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12.11.08 , 17:15 Uhr
FDP

Heiner Garg: "Etikettenschwindel"

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Nr. 305/2008 Dr. Heiner Garg, MdL Stellvertretender Vorsitzender Kiel, Mittwoch, 12. November 2008 Dr. Ekkehard Klug, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Sperrfrist: Redebeginn Günther Hildebrand, MdL

Es gilt das gesprochene Wort!
Pflege/Heimgesetz
Heiner Garg: „Etikettenschwindel“ In seinem Redebeitrag zu TOP 11 (Pflegegesetzbuch Schleswig-Holstein – Zweites Buch – (PGB II) – Gesetz zur Stärkung von Selbstbestimmung und Schutz von Menschen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung) sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Dr. Heiner Garg:
„Mit der Föderalismusreform ist die Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht des Bundes auf die Länder übertragen worden. Mit einer landeseigenen Regelung wird in weiten Teilen im Bereich der öffentlichen Fürsorge die Bundesregelung ersetzt. Die Regelungen zum Heimvertrag bleiben weiterhin in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Damit kann auf landesspezifische Besonderheiten sehr viel mehr Rücksicht genommen werden. Gesetzliche Lücken können ergänzt und ohne langwierige bundesweite Abstimmungsprozesse kurzfristig angepasst werden. Der in Art. 5a Absatz 3 der Landesverfassung verankerte Auftrag kann mit Leben erfüllt werden, die Rechte und Interessen pflegebedürftiger Menschen zu schützen und eine Versorgung zu fördern, die allen Pflegebedürftigen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Die Umsetzung des Verfassungsauftrages soll nach dem Willen der Landesregierung in drei aufeinander abgestimmten Bausteinen erfolgen: Dem Heimgesetz, dem Landespflegegesetz und durch Regelungen zur Durchführung des Bundesaltenpflegegesetzes und der Altenpflegehilfe. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf ist der erste Baustein.
Auch, wenn der Titel „Gesetz zur Stärkung von Selbstbestimmung und Schutz von Menschen mit Pflegebedürftigkeit und Behinderung“ einen anderen Eindruck vermittelt: Der Entwurf ist im Prinzip nichts anderes als das Heimgesetz. Allein der Gesetzestitel suggeriert etwas anderes. Genau das ist aber das Problem:


Christian Albrecht, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2 Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist ein handwerklich und inhaltlich in weiten Teilen nicht zu beanstandender Ersatz für das bisherige Regelwerk des Bundes – auch, wenn die sektorenspezifische Gliederung im Gesetz nicht konsequent durchgehalten worden ist und dies zu einer verwirrenden Gesetzessystematik führt.
Viele Regelungen entsprechen inhaltlich den bisherigen Bestimmungen im Bundesheimgesetz. Es wurden aber von Seiten der Landesregierung im Vorfeld hohe Erwartungen geweckt1, die jetzt von den Betroffenen, Angehörigen, Heimbeiräten und Verbänden auch eingefordert werden.
Viele dieser Erwartungen erfüllt der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf nicht und wird es im Zweifel auch nicht können, wenn wir realistische Maßstäbe dafür ansetzen, was auf Landesebene tatsächlich möglich ist.
Anspruch und Wirklichkeit fallen auseinander.
Genau das hat bereits im Vorfeld zu enttäuschten Reaktionen geführt – die bei einer ehrlichen Benennung des Gesetzes, wahrscheinlich ausgeblieben, oder zumindest moderater ausgefallen wären. Wenn der Gesetzentwurf nichts anderes als ein Heimgesetz ist – das notwendiger Weise auch Regelungen von neuen Wohnformen enthalten muss – dann sollten wir es auch so nennen. Der jetzige Titel wird ansonsten zu Recht als ein Marketinggag empfunden.
Ich will das an folgenden Punkten verdeutlichen:
Sicherung und Stärkung der Mitwirkung
Allein der im Titel betonte Begriff der „Selbstbestimmungsstärkung“ suggeriert, dass künftig auf die Mitwirkung eines jeden einzelnen Bewohners in einer stationären Einrichtung besonderer Wert gelegt werden soll. Ein Vergleich des § 16 des Entwurfs mit der Regelung in § 10 des Bundesheimgesetzes (Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner) zeigt aber, dass die Landesregelung teilweise sogar hinter den Regelungen des Bundes zurückbleibt. Beispielsweise ist eine Mitwirkung der Bewohner bei Veränderungen des Entgeltes nicht vorgesehen. In § 10 des Bundesheimgesetzes ist die Mitwirkung auf die Verwaltung sowie Geschäfts- und Wirtschaftsführung des Heimes festgeschrieben, wenn besondere Leistungen aus dem Heimvertrag durch den Träger erbracht werden. Eine solche Regelung fehlt jetzt im Entwurf der Landesregierung. Konkret heißt das an dieser Stelle, dass die Selbstbestimmung nicht gestärkt, sondern geschwächt wurde.
Abgrenzung zwischen verschiedenen Einrichtungsformen Das von der Landesregierung verfolgte Prinzip von „so viel Selbstbestimmung wie möglich und so viel Schutz wie nötig“ stößt an seine Grenzen, wenn es darum geht, neue Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen gesetzlich zu definieren.
1 Eckpunktepapier der Landesregierung vom 23.04.2007; Pressemitteilung vom 20.05.2008 „Selbstbestimmung und Teilhabe stehen im Mittelpunkt“; Pressemitteilung vom 30.09.2008 „Schutz und Rechte der Menschen in Einrichtungen werden gestärkt“.
Christian Albrecht, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 3 Nicht alle Grenzfälle können im Gesetz berücksichtigt werden. Was geschieht, wenn ein Bewohner einer besonderen Einrichtung nach § 8 im Laufe der Zeit immer mehr Leistungen in Anspruch nehmen muss – so dass letztlich die Voraussetzungen einer stationären Unterbringung im Sinne des § 7 vorliegen? Wie wird in diesen Fällen die staatliche Aufsicht sicher gestellt, wenn in einer Einrichtung nach § 8 nur anlassbezogene Prüfungen erfolgen – in einer Einrichtung nach § 7 aber regelmäßig einmal im Jahr kontrolliert wird, wie in § 20 vorgeschrieben? Natürlich ist es kaum möglich im Hinblick auf die wechselnden Bewohnerstrukturen und den sich ändernden Hilfebedarf eine trennscharfe Unterscheidung im Gesetz zu definieren. Sowohl die Bewohner als auch die Einrichtungsträger einer besonderen Wohn-, Pflege- und Betreuungsform müssen sich darauf einstellen können, mit welchen behördlichen Vorgaben sie rechnen können und müssen. Das bedeutet auch, dass die gewollte Stärkung der Kundensouveränität an ihre Grenzen stoßen kann. Bisher wurde von Seiten der Landesregierung allerdings das Gegenteil kommuniziert2.
Auskunft und Beratung Der Gesetzentwurf sieht in § 3 vor, nach Maßgabe des Haushaltes ergänzend zu den bereits bestehenden Beratungsmöglichkeiten ein neutrales, niedrigschwelliges und von Eigeninteressen unabhängiges Beratungsangebot in Schleswig-Holstein zu etablieren. Welche weiteren Beratungsmöglichkeiten sollen das konkret sein? Die 8 trägerunabhängigen Beratungsstellen können es nicht sein, denn sie haben ihre Rechtsgrundlage in § 7 Landespflegegesetz. Das Pflegenottelefon kann es auch nicht sein, denn es hat seine Rechtsgrundlage in § 4 des Entwurfes. Um welche zusätzlichen Beratungsmöglichkeiten handelt es sich aber dann, wenn § 3 des Gesetzentwurfes ausdrücklich auch keine Rechtsgrundlage zur Förderung von Pflegestützpunkten nach § 92 c SGB XI3 ist? Ist es überhaupt notwendig, eine weitere Beratungsmöglichkeit zu etablieren? Angesichts der Tatsache, dass es in Schleswig-Holstein bereits die verschiedensten Beratungsmöglichkeiten durch die Pflegekassen, die Kreise und kreisfreie Städte, Institutionen, Verbänden und Aufgabenträgern gibt4 – stellt sich doch die Frage, welches Angebot hier zusätzlich geschaffen werden soll?
Fazit: Der vorgelegte Gesetzentwurf ist ein Heimgesetz, dass gegenüber der bisherigen Bundesregelung versucht, auch neue Wohn- und Betreuungsformen zu berücksichtigen. Im Vorfeld wurden sehr Erwartungen geweckt, die ein Heimgesetz – auch dieses – nicht erfüllen kann. Ob und wenn ja und in welcher Form die ein oder andere Hoffnung, die mit dem Gesetzentwurf verbunden war, doch noch erfüllt werden kann, werden die weiteren Beratungen sowie die Anhörung zeigen.


2 Pressemitteilung vom 20.05.2008: „Selbstbestimmung und Teilhabe stehen im Mittelpunkt“; Pressemitteilung vom 30.09.2008: „Schutz und Rechte der Menschen in Einrichtungen werden gestärkt“. 3 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage vom 06.10.2008, Drs.: 16/2240, zu Frage 7. 4 vgl. die Auflistung im Anhang
Christian Albrecht, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 4 Hintergrund:
Vorhandene Beratungsstrukturen in Schleswig-Holstein
• §§ 13 ff. SGB I – Grundsätzliche Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten der Sozialleistungsträger (z.B. Kranken- und Pflegekassen, Träger der Sozialhilfe). • § 7 SGB XI – Beratungspflicht der Pflegekassen gegenüber den Versicherten und deren Angehörigen. • § 37 Abs. 3 SGB XI n.F. – Beratung von Pflegegeldempfängern für selbst beschaffte Pflegehilfen zur Sicherung der Qualität häuslicher Pflege durch zugelassene Pflegeeinrichtungen oder durch die Landesverbände der Pflegekassen anerkannten Beratungsstellen. • § 45 SGB XI – Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen durch die Pflegekassen. • § 11 SGB XII – Beratungspflicht der Kreise und kreisfreien Städte zur allgemeinen sozialhilferechtliche Beratung und Unterstützung. • § 71 SGB XII - Beratungspflicht der Kreise und kreisfreien Städte als Träger der Altenhilfe. • § 4 HeimG – Beratungspflicht der Kreise und kreisfreien Städte als Heimaufsichtsbehörden • § 7 LPflegeG – Trägerunabhängige Beratungsstellen • Weitere Beratungsangebote durch Institutionen, Vereine, Verbände und Aufgabenträgern: o PflegeNotTelefon o Träger von Pflegeeinrichtungen o Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein e.V. o Landesseniorenrat o Seniorenbeiräte o Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein o Verein Patienten-Ombudsmann/-frau o Sozialverbände o Örtliche Beratungsangebote im Bereich der Selbsthilfegruppen



Christian Albrecht, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/

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