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28.05.08 , 18:01 Uhr
SPD

Thomas Rother zu TOP 11: Öffentliche Hand muss Marktmacht nutzen und Vorbildfunktion einnehmen

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 28.05.2008 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 11: Verantwortungsvolle öffentliche Beschaffung (Drucksache 16/1893):

Thomas Rother:

Öffentliche Hand muss Marktmacht nutzen und Vorbildfunktion einnehmen

Eine verantwortungsvolle öffentliche Beschaffung – wie sie die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen fordert - ist aus unserer Sicht eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Standards ist keine bürokratische Auf- blähung des Vergabewesens mit so genannten „vergabefremden“ Sachverhalten. In einer global organisierten Wirtschaft haben Qualitätsstandards eine besondere Bedeu- tung, um einen fehlgeleiteten Wettbewerb zu vermeiden.

Schon jetzt haben wir in der Beschaffungsordnung des Landes die Fragen der Frau- enförderung und der umweltgerechten Beschaffung geregelt. Über das Tariftreue- gesetz haben wir in einigen Bereichen bereits so etwas wie eine Mindestlohnregelung erreichen können und ich hoffe, dass viel von dieser Regelung nach dem EuGH-Urteil erhalten bleibt. - Ein Teil des vorliegenden Antrags ist also schon erledigt.

Es ist in der Tat ein Versäumnis, dass die Vermeidung des Erwerbs von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit noch nicht überall in das öffentliche Beschaf- fungswesen Eingang gefunden hat. Denn wenn auch eine Vielzahl von Staaten die Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention Nr. 182 verboten hat, so wird dieses Verbot offenkundig vielerorts missachtet und Kinder werden zur Produktion international ge- handelter Waren eingesetzt. Und es ist natürlich nicht auszuschließen, dass auch hie-



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



sige Behörden Produkte beschaffen, in die diese ausbeuterische Kinderarbeit einge- flossen ist.

Als Großverbraucher verfügt die öffentliche Verwaltung über ein Stück Marktmacht, um zur Überwindung der Kinderarbeit beizutragen und damit auch über den eigenen Bereich hinaus eine Vorbildfunktion einzunehmen. Es werden rund 300 Milliarden Euro – das sind rund 15 % des Bruttoinlandprodukts – als Ausgabesumme für Waren und Dienstleistungen genannt.

Ich denke, wir sind uns einig darin, dass die Bekämpfung ausbeuterischer Kinder- arbeit eine humane Notwendigkeit und gleichzeitig ein wirksamer Beitrag zur Schaf- fung besserer Strukturen und verbesserter Wirtschaftsgrundlagen in den betroffenen Ländern ist.

Im Antrag der Grünen ist darauf hingewiesen worden, dass in anderen Bundesländern – meist einvernehmlich – ähnliche Regelungen getroffen worden sind. Das ist gut so und sollte auch den Bund an seine Verantwortung in dieser Frage erinnern. Genauso richtig ist der Hinweis in Bezug auf die Kommunen. Viele von ihnen haben das auch schon umgesetzt. Auf der Homepage der Kampagne „aktiv-gegen-Kinderarbeit“ ist das nachzulesen und auch Städte und Gemeinden mit einstmals absoluter CDU-Mehrheit sind dabei.

Es fehlt im Antrag allerdings ein Hinweis auf die Ansprache der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Unternehmen im Lande. Wir sollten daher in einer Ausschuss- beratung eine umfassendere und präzisere Formulierung für eine Beschlussfassung entwickeln.

Denn sofern wir auch die Forderung der Grünen nach der Einhaltung der Kernar- beitsnormen aufgreifen wollten, ginge es neben Kinderarbeit und Mindestalter für Be- -3-



schäftigung auch um die Abschaffung und Beseitigung von Zwangsarbeit, das Recht zur Bildung von Organisationen, also die Vereinigungsfreiheit, die kollektive Lohnfin- dung, die gleiche Entlohnung für Männer und Frauen sowie die Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz.

Und da wird es schon schwieriger, ein System zur Einhaltung dieser Standards zu entwickeln. Und an dieser Stelle stimmt der Verweis der Grünen auf die Beschlüsse der Länderparlamente nicht ganz, denn diese haben sich zumeist auf das Thema „Kinderarbeit“ beschränkt. Die Bundesregierung, die schon 2003 in einem Aktions- und Maßnahmenprogramm hierzu formuliert hatte: „Stärkere Nutzung des Beschaffungsvo- lumens der öffentlichen Hand für die Durchsetzung von Kernarbeitsnormen“, hat die- ses in alter und neuer politischer Konstellation noch nicht verwirklicht.

Nachdem die EU bereits 2004 „grünes Licht“ für soziale und ökologische Kriterien im Vergaberecht gegeben hat, ist die Diskussion hierum noch nicht am Ende. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen müsste im § 97 diesbezüglich geändert werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf des Bundeskabinetts war für dieses Frühjahr ange- kündigt – bei dieser Ankündigung ist es bislang geblieben.

In Frankreich, den Niederlanden oder Österreich sind diese Vorgaben schon umge- setzt – es ist also möglich. Und es ist nicht nur deshalb kein ordnungspolitischer Sün- denfall.

Selbst das staatsinterventionistischer Umtriebe nun gänzlich unverdächtige Hamburgi- sche Weltwirtschaftsinstitut kommt in einer Studie für den Hamburger Senat aus dem vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass die Beschaffungsrichtlinien die soziale Verantwortung des Staates behindern. -4-



Es sind also im Ausschussverfahren die rechtlichen Grundlagen zu überprüfen und die Auswahl eines Standards zu empfehlen. Die Beschlüsse der anderen Länder und das Gesetzesvorhaben des Bundes sind hierbei einzubeziehen. Erst dann können wir eine qualifizierte Entscheidung treffen.

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