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Detlef Matthiessen zum Vertrag von Lissabon
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 13 – Der Vertrag von Lissabon Düsternbrooker Weg 70 24105 KielDazu sagt der europapolitische Sprecher Telefon: 0431 / 988-1503 Fax: 0431 / 988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172 / 541 83 53 Detlef Matthiessen: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 033.08 / 30.1.2008Der EU-Reformvertrag ist ein wichtiger Schritt voranWir Grünen begrüßen die Einigung über den Reformvertrag von Lissabon als einen wichtigen Schritt. Der Vertrag erleichtert die Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene und stärkt die Rechte der europäischen Bürgerinnen und Bürger.Eine besondere Bedeutung hat der Reformvertrag im Bereich der europäischen Außenpolitik. Denn mit der Schaffung eines europäischen Dienstes und der Stärkung des Hohen Vertre- ters der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik wird die Handlungsfähigkeit der Union nach außen gestärkt. Diese Notwendigkeit gilt vor allem auch gegenüber den USA und Russ- land. Hier braucht es eine geeinte und handlungsfähige Union, die sich international für eine kooperative Friedens- und Sicherheitspolitik einsetzt.Dennoch darf Europa sich nicht auf dem neuen Reformvertrag ausruhen. Vielmehr muss er der Auftakt für weitere Reformen in Richtung eines ökologischen und sozialen Europas sein. Hier ist noch viel zu tun! Beispiele: Beendigung des EURATOM Vertrages, gemeinsame Mindeststandards für die Besteuerung von Unternehmen, Einstieg in das transnationale star- ke Stromnetz und andere.Die Europäische Union ist der größte Markt der Welt. Durch ihre Marktstärke ist sie natürlich ein "global player" und bestimmt die Globalisierungsprozesse mit. In dieser Stellung hat sie eine Mitverantwortung für unkontrolliertes Wirtschaftswachstum, welches die Klimakrise ver- schärft, intakte Umweltbeziehungen zerstört und zur weltweit wachsenden sozialen Unge- rechtigkeit führt. Aus dieser Mitverantwortung heraus kann die Europäische Union jedoch auch hohe Sozial- und Umweltstandards in den Welthandelsregimen setzen. Die EU sollte sich in diesem Zusammenhang auch für die Einführung von Devisenbesteuerung, also einer der Tobin-Steuer oder der Spahn-Steuer ähnlichen Regelung zur Unterbindung von Wech- selkursspekulationen stark machen.1/3 Wir Grünen erwarten deshalb von der Kommission, dass sie auch in der Außenhandelspolitik Sozial- und Umweltdumping bekämpft, indem sie zum Beispiel in den Handelspräferenzver- träge der EU die Reduzierung klimaschädlicher Gase und das Bekenntnis zur nachhaltigen Entwicklung von den Partnern genauso verlangt wie das Einhalten der ILO- Standards (Inter- national Labour Organisation), wie das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit und das Recht auf Versammlungsfreiheit und die Anerkennung einer angemessenen Entlohnung von Arbeit.Der neoliberale Ansatz in der Lissabon-Strategie suggeriert, dass allein durch ungehemmtes Wirtschaftswachstum Arbeitsplätze und Wohlstand geschaffen werden. Diese einfache Glei- chung geht jedoch nicht auf. Die Beziehungen sind komplizierter, auch die Lissabon- Strategie ist umfassender. Wirtschaftswachstum kann auch Arbeitsplätze wegrationalisieren oder verlagern, wie wir aktuell bei Nokia sehen, oder auf Kosten angemessener Entlohnung erreicht werden und soziale Standards dabei unter die Räder kommen lassen. Qualitatives Wirtschaften lässt hingegen neue Bereiche für qualitativ hochwertige Jobs entstehen.Es galt auch als Entscheidung für den sozialen Zusammenhalt, dass bereits seit der Grün- dung der Lissabon-Strategie die Soziale Agenda integraler Bestandteil ist. Nur wird sie heute oft vergessen. Diese Agenda fordert von den Mitgliedstaaten, die Armutsbekämpfung und soziale Integration in die nationalen Reformpläne aufzunehmen. Reformen der Arbeitsmärk- te, der Steuer- und Sozialleistungssysteme sind hierfür notwendig. Mehr ältere Menschen müssen im Arbeitsprozess bleiben, die Förderung von Aus- und Weiterbildung muss qualita- tiv und quantitativ ansteigen. Wir Grünen fordern von der EU-Kommission, den rechtlichen Schutz der Leistungen zur Daseinsvorsorge.Die Eurozone hat