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Sandra Redmann zu TOP 10: Jugendpolitik muss für Chancengerechtigkeit sorgen
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 08.10.2008 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 10, Große Anfrage „Jugend in Schleswig-Holstein“ (Drucksache 16/2228)Sandra Redmann:Jugendpolitik muss für Chancengerechtigkeit sorgenJugendpolitik muss dafür sorgen, dass Jugendliche von vornherein von vielen Mög- lichkeiten ihrer persönlichen, intellektuellen und wirtschaftlichen Entwicklung ausge- schlossen werden, fordert die kinder- und jugendpolitische Sprecherin der SPD- Landtagsfraktion, Sandra Redmann. Mit Chancengerechtigkeit meinen wir einen die gesamte Jugend begleitenden Prozess des Forderns und des Förderns. Die Förde- rung muss da ansetzen, wo das Kind bzw. der Jugendliche mit Benachteiligungen aufwachsen muss. Aber Jugendliche sollen ihre Ansprüche auch selbst formulieren und ihre Rechte selbst wahrnehmen. Wichtig ist uns, dass möglichst jeder Jugendliche einen Schulabschluss und eine Berufsausbildung erhält. Der Kampf gegen die Kinder- armut muss erste Priorität haben. Bund, Land und Kommunen müssen mit dem Skan- dal Schluss machen, dass Kinder an der Mittagsverpflegung aus Kostengründen nicht teilnehmen können.Die Rede im Wortlaut: Das 110-seitige Dokument, das wir jetzt in den Händen halten, gibt uns einen Quer- schnittsüberblick über mehr oder minder alle Politikbereiche, soweit sie auf junge Menschen herunter gebrochen werden können. Wir erhalten Eckwerte aus dem Be-Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-richt zur Unterrichtsversorgung und aus dem Verfassungsschutzbericht, aus der To- desursachenstatistik und aus dem Armutsbericht.Ich kann und will nicht auf alle Aspekte dieser Großen Anfrage eingehen. Die unerfreu- lichen Aspekte von Killerspielen bis zu Neonazis diskutieren wir bereits regelmäßig, aber weder das eine noch die anderen sind in irgendeiner Weise repräsentativ für die jungen Menschen bei uns.Die Landesregierung macht in ihrer Vorbemerkung zu Recht deutlich, dass Jugendpo- litik eine Querschnittsaufgabe der Gesellschaftspolitik ist. Das hatte ja auch die Große Anfrage der CDU-Fraktion in der Breite ihrer Fragestellung zum Ausdruck ge- bracht. Jugendpolitik als Querschnittsaufgabe ist heute längst eine Selbstverständlich- keit auf den meisten politischen Ebenen - zumindest in der Theorie. Der Bund hat be- reits vor Jahren seinen nationalen Aktionsplan erarbeitet, an den sich der Kinder- und Jugendaktionsplan der Landesregierung anschließt.Kernaufgabe der Jugendpolitik liegt darin, soweit wie irgendwie möglich sicherzustel- len, dass die immer unterschiedlicheren Bedingungen, unter denen Mädchen und Jun- gen aufwachsen, nicht dazu führen, dass viele Jugendliche von vornherein von vielen Möglichkeiten ihrer persönlichen, intellektuellen und wirtschaftlichen Entwicklung aus- geschlossen werden.Der Begriff der Chancengerechtigkeit darf nicht so interpretiert werden, dass jeder Mensch nur eine Chance bekommt, und wenn er diese nicht nutzt, sein Leben lang un- ter den Folgen zu leiden hat. Wenn wir von Chancengerechtigkeit sprechen, meinen wir damit nicht die Chance im Roulette im Sinne von „Rien ne va plus!“, sondern wir meinen damit einen die gesamte Jugend begleitenden Prozess des Forderns und des Förderns. Dabei versteht es sich für uns von selbst, dass die Förderung vorrangig -3-da ansetzt, wo das Kind bzw. der Jugendliche mit Benachteiligungen aufwachsen muss.Mehr Betreuungs- und Bildungsangebote von der frühesten Jugend an, kostenfreie Ki- Ta, längeres gemeinsames Lernen, Ganztagsschule, bessere Ausbildungs- und Stu- dienförderung sind unsere Antworten auf diese Ungleichheiten. Das gilt auch und ge- rade für die Probleme, die viele – aber keineswegs alle - junge Menschen mit Migrati- onshintergrund haben.Manche Entwicklungen entziehen sich der Steuerung. Die Antwort der Landesregie- rung bezieht sich an mehreren Stellen auf die Untersuchung des Landjugendverban- des über die „Jugendverbandsarbeit auf dem Lande“. Der vordergründig widersprüch- liche Befund dieser Untersuchung war, dass zwei Drittel der auf dem Land wohnenden Jugendlichen sich dort sehr wohl fühlen, dass jedoch knapp die Hälfte gern in der Stadt wohnen würde. Bei den Jugendlichen, die in der Stadt wohnen, gibt es hingegen kaum einen Wunsch, aufs Dorf zu ziehen.Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass der ländliche Raum vor einer Entvölke- rung steht. Ich meine, es hat eher damit zu tun, dass Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen unterschiedliche Erwartungen an die Rahmenbedingungen ihres Lebens haben. In manchen Phasen ist die Zugänglichkeit zu den Infrastrukturen der Stadt, ihren Bildungsangeboten, ihrem Arbeitsmarkt, ihren Freizeiteinrichtungen, vor- rangig; in anderen Lebensphasen sind die infrastrukturellen Angebote weniger wichtig als das Milieu auf dem Lande.Jugendliche sind nicht erst dabei, Menschen zu werden, sie sind schon welche. Wir leiten daraus ab, dass sie, wo immer es geht, ihre Ansprüche selbst formulieren und ihre Rechte selbst wahrnehmen. Denn wie soll ein mündiger, entscheidungsfä- higer und engagierter Bürger oder Bürgerin heranwachsen, wenn er oder sie bis zum -4-Tage seiner Volljährigkeit nur Verfügungsmasse von Familie und Schule ist? Wir war- ten mit Spannung auf die Ergebnisse des Projektes „mitWirkung! Schleswig-Holstein“, das neue Impulse für die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendbeteiligung brin- gen wird.Es ist in diesem Zusammenhang schade, dass die Wahlstatistik uns keine klare Aus- kunft darüber gibt, wie viele Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren sich im Mai an der Kommunalwahl beteiligt haben. Es steht zu erwarten, dass die Wahlbeteiligung in dieser Altersgruppe ausbaufähig ist, aber wir alle wissen, dass dies für alle anderen Altersgruppen ebenfalls gilt. Persönlich bin ich der Auffassung, dass wir darüber nach- denken müssen, das Wahlrecht mit 16 auch auf die Wahlen zum Landtag, zum Bun- destag und zum Europäischen Parlament auszudehnen.Beteiligung darf sich natürlich nicht darauf beschränken, dass man zur Wahl gehen darf. Wir wollen, dass Jugendliche sich engagieren, aber zugleich schaffen wir immer wieder Rahmenbedingungen, die ihnen dies zumindest nicht leichter machen. Die Verdichtung des Unterrichts im 8jährigen Gymnasium, die Verschulung des Studiums durch die konsekutiven Abschlüsse Bachelor und Master machen es schwerer, neben der Konzentration auf Schule, Ausbildung und Studium Freiräume für ehrenamtli- ches Engagement zu finden. Trotz alledem haben wir in Schleswig-Holstein starke Strukturen der Jugendverbandsarbeit, die auch die Unterstützung erhält, die sie ver- dient; dafür bin ich sehr dankbar.Mit Recht stellt die Landesregierung fest, dass das geringe Interesse der meisten Ju- gendlichen an einem Engagement in einer der politischen Parteien nicht gleichbe- deutend ist mit Gleichgültigkeit gegenüber der Politik. Die meisten politischen Parteien haben zu wenig Nachwuchs und sind überaltert. Ich glaube, keine Partei kann für sich in Anspruch nehmen, Formen des Arbeitens und der Kommunikation entwickelt zu ha- ben, die für Menschen aller Altersgruppen gleichermaßen attraktiv sind. Ich bin auch -5-nicht davon überzeugt, dass es zu den von uns gewünschten Resultaten führt, wenn Jugendorganisationen politischer Parteien Freibier ausschenken.Wir haben jedoch gute Erfahrungen mit Programmen wie dem Girls’ Day gemacht, die es jungen Menschen ermöglichen, in den Betrieb Landtag einen kurzen Einblick zu nehmen. Natürlich wird nicht jeder sofort begeistertes Mitglied der jeweiligen politi- schen Partei, aber der eine oder die andere hält nicht nur den Kontakt, sondern findet auch den Weg zu einer Mitarbeit.Das setzt aber voraus, dass beide Seiten bereit sind, sich zu verändern. Wenn jemand zu einer Gruppe neu hinzu stößt, verändert sich die Gruppe dadurch und muss auch bereit sein, sich zu verändern, ebenso wie derjenige, der neu hinzukommt, akzeptieren muss, dass sich auch er oder sie selbst bis zu einem gewissen Grade ändern muss. Menschen zu integrieren, bedeutet eben auch, sie ernst zu nehmen und eigene Macht abzugeben.Wer aber für sich keine Zukunftsperspektiven mehr sieht, wird auch nicht mehr bereit sein, sich zu engagieren. Für uns steht daher weiterhin im Mittelpunkt, dass möglichst jeder Jugendliche einen Schulabschluss und eine Berufsausbildung erhalten muss und dass der Kampf gegen die Kinderarmut erste Priorität haben muss. Bund, Land und Kommunen müssen mit dem Skandal Schluss machen, dass Kinder an der Mittagsverpflegung aus Kostengründen nicht teilnehmen können.Ich möchte abschließend zunächst der Frage stellenden Fraktion und all denen, die sowohl bei der Erarbeitung der Großen Anfrage als auch bei ihrer Beantwortung mit- gewirkt haben, für diese Arbeit danken; mit dem Ergebnis lässt sich gut arbeiten. Und noch mehr will ich denen danken, die sich täglich haupt- und besonders ehrenamtlich in der Jugendarbeit in allen ihren Formen, auch und gerade in der Jugendverbandsar- beit, engagieren. -6-Ich rege an, den Bericht federführend in den Sozialausschuss und mitberatend in alle Fachausschüsse zu überweisen.