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11.12.08 , 16:14 Uhr
CDU

Peter Lehnert zu TOP 42: Fehlentwicklungen beim Umgang mit jugendlichen Gewalttätern vorbeugen

Innenpolitik
Nr. 412/08 vom 11. Dezember 2008
Peter Lehnert zu TOP 42: Fehlentwicklungen beim Umgang mit jugendlichen Gewalttätern vorbeugen
Es gilt das gesprochene Wort Sperrfrist Redebeginn
Jugendgewalt in Deutschland ist ein gesellschaftliches Problem, für das es keine Patentlösungen gibt. Eine Politik des Verschweigens, des Verharmlosens und der Tabuisierung würde mögliche Lösungsansätze allerdings verhindern. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Lebenswirklichkeit in unserem Land sich verändert hat. Bürger meiden zunehmend öffentliche Verkehrsmittel und bestimmte Bereiche aus Angst vor Jugendgewalt. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen. Rechtsfreie Räume darf es in Deutschland nicht geben. Die Menschen erwarten mit Recht, dass der Staat alles daran setzt, seine Bürger entschlossen und erfolgreich vor kriminellen Übergriffen zu schützen. Vorrangig müssen alle Maßnahmen, die den Schutz potentieller Opfer von Straftaten zum Ziel haben, umgesetzt werden. Dabei ist es hilfreich, einen Blick auf die Ausgangslage zu werfen.
Gefährliche und schwere Körperverletzungsdelikte bei Jugendlichen in Schleswig-Holstein sind in den letzten 10 Jahren um 100 Prozent gestiegen. Nach Auskunft des Innenministeriums gibt es zur Zeit landesweit 750 jugendliche Mehrfach- und Intensivtäter.
Pressesprecher Dirk Hundertmark Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de


Seite 1/4 Die jugendlichen Täter werden immer brutaler, wie der Fall zweier Jugendlicher aus Neumünster zeigt, die unlängst in den Unterricht der Pestalozzi-Schule in Neumünster stürmten, die Lehrerin in Schach hielten und einen dreizehnjährigen Schüler im Klassenraum vor allen Mitschülern so brutal misshandelten, dass er mit doppeltem Kieferbruch im Krankenhaus behandelt werden musste. Dies hat dazu geführt, dass mehrere Schulklassen nur noch bei verschlossenem Klassenraum unterrichtet werden. Außerdem wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft vor dem Vorfall einen Haftbefehl gegen den Haupttäter beantragt hatte, der jedoch nicht erlassen wurde. Warum dies nicht geschehen ist, sollten wir noch einmal einer eingehenden Prüfung unterziehen.
Diese Beispiele machen eindringlich deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Nur mit einem differenzierenden Maßnahmenkatalog kann das Problem der Jugendgewalt aktiv angepackt werden. Damit der Staat seine Bürger wirksam vor Übergriffen schützen kann, müssen präventive und repressive Maßnahmen ergriffen werden, die sich nicht ausschließen, sondern sinnvoll ergänzen. Den Blick nur auf die Prävention zu richten, ist hingegen der falsche Weg, denn es gibt keine Erfolgsgarantie, insbesondere dann nicht, wenn Betroffene und ihre Familie für vorbeugende Maßnahmen nicht zugänglich sind. Die Ursachen für Kinder- und Jugendkriminalität sind so vielfältig wie wir Menschen selbst. Dennoch sind einige immer wiederkehrende Ursachenmerkmale festzustellen, die eindeutig mit dem Milieu