schon heute eine gemeinsame Beschäftigungspolitik. Sie ist seit 1996 Be- standteil des EU-Vertrages und gilt für die gesamte EU. Die gemeinsamen beschäftigungs- politischen Bemühungen wurden bislang in Nationalen Beschäftigungsplänen umgesetzt, 2005 sind diese Leitlinien mit den ökonomischen Vorgaben als Integrierte Leitlinien zusam- mengefasst worden. Allerdings mussten sie bei der Fusion "Federn lassen". So wurde die Gender-Dimension wegrationalisiert und der Teil zur Sozialen Agenda systematisch redu- ziert. Wir Grünen sind da stur und versuchen diese Dimensionen immer wieder durch Ände- rungsvorschläge zu stärken.Denn für das Zusammenwachsen und Zusammenleben von Europa ist der soziale Zusam- menhalt wesentlich. Für das Erreichen dieses Ziels sind die Bekämpfung von Armut und so- zialer Ausgrenzung, die Gleichberechtigung von Frau und Mann sowie die Antidiskriminie- rung wichtige Instrumente, die sowohl den sozialen Zusammenhalt als auch das Wirt- schaftswachstum positiv beeinflussen. Auf unserer Agenda stehen in diesem Rahmen unter anderem die Steigerung der Erwerbstätigkeit von Frauen sowie die Investitionen in Betreu- ungsangebote für Kinder und in Förderung von Familien.Die nationale Umsetzung erfolgt heute in den Nationalen Reformplänen. Die Revision ist nicht mehr jährlich, sondern dreijährlich. Jetzt im Frühjahr 2008 steht die erste Dreijahresre- form an. Der Streit über die Ausrichtung hat die Diskussion über das erste Gedankenpapier der Kommission bestimmt. Die anstehende Abstimmung über den Flexicurity-Bericht wird der wichtigste Beitrag des Europaparlaments dazu sein.Gerade hier fordern wir Grünen neue Formen der sozialen Sicherheit und reagieren damit auf die Diskussion, das dänische Modell "Flexicurity" in die Lissabonstrategie zu überneh- men. Verkürzt bedeutet es: Mehr Flexibilität in den Arbeitsbeziehungen auf der Grundlage von mehr sozialer Sicherheit. Allerdings beschränkt sich die aktuelle europäische Diskussion allein auf den Teil "Flexibilität", die den ArbeitnehmerInnen abverlangt werden soll. Die Ga- rantie der sozialen Sicherheit wird dabei unterschlagen.Wir sehen in dem Sozialmodell "Flexicurity" nicht nur ein Arbeitsmarktmodell, sondern ein Gesellschaftsmodell, welches die sozialen Sicherungssysteme, die soziale Eingliederung und damit letztendlich auch die Steuersysteme mit einbezieht. Wir sagen: Wenn wir die Arbeits- beziehungen flexibler gestalten wollen, dann müssen wir erst "neue" - im Sinne von "besse- ren" - soziale Sicherungssystemen schaffen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an das Kieler-Woche-Gespräch 2007 mit genau diesen Themen.Wer nachhaltig wirtschaften will, braucht umweltverträgliches Wachstum. Nur eine gut durch- dachte Umweltpolitik bietet Chancen für Innovation, schafft neue Märkte und verbessert die Wettbewerbsfähigkeit durch höhere Ressourceneffizienz und neue Investitionsmöglichkeiten. Darüber hinaus spricht die Notwendigkeit, sich ernsthaft mit den derzeitigen Belastungen für die Umwelt auseinanderzusetzen, damit Schäden für Gesundheit, Biodiversität, Eigentum und Wirtschaftstätigkeit jetzt und in Zukunft vermieden werden, ebenfalls für eine stärkere Berücksichtigung von Umweltüberlegungen in der Lissabon-Strategie.So braucht die Lissabon-Strategie unbedingt neue Leitlinien, um den Herausforderungen des Klimawandels besser begegnen zu können.Während des letzten Frühjahrsgipfels 2007 war es Konsens im Rat, dass Europa im Kampf gegen den Klimawandel eine Vorreiterrolle spielen soll. Das funktioniert jedoch nur, wenn Klima- und Nachhaltigkeitspolitik integrale Bestandteile der Lissabon-Strategie werden. Wenn die Kommission in ihrem "Gedankenpapier" über eine dritte industrielle Revolution nachdenkt, dann muss diese Revolution das Ziel haben, dass Nachhaltigkeit jeder Produkti- on zugrunde gelegt wird. Dann darf die Kommission sich nicht mehr dagegen wehren, die Leitlinien zur Nachhaltigkeit zum Bestandteil der integrierten Leitlinien werden zu lassen.Und für die Mitgliedstaaten wären der Kampf gegen den Klimawandel und die Durchsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie dann Aufgaben im Rahmen der Reformpläne. Das wäre ein Richtung weisendes Ziel für den Frühjahrsgipfel 2008. ***