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31.01.08 , 10:34 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 18 - Leukämiefälle in der Elbmarsch müssen aufgeklärt werden

Presseinformation
Kiel, den 31.01.2008 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 18 Leukämiefälle in der Elbmarsch müssen aufgeklärt werden Drs. 16/1819

Vor gut einem Jahr haben wir den Bericht der Landesregierung zu Leukämiefällen im Raum
Geesthacht/Elbmarsch debattiert. Der Bericht machte deutlich, dass frühzeitig und sehr intensiv
mit der Ursachenforschung der Leukämie-Erkrankung in der Elbmarsch begonnen wurde. So
wurden insgesamt 17 Studien im Zeitraum von 1992 bis Ende November 2005 durchgeführt.


Sowohl Schleswig-Holstein als auch Niedersachsen haben Expertenkommissionen eingesetzt, die
zahlreiche potentielle Ursachen für die Leukämieerkrankungen untersuchen sollten. Dazu
zählten unter anderem radioaktive Strahlenbelastungen sowie epidemiologische
Untersuchungen. Darüber hinaus wurden auch natürliche Gegebenheiten wie beispielsweise
Wasser, Boden oder Luft und Nahrungsmittel untersucht. Doch keine der durchgeführten
Untersuchungen lieferte eine wissenschaftlich fundierte Erklärung für die Ursache der Häufung
kindlicher Leukämien in dieser Region. 2
Die neueste Untersuchung des Bundesamtes für Strahlenschutz – die Epidemiologische Studie zu
Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken (KiKK) – hat Ende letzten Jahres neue
Ergebnisse ans Licht gebracht. Die Studie bestätigt, „dass in Deutschland ein Zusammenhang
zwischen der Nähe der Wohnung zum nächstgelegenen Kernkraftwerk zum Zeitpunkt der
Diagnose und dem Risiko, vor dem 5. Geburtstag an Krebs (bzw. Leukämie) zu erkranken,
beobachtet wird.“ Aber die Studie gibt keine Aussage darüber, durch welche Ursachen diese
Beziehung zu erklären ist. – Auch wenn es immer noch keine Kenntnis über die Ursachen gibt,
darf uns das Ergebnis der Studie nicht in Ruhe lassen. Denn der Zusammenhang zwischen
Wohnort und Entfernung zum AKW ist auffallend. Das heißt, hierin muss der weitere
Forschungsauftrag liegen, damit diese Frage endgültig geklärt wird.


Auch wenn die Studie keine Aussage über Ursachen zwischen den Leukämiefällen und den
Kernkraftwerken trifft, beschleicht einen aber trotzdem ein Verdacht. Und eben dieser Verdacht
lässt die Bevölkerung in der Region auch nicht zur Ruhe kommen. Deshalb sind wir der
Auffassung, dass die Untersuchungen nicht gestoppt werden dürfen, bevor der schlüssige
Beweis vorliegt, dass AKWs oder das GKSS nichts mit den Leukämiefällen zu tun haben, oder
andere Ursachen für die häufigen Erkrankungen gefunden werden konnten. Auch wenn bisher
keine Zusammenhänge wissenschaftlich belegbar sind, können wir letztendlich nicht
ausschließen, dass sie vorhanden sein können. Denn an einen puren Zufall mag angesichts der
Ergebnisse niemand denken. Wer sich aber hinstellt und behauptet, dass die Studie keine neuen
Erkenntnisse liefert, verharmlost das Problem.


An der Studie beteiligt wurden sowohl Atomkraft-Kritiker wie auch –Befürworter und man hat
eine von allen akzeptierte Methodik gefunden, die Studie durchzuführen. Daher sollten wir das
Ergebnis ernst nehmen.
Im Umkreis von fünf Kilometern um die deutschen Kernkraftwerke wurde für den
Untersuchungszeitraum von 1980 bis 2003 ermittelt, dass 77 Kinder an Krebs – davon 37 an
Blutkrebs erkrankt sind. Nach dem statistischen Durchschnittswert wären nach Darstellung der 3
Wissenschaftler 48 Krebs- beziehungsweise 17 Leukämiefälle zu erwarten gewesen. Diese Zahlen
machen deutlich, dass wir von Clusterbildungen sprechen können.


Es klingt dann nahezu wie Hohn, wenn von Seiten des Bundesumweltministeriums gesagt wird,
dass der Anstieg bei den Krebserkrankungen nach derzeitigem Kenntnisstand der Wissenschaft
nicht durch die Strahlenbelastung aus einem Atomkraftwerk erklärt werden können. Um das
erhöhte Krebsrisiko zu erklären, müsste angeblich demnach die Strahlenbelastung der
Bevölkerung um mindestens das Tausendfache höher sein. Nach dem Motto: Es kann nicht sein,
was nicht sein darf.


Aus unserer Sicht darf die Frage der Leukämiefälle keine ideologische Frage sein, sondern eine
Sachfrage, der unbedingt nachgegangen werden muss. Wir müssen die Thematik sachorientiert
und emotionsfrei aufarbeiten. Diese Zielsetzung hat auch der von uns und den anderen
Oppositionsparteien eingebrachte Antrag – der einstimmig so auch in Niedersachsen
verabschiedet wurde. Daher ist es aus unserer Sicht mehr als bedauerlich, dass wir es hier nicht
hinbekommen haben, einen interfraktionellen Antrag zu diesem Thema zu stellen. Leider war die
Große Koalition hier nicht gewillt, den Antrag der Oppositionspartein mit zu tragen. Stattdessen
haben sie einen eigenständigen Antrag eingebracht.


Vor dem Hintergrund der gemeinsamen Anhörung der zuständigen Ausschüsse in Hannover,
hätte ich mir hier mehr politisches Verständnis für die Sache von der Großen Koalition
versprochen. Denn ich finde, dass es uns als Schleswig-Holsteinischer Landtag gut zu Gesicht
gestanden hätte, wenn wir ein einstimmiges Signal an die Bürgerinnen und Bürger im Raum
Geesthacht und Elbmarsch und an unsere Kollegen im Niedersächsischen Landtag gegeben
hätten. Diese Chance haben die Kollegen von der Großen Koalition bisher nicht genutzt. Das ist
bedauerlich, denn ich glaube, dass wir in der Sache gar nicht weit auseinander liegen. 4
Angesichts der Tatsache, dass die SPD seinerzeit selbst den Vorschlag eingebracht hat, eine
gemeinsame Anhörung der Sozialausschüsse zur Untersuchung der rätselhaften Häufung von
Leukämiefällen in der Elbmarsch durchzuführen, um Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich
der Vorgehensweisen und Untersuchungsmethoden aus dem Weg zu räumen, ist es
unverständlich, dass wir in Schleswig-Holstein jetzt nicht an einem Strang ziehen. Nur dann
können wir den Menschen in der Elbmarsch deutlich machen, dass das Problem von Seiten der
Politik ernst genommen wird. Gegenseitige Kritik und Missverständnisse helfen hier nicht weiter.
Wir sollten auch künftig gemeinsam und länderübergreifend das Problem angehen.
Deswegen hoffe ich, dass wir im Ausschuss noch einen gemeinsamen Beschluss hinbekommen.


Für uns steht fest, dass wir die Sorgen und Ängste der Menschen im Raum Geesthacht und der
Elbmarsch ernst nehmen müssen. Wir müssen alles daran setzen, die Ursachen für die diese
Leukämie-Cluster zu erforschen. Und wir dürfen mit den Untersuchungen solange nicht
aufhören, bis der Beweis für die Ursachen erbracht wurde. Nur so werden wir der Verantwortung
den Menschen gegenüber gerecht, die sich dort um die Gesundheit ihrer Kinder sorgen.

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