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12.11.08 , 16:48 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 11 - Pflegegesetzbuch Schleswig-Holstein

Presseinformation
Kiel, den 12. November 2008 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 11 Schleswig- Pflegegesetzbuch Schleswig-Holstein Drs. 16/2285

Viele Jahrzehnte lang gaben Menschen mit dem Einzug ins Pflegeheim ihre Rechte preis.
Sie wurden als Betreuungsfälle definiert und in innerbetriebliche Abläufe eingepasst.
Individuellen Wünschen und Vorlieben wurde selten entsprochen.
Das Heimgesetz wollte 1974 diese Missstände abschaffen, den Bewohnern mehr Rechte
einräumen und die Vertragsbeziehungen zwischen Trägern, Kostenträgern und
Bewohnern transparenter machen. Seitdem gab es viele Änderungen, die die
Bemühungen widerspiegelten, in dem Dreieck zwischen Bewohner, Personal und
Heimfinanzierung gerechte Ausgleiche zu schaffen. Das Heimgesetz hat sich dabei
allmählich von einem reinen Kontrollgesetz zu einem Koordinierungsgesetz gewandelt,
das aber immer noch deutliche Lücken hatte und sich von seiner institutionalen
Sichtweise, bei der zunächst die Interessen der Institution und erst dann die der
Bewohner befriedigt werden, nicht zu lösen vermochte. 2
Das alles ist jetzt Geschichte. Jetzt fällt den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zu.
Das ist ein Neuanfang und eine Chance, die nicht oft gewährt wird.
Der SSW begrüßt die Länderkompetenz im Heimrecht. Das ist eindeutig ein Schritt nach
vorne, weil die regionalen Besonderheiten am besten vor Ort geregelt werden können. Es
ist eben nicht so, dass alle Einrichtungen und ihre Umgebungen gleich sind. Der SSW hat
aber gleichzeitig davor gewarnt, mit der Übernahme der Länderkompetenz
Standardverschlechterungen zu akzeptieren, die beispielsweise die Zahl qualifizierter
Pflegekräfte reduziert. Wir sollten die neuen Regelungsmöglichkeiten für die
Verbesserung der Situation der Bewohnerinnen und Bewohner nutzen. Dazu verpflichtet
uns bereits die Landesverfassung.


Das neue Pflegegesetzbuch soll in Teilen die rechtliche Grundlage für Heime in
Schleswig-Holstein sein. Der Zweck des ersten von dreien Gesetzen ist die
Verwirklichung der Rechte von Erwachsenen, die stationär oder teilstationär in
Einrichtungen untergebracht sind. Nichts anderes als Erwachsene mit eigenen Rechten
sind nämlich die Pflegebedürftigen oder Menschen mit Behinderung, die dauerhaft oder
vorübergehend in Institutionen leben. Das Gesetz ermahnt uns in aller Deutlichkeit,
keinesfalls die Person hinter ihrer Behinderung oder Beeinträchtigung verschwinden zu
lassen. „Der Mensch kommt zuerst!“ Das war das Motto von Menschen, die sich nicht
mehr als unmündige Empfänger gut gemeinter Fürsorge verstanden und behandelt
wissen wollten, sondern als Menschen. Die Grundlage ist das Recht auf
Selbstbestimmung, angefangen bei der Auswahl aus verschiedenen Speisen bis hin zu
Entscheidungen der individuellen Lebensplanung. 3
Damit kann das Pflegegesetzbuch ein Meilenstein in der Pflegepolitik sein. Dahinter
sollten wir niemals mehr zurückgehen.


Wie andere Gesetze auch, sollte das neue Pflegegesetzbuch klar, transparent und
verbindlich sein.
Bezüglich der Klarheit bringt das neue Gesetze viele Fortschritte: juristische
Formulierungen wurden richtiggehend in eine klare Sprache übersetzt, zum Beispiel bei
der Definition, was ein Heim überhaupt ist. Das begrüßt der SSW ausdrücklich als Beitrag
zur besseren Zugänglichkeit des Gesetzes für Laien. Dies ist besonders wichtig, weil man
als Betroffener durchaus auf Unterstützung durch zum Beispiel Angehörige angewiesen
sein kann und diese die Rechtsgrundlagen jetzt besser verstehen können. Das trägt zur
Transparenz der Regelungen bei.
In puncto Verbindlichkeit bedeutet das Gesetz ebenfalls einen Fortschritt: Der Staat wird
verbindlich zur Umsetzung des Verfassungsauftrages verpflichtet. Er sollte diesen
Auftrag mit möglichst konkreten Regelungen in Verordnungen umsetzen, um deutlich
zu machen, dass es ihm ernst ist. Das Gesetz regelt nur das, wo es aufgrund des Grades
der Abhängigkeit des Betroffenen keine Alternative gibt.


In den Einzelregelungen ist der Wunsch nach Verbesserungen zu erkennen: Eindeutig
bekennt sich das Land beispielsweise zu seiner Finanzierungsverpflichtung der neutralen
Pflegeberatungsstellen. Hier hat Schleswig-Holstein in der Pflege genau das erreicht,
was in Sachen Drogenberatung, Familienberatung und Schuldnerberatung noch
aussteht. 4
Das Krisentelefon hat sich ebenfalls mit nahezu 300 Anrufern in 2007 bewährt. Es ist
gut, dass diese Einrichtung auf eine solide Basis gestellt wird; auch wenn im Gesetz nicht
eindeutig ein Finanzierungsträger genannt wird.


Zwei Regelungen sollten wir dagegen ändern:
Die erste betrifft den Kern der Mitbestimmung. In § 16 fehlen Fragen der
Entgeltgestaltung im Katalog der Mitwirkungsbereiche. Im Heimgesetz heißt es in § 7:
„Die Erhöhung des Entgelts bedarf außerdem der Zustimmung der Bewohnerin oder des
Bewohners.“ Der SSW fordert die Übernahme dieser Regelung auch für Schleswig-
Holstein.
Die zweite Regelung betrifft die Angehörigenmitbestimmung. Immer wieder beklagen
Angehörige, dass die Heimmitwirkungsverordnung einen Angehörigen- oder
Betreuerbeirat nicht verpflichtend geregelt hat. Das Pflegesetzbuch nimmt hier keine
materielle Verbesserung vor, sondern formuliert die Beteiligung von Angehörigen als
Soll-Vorschrift. Der SSW hat in diesem Bereich erheblichen Beratungsbedarf, der unter
anderem durch die Möglichkeit ausgelöst wird, nach dem sich seit Jahresbeginn
Menschen mit Behinderung Leistungen zur Teilhabe selber einkaufen können. Viele
Betreuer beklagen hier Beteiligungsdefizite.


Doch bei aller Kritik weist das neue Pflegegesetz in die richtige Richtung und trägt den
sich wandelnden Ansprüchen in unserer Gesellschaft Rechnung.


Da wir allesamt außerhalb der Heime leben, wissen wir nicht wirklich um den Alltag der
Bewohnerinnen und Bewohner. Darum sollten wir sie in der Anhörung zu Wort kommen 5
lassen. Dabei meine ich ausdrücklich nicht nur die Heimbeiräte, sondern auch die
Mitwirkungsorgane der Werkstätten für Behinderte und der offenen Wohnformen.

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