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Lars Harms zu TOP 8 - Situation von Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein
Presseinformation Kiel, den 28.5.2008 Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 8 Situation von Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein Drs. 16/1846Die Große Anfrage setzt sich mit allen Lebensbereichen der Menschen in unserem Landauseinander, die von einer Behinderung betroffen sind: Es geht um die Situation von Menschen,die sich in genauso unterschiedlichen Lebensumständen befinden, wie Menschen ohneBehinderungen. Es ist der Verdienst der Landesregierung, diese Vielschichtigkeit angemessenabzubilden. Wer es vorher noch nicht wusste, weiß es spätestens jetzt: es gibt nicht denBehinderten, sondern Menschen unterschiedlichen Alters, Behinderungsformen undSchweregrades.Die Probleme von älteren Menschen mit Behinderung sind nicht neu. Wir haben uns im Landtagschon mit fehlenden Wohnmöglichkeiten ehemaliger Beschäftigter der Werkstätten fürBehinderte beschäftigt. Auf dem Land ist es schwierig, einem geistig behinderten Senior eineangemessene Wohnform anzubieten. In den großen Städten des Landes sieht es allerdings auchnicht viel besser aus. Wir müssen in den nächsten Jahren neue Strukturen schaffen. Jeder zehnteBeschäftigte ist 51 Jahre und älter, wird also mittelfristig in den Ruhestand wechseln. Für diese 2Personengruppe stehen keine ausreichenden Strukturen bereit. Ich rede hier nicht vonPflegeeinrichtungen, sondern von altersgerechten Wohnmöglichkeiten für Menschen mitBehinderung. Der Verweis auf die kommunalen Zuständigkeiten ist nach meinem Dafürhaltenvöllig unzureichend, denn die Kommunen allein werden es nicht schaffen, in ausreichendemMaße Angebote zu schaffen.Die klare und deutliche Sprache der Antwort lässt ansonsten nichts zu wünschen übrig. Ichmöchte mich ausdrücklich dafür bedanken, dass nicht um den heißen Brei herum geredet wird.Das gilt besonders für die Fragen, die Kinder betreffen. So referiert die Landesregierung dieEinschätzung der Sozialpädiatrischen Zentren. Deren Fachleute berichten aus ihrer Arbeit, dasssoziale Benachteiligung zu Behinderung führen kann. Sie beobachten Lernstörungen, emotionaleVerwahrlosung und Entwicklungsverzögerungen im Zuge zunehmender Verarmung.Diesen Zusammenhang sollten wir umgehend weiter untersuchen.Im Zusammenhang mit diesem Komplex möchte ich die Eingliederungshilfe für Kinderansprechen. Ich habe bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass die Förderung undUnterstützung von Familien mit behinderten Kindern immer noch in einigen Kreisen unseresLandes mehr als Gnadenakt, denn als Anspruch gesehen wird. Woran es hapert, ist klar:einheitliche Verhaltensmaßstäbe, die für Eltern, Pädagogen und auch die Kreise verlässlicheRahmen schaffen, und transparente Zuständigkeiten. Die Lebenshilfe schlägt seit langem stattdes Begriffswirrwarrs von „Hilfeplanung“, „Casemanagement“ und „Eingliederungsplanung“ vor,von „Persönlicher Teilhabeplanung“ zu sprechen. Das wäre schon einmal der erste Schritt zueinem einheitlichen Vorgehen.Eltern betreten in aller Regel völliges Neuland, wenn ihnen mitgeteilt wird, dass ihr Kindbehindert ist. Zunächst wissen sie nicht, auf welche Maßnahmen und Unterstützungsleistungensie einen Anspruch haben. Viele Eltern beißen sich mit einer bewundernswerten Hartnäckigkeitdurch ein unübersichtliches System, das sich nur auf dem Antragswege erschließt. Der 3Landesbehindertenbeauftragte verweist auf Lücken in der Information und auch der Versorgungin jedem seiner Berichte hin. So sind die Eltern oftmals auf andere Betroffene oderSelbsthilfegruppen angewiesen, die dann die entscheidenden Hinweise geben; zu wenige Elternkennen und nutzen die Möglichkeit, sich Unterstützung bei den Verhandlungen mit den Behördenzu holen.Es gibt natürlich in der Arbeit mit Behinderten klare Standards, Diagnoseprofile undHandlungspläne; so wie in der Medizin auch. Jeder Medizinstudent weiß, was bei einer Grippeangeraten ist. Das gilt für die Behindertenarbeit in gleicher Weise; nur dass dann die Kostenstelleüber die Maßnahmen entscheidet. Deren Entscheidungen fallen in Zeiten knapper Kassen nacheinem bestimmten Muster aus. Dass durch falsche Sparziele eher Mehrkosten entstehen, könnteAusgangspunkt endloser Diskussionen sein. Könnte. Denn Zeit ist genau das, was Elternbehinderter Kinder nicht haben.Der SSW drängt daher darauf, einheitliche und transparente Hilfeplanmaßstäbe für Kinder undJugendliche in allen Kreisen und kreisfreien Städten einzuführen. Die Gesundheitsämter solltenstärker als bisher eingebunden werden. Ich bin davon überzeugt, dass damit Hemmschwellenreduziert werden, die oftmals im Umgang mit dem Jugendamt vorprogrammiert sind. Anderseitsist bei der Federführung durch das Gesundheitsamt gewährleistet, dass finanzielle Interessen inden Hintergrund treten. Eigentlich sollte der Wohnort der Familien keine Rolle spielen, wenn esum die Hilfepläne geht. Tatsächlich höre ich immer wieder, dass Eltern sogar einen Umzug ineinen anderen Landkreis erwägen, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Das ist eine schlimmeEntwicklung, die wir nicht länger dulden sollten.Die Integration von Kindern mit Behinderungen in die Normalschulen ist ein weitereserstrebenswertes Ziel, das wir meines Erachtens aber viel zu langsam umsetzen. Andere Ländersind da viel weiter. Aber auch bei uns beginnt sich etwas zu bewegen. Die Statistik zeigt, dass die 4Sonderschulen auf dem Rückzug sind, was die Schülerzahlen angeht: Einige Kreise haben garkeine Sonderschulen neben der Sonderschule für Schüler mit geistiger Behinderung.Der SSW begrüßt diese Entwicklung, denn in kaum einem anderen Land wird so rigoros sortiertwie in Deutschland. Dabei könnten viele Schüler mit Behinderungen durch entsprechendeAssistenz, bauliche Maßnahmen und entsprechend qualifizierte Pädagogen eine Normalschulebesuchen. Der SSW fordert, dass wir entsprechende Bemühungen weiter verstärken.Gestern wurde erstmals der Integrationspreis an schleswig-holsteinische Betriebe vergeben, dievorbildlich in der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung sind. In Tönning ist die Firma„Nissen“ dafür ausgezeichnet worden, dass sie bereits seit vielen Jahren erfolgreich mit denWerkstätten in Husum und Flensburg zusammenarbeitet und Arbeit für 200 Menschen mitBehinderung schafft. Ich hoffe, dass sich möglichst viele Betriebe von diesem guten Vorbildanstecken lassen.Die steigende Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter spricht allerdings eine andere Sprache.Offenbar sitzen immer noch viele Unternehmer dem Irrglauben auf, dass Schwerbehinderte vielkosten. Dabei erfüllen sie bei entsprechender Ausstattung ihres Arbeitsplatzes alleAnforderungen.Voraussetzung für die Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt ist einequalifizierte Ausbildung. Da müssen wir weiterhin am Ball bleiben.Wir müssen uns alles in allem noch mehr anstrengen, um die Teilhabechancen von Menschen mitBehinderung zu verbessern und hierzu sollten wir die Erkenntnisse der vorliegenden GroßenAnfrage nutzen.