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24.04.08 , 09:44 Uhr
SPD

Detlef Buder zu TOP 20: Integration schafft neue Möglichkeiten auch für hochbegabte Kinder

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 24.04.2008 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 20, Große Anfrage Hochbegabtenförderung (Drucksache 16/1942)

Detlef Buder:

Integration schafft neue Möglichkeiten auch für hochbegabte Kinder

Hochbegabte Kinder gehören zu den Risikogruppen für das Scheitern in der Schule. Dieser scheinbare Widerspruch ergibt sich aus den unterschiedlichen Lerngeschwin- digkeiten besonders begabter und weniger begabter Kinder und Jugendlicher. Weil Jugendliche von Altersgleichen mehr lernen als vom Lehrer und selbst lehren die ef- fektivste Form des Lernens ist, räumen wir auch bei jungen Menschen mit besonderen Begabungen der Integration den Vorrang vor der Segregation ein, führt der schulpoliti- sche Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Detlef Buder, aus.Hervorragende Leistun- gen in dem einen Bereich können mit Schwächen im anderen Bereich einhergehen. die Vorbereitung der Lehrkräfte auf den Umgang mit Kindern mit besonderer Bega- bung wurde in den letzten Jahren entscheidend verbessert. Wirklich aussagekräftig sind nur Analysen. Denn die intellektuelle Entwicklung jedes Menschen vollzieht sich in anderen Rhythmen. Nicht jeder Schüler bleibt über seine gesamte Bildungskarriere hinweg immer in der Spitzengruppe, ebenso wenig wie jeder Schüler immer nur schlechte Leistungen erbringt.



Die Rede im Wortlaut:



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



Das Grundprinzip der Schule, wie wir es im Schulgesetz festgeschrieben haben, ist die individuelle Förderung aller Kinder und Jugendlichen. Das umfasst die schwächeren Schüler ebenso wie die besonders starken. Die Schulen müssen jedes Kind und je- den Jugendlichen mitnehmen, und sie sollen niemanden abbremsen, der schneller lernt als andere. Das ist eine große pädagogische Aufgabe, zu der die Lehrerinnen und Lehrer in der Ausbildung und in der Fortbildung fit gemacht werden müssen.

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass hochbegabte Kinder und Jugendliche ihren Weg schon von selbst machen werden und keiner besonderen Förderung bedürfen. Meine Fraktion führt seit rund zwei Jahren eine landesweite Vortragsreihe mit dem Hamburger Pädagogikforscher Professor Dr. Peter Struck durch, der uns immer wie- der darauf hinweist, dass gerade hochbegabte Kinder zu den Risikogruppen für das Scheitern in der Schule gehören.

Er begründet diesen scheinbaren Widerspruch mit den unterschiedlichen Lernge- schwindigkeiten besonders begabter und weniger begabter Kinder und Jugendlicher. Wer eine Information des Lehrers nicht einfach nur zur Kenntnis nimmt, sondern dar- über reflektiert und sie hinterfragt, läuft Gefahr, die im Anschluss daran folgenden In- formationen zu verpassen. Dadurch erweckt der betreffende Schüler bzw. die Schüle- rin den Eindruck, sich nicht ausreichend zu konzentrieren, obwohl genau das Gegen- teil der Fall ist.

Ich beziehe mich wiederum auf Professor Struck, der immer wieder darauf hinweist, dass Jugendliche von Altersgleichen mehr lernen als vom Lehrer und dass die effek- tivste Form des Lernens die ist, selbst zu lehren. Das ist für uns einer der maßgebli- chen Gründe, weshalb wir auch bei Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bega- bungen der Integration den Vorrang einräumen. -3-



Denn die öffentliche Diskussion hat sich zumindest früher immer wieder auf die Frage fokussiert, ob für Kinder und Jugendliche mit besonderer Begabung eigene Klassen oder Schulen eingerichtet werden sollen. Wir sind als SPD auch bei diesen Kindern und Jugendlichen dafür, zu integrieren statt zu segregieren. Wenn wir uns von dem überlebten Konzept der leistungshomogenen Schulklasse verabschieden, schaf- fen wir auch ganz neue Möglichkeiten für besonders begabte Schülerinnen und Schü- ler, sich in den Unterricht einzubringen und in der Gruppendynamik des Unterrichts sowohl für sich selbst als auch für ihre Mitschüler das gemeinsame Lernen zu intensi- vieren.

Das Bildungsministerium hat bereits 2004 in einer sehr umfangreichen Broschüre die zahlreichen institutionellen Wege und Projekte zusammengestellt und aufbereitet, die es in unserem Land zur Förderung von Kindern mit besonderen Begabungen gibt. In dieser Publikation wurden zugleich die diagnostischen Schwierigkeiten bei der Be- gabungsfeststellung aufgezeigt. Die Große Anfrage, die unsere Kolleginnen und Kol- legen von der CDU gestellt haben, hat dem Bildungsministerium Gelegenheit gege- ben, die damalige Veröffentlichung zu aktualisieren.

Wie die Landesregierung in ihrer Antwort ausführt, versteht nicht jeder dasselbe unter dem Begriff „Hochbegabung“. Wenn die beiden künstlerischen Hochschulen in unse- rem Land Hochbegabte fördern, ist die Rede von künstlerisch oder musikalisch beson- ders begabten jungen Menschen, die in der allgemein bildenden Schule möglicherwei- se in Sprachen oder in Mathematik und Naturwissenschaften eher wenig beeindru- ckende Leistungen erbracht haben können.

Dasselbe gilt ja auch für die Exzellenz-Programme wie den Klassiker „Jugend forscht“, der sich an die Leistungsträger im naturwissenschaftlichen Bereich richtet, aber die sprachlich oder geisteswissenschaftlich besonders Talentierten nicht erreicht. -4-



Umso wichtiger ist es, dass sich die Hochschulen dieser Jugendlichen angenommen haben und Workshops und Akademien anbieten.

Die Orientierung an einem bestimmten IQ-Wert schließt auch nicht aus, dass be- sonders hervorragende Leistungen in dem einen Bereich mit Schwächen im anderen Bereich einhergehen, und dass kognitive Intelligenz nicht immer mit sozialer Intelligenz einhergeht, ist ohnehin selbstverständlich.

Die Landesregierung weist aus, dass sich die diagnostischen Methoden und die Vor- bereitung der Lehrkräfte auf den Umgang mit Kindern mit besonderer Begabung in den letzten Jahren entscheidend verbessert haben.

Wir haben uns leider oft mit der Problematik von Familien auseinandergesetzt, die sich zuwenig oder überhaupt nicht um den Bildungserfolg ihrer Kinder kümmern. Den Ge- genpol bilden Eltern, die in ihre Kinder Erwartungen setzen, denen diese nicht gerecht werden können. Hier wird manchmal sowohl auf die Kinder als auch auf die Lehrkräfte ein Druck ausgeübt, der den angemessenen Schulerfolg gefährdet.

Der Bericht der Landesregierung weist ja auch auf die Möglichkeit hin, dass besonders begabte Schüler Klassen überspringen können. Das findet in den Grundschulen noch relativ häufig statt; in den weiterführenden Schulen in erster Linie an den Gym- nasien, in zweiter Linie an der Hauptschule – wobei man sich dann fragen muss, was ein Schüler überhaupt an der Hauptschule macht, wenn das Überspringen ein verläss- liches Indiz für eine Hochbegabung wäre.

Man darf auch nicht aus dem Auge verlieren, dass sich die intellektuelle Entwick- lung jedes Menschen in anderen Rhythmen vollzieht. Nicht jeder Schüler bleibt über seine gesamte Bildungskarriere hinweg immer in der Spitzengruppe, ebenso we- nig wie jeder Schüler immer nur schlechte Leistungen erbringt. -5-



So informativ diese Statistik also ist, bildet sie doch immer nur Momentaufnahmen ei- ner Schulkarriere ab. Wirklich aussagekräftig wären Analysen – die im Rahmen der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage auf keinen Fall geleistet werden kön- nen -, wie viele Schülerinnen und Schüler ein gleich bleibend hohes Tempo beim Durchlaufen ihrer Schulkarriere an den Tag legen und bei wie vielen Schülern nach der schnellen Phase Abschnitte der Überforderung kamen, aufgrund derer sie mögli- cherweise sogar ein Jahr verloren haben.

Im vergangenen Jahr haben die Medien ausführlich eine baden-württembergische Schülerin – übrigens teilweise mit Migrationshintergrund – präsentiert, die mit 14 Jah- ren das Abitur mit 1,0 absolviert hat und jetzt bereits ihr Studium begonnen hat. Ich will nicht verhehlen, dass meine Gefühle hier sehr zwiespältig sind.

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage ist eine aussagekräftige Handreichung, auch für diejenigen Eltern, die davon überzeugt sind, dass ihr Kind hochbegabt ist. Sie kann die Schulen nicht vor dem Konflikt mit Eltern bewahren, die mit unrealistischen Erwartungen an die Leistungsfähigkeit ihres Kindes herangehen, aber sie hilft ihnen dabei, diese Konflikte zu moderieren.

Wir sollten uns im Bildungsausschuss über den weiteren Umgang mit der Antwort der Landesregierung verständigen; ich bitte deshalb um Überweisung.

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