Strategiepapier 2012 angesprochen wird. Nur – was sind die Kernaufgaben?Die Präsenz auf der Straße, um Vorfälle von vorneherein zu verhindern, die ständige Bereitschaft der Reviere, um schnell reagieren zu können oder die effiziente Verbre- chensbekämpfung? Dazu kommen die Präventionsaufgaben – wie z.B. die sehr frucht- bare Mitarbeit in kriminalpräventiven Räten. Das alles wird man nicht reduzieren wollen.Nicht zurückziehen darf sich die Polizei auch nicht von öffentlichen Veranstaltungen und der Überwachung öffentlicher Räume. Wer diese Aufgaben privaten Sicherheitsdiens- ten überlassen will, der gibt öffentlichen Raum in unserer Demokratie preis. Das dürfen wir nicht zulassen!Am ehesten noch kann sich die Polizei von den Aufgaben der Verkehrsüberwachung zurückziehen oder diese auch gegenüber den Versicherungen zu gebührenpflichtigen Dienstleistungen machen. Man kann hinterfragen, ob man Polizisten, die über Jahre ausgebildet wurden, braucht, um Unfälle aufzunehmen, Geschwindigkeit zu kontrollie- ren oder gar Parkplätze zu überwachen.Wichtig ist aber, dass die Polizei sich weiterhin als bürgerfreundliche Polizei versteht und darauf entsprechend in der Ausbildung wert gelegt wird. Denn ein positives Image der Polizei – der berühmte Freund und Helfer – ist von unschätzbarem Wert. Wenn erstmal die Polizeibeamten als Feinde betrachtet werden, wie das in Frankreich in den Vorstädten von Paris aus der Ferne betrachtet der Fall zu sein scheint, dann wird die Arbeit der Polizei in einer Weise erschwert, die durch keine Einsparungen oder Effi- zienzgewinne ausgeglichen werden kann.Natürlich muss man auch die Auswirkungen des wachsenden Frauenanteils betrachten, der in der Anfrage dargestellt wird. Es gibt für mich, gerade auch mit Gesprächen mit Polizisten, keinen Zweifel daran, dass der wachsende Frauenanteil bei der Schutzpoli- zei zu einem positiven Image beigetragen hat und in vielen Situationen deeskalierend wirken kann.Wichtig ist auch die zunehmende Einstellung von MigrantInnen, die wesentlich dazu beitragen können, dass auch die Akzeptanz der Polizei in den Einwandermilieus erhöht wird. Wer über die Arbeit und Entwicklung der Polizei redet, der kommt nicht umher, auch über die innere Organisation der Polizei zu reden.Eines der aktuellen Probleme ist Überalterung in den kommenden zehn Jahren, die noch durch die Verlängerung der Dienstzeit auf 67 Jahre verstärkt werden kann. Das muss mitbedacht werden. Auch die Debatte über die drei- versus zweigeteilte Laufbahn muss weiter geführt werden. Damit hängen dann auch das Beförderungswesen und das Dienstrecht eng zusammen. Seit Jahrzehnten leistet sich der Staat den Luxus, ein ei- genes Rechtsgebiet auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts ausschließlich für einen Teil der öffentlich Bediensteten zu pflegen. Allein die jährlichen Beurteilungen aller Polizei- beamten, selbst dann, wenn eine potentielle Beförderung in weiter Ferne liegt, binden zigtausende von Arbeitsstunden, die sinnvoller für andere Zwecke genutzt werden könnten.Um das zu ändern müssten wir uns aber vom im öffentlichen Dienst praktizierten Lauf- bahnprinzip verabschieden. Wenn wir den öffentlichen Dienst im Allgemeinen und die Polizei im Besonderen endlich zu einem Vergütungssystem führen, das sich aus- schließlich an der konkret ausgeübten Tätigkeit und der persönlichen Leistung bemisst, und das in die gesetzliche Sozialversicherung eingebunden ist. Dann würde vieles radi- kal vereinfacht und Beurteilungen wären nur dann erforderlich, wenn sich ein Beamter auf eine Beförderungsstelle bewirbt. Aber so weit sind wir leider noch nicht, auch wenn die Föderalismusreform ein erster Schritt in diese Richtung war.Die letzte wichtige Frage im Zusammenhang mit der Zukunft der Polizei ist die nach der Organisationsstruktur. Da dies aber Thema des Strategiepapier 2012 ist, werde ich beim nächsten Tagesordnungspunkt darauf zu sprechen kommen.Die vielen Informationen der großen Anfrage geben uns wichtige Information, die wir bei der Diskussion über die Weiterentwicklung der Polizei gut nutzen können. Es spricht vieles dafür, dass es zu einer „Polizeireform Vier“ kommen wird. Ich schlage deshalb vor, die große Anfrage an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen und dort in Zusammenhang mit der Diskussion über die Polizeistrategie heranziehen. ***