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Anke Spoorendonk zu TOP 17 - Entschließung zum Jugendstrafrecht
PresseinformationKiel, den 30.01.2008 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 17 Entschließung zum Jugendstrafrecht (Drs. 16/1816(neu))Eine gewisse Logik hatte der Vorstoß von Roland Koch ja: Wenn man junge Straftäterhäufiger wegsperrt und den Strafrahmen bis zu 15 Jahren erhöht, dann ist keiner vonihnen mehr jugendlich, wenn er aus dem Knast kommt. Erneute Straftaten werden dieentsprechende Statistik nicht mehr belasten und die Jugendkriminalität sinkt offiziell.Viel mehr als diese verquere Logik lässt sich dem Vorstoß der CDU aber auch nichtentlocken. Denn es ist nun einmal so, dass die Androhung drakonischer StrafenJugendliche nicht von Gewalttaten abhält. Kein Jugendlicher kalkuliert vor demZuschlagen den „Nutzen“ und die „Kosten“ und kommt aufgrund der Höhe derStrafandrohung zum rationalen Schluss, es dann doch lieber sein zu lassen. KeinJugendlicher wird den Unterschied zwischen 10 und 15 Jahren Haft überblicken können -geschweige denn in seinem Handeln berücksichtigen.Wenn es einen präventiven Effekt der Strafe gibt, dann, wenn das Bestrafungsrisiko hochist und die Strafe der Tat auf dem Fuße folgt. Mit anderen Worten: Es muss das Ziel sein, 2möglichst viele Straftaten zu entdecken und sie zügig zu ahnden. Die Instrumentehierfür sind schon vorhanden. Eine konsequente Verfolgung von Jugendkriminalitäterfordert keine Änderung des Strafrechts, sondern entsprechende Mittel im Landes-haushalt für Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichte und Bewährungshelfer – und füreine bessere Betreuung im Jugendstrafvollzug, nicht zuletzt wenn es um den Übergangin die Freiheit geht.Denn anderseits wissen wir auch, dass ein Gefängnisaufenthalt allein nicht auf dengeraden Weg zurückführt. So lange die jungen Menschen im Knast sitzen, haben siezwar weniger Möglichkeiten, rückfällig zu werden. Aber dort lernen sie nicht unbedingt,wie ein anderes, rechtschaffenes Leben aussieht. Im Gegenteil. Sie sehen vor allem, wieandere Kriminelle so leben. Und das soziale Umfeld der Gleichaltrigen hat den größtenEinfluss darauf, ob jemand kriminell wird. Dieser Einfluss wird auch in den hohen Rück-fallquoten nach der Entlassung aus dem Strafvollzug sichtbar. Ein verlängerterGefängnisaufenthalt oder auch der „Warnschussarrest“ sind also nicht geeignet, umstraffällig gewordene Jugendliche von der Begehung weiterer Straftaten abzuschreckenund zu resozialisieren. Also bleiben nur zwei Möglichkeiten: entweder wir sperren Kinderund Jugendliche gleich für 60-70 Jahre weg, oder wir suchen andere Mittel und Wege.Dass wir es besser machen können, ist offensichtlich. Wir haben Probleme mit einergestiegenen Zahl von Rohheitsdelikten in dieser Altersgruppe. Und wir habenIntegrationsprobleme, die das Verhalten junger Männer aus Einwandererfamilien mitprägen. Deshalb brauchen wir eine stärkere Prävention gegen die sozialen Ursachen derGewalt, und wir brauchen Methoden der Sanktionierung, die nicht nur bestrafen,sondern auch neue Lebensperspektiven aufzeigen. 3Wer etwas gegen Jugendkriminalität unternehmen will, muss von den Jugendlichenausgehen, die man verändern will. Koch, Merkel, Carstensen und Co haben mit ihrerForderung nach Strafverschärfungen aber ganz andere Teile der Bevölkerung im Blick.Dass sie dabei für sich beanspruchen, den Opfern besser gerecht zu werden ist nicht vielmehr als rhetorisches Blendwerk. Am Ende ist eine solche Politik sogar gefährlich, weilsie offensichtlich ihr Ziel nicht erreichen kann und so in Kauf nimmt, dass weitereMenschen zu Opfern werden.Deshalb begrüßt der SSW auch ausdrücklich, dass die Minister Döring und Hay nicht amaktuellen Überbietungswettbewerb um das beste Folterinstrument für jugendlicheStraftäter teilnehmen wollen. Ich hätte mir gewünscht, dass der Ministerpräsident vonvornherein mit der gleichen Nüchternheit in die Debatte eingestiegen wäre. Leider istauch er der Versuchung erlegen, auf Kosten der Sachlichkeit härtere Strafen zu fordern.Ich gehe aber davon aus, dass die beiden Fachminister für die gesamte Regierungsprechen und erwarte nun, dass die Große Koalition dem gemeinsamen Antrag derOpposition zustimmt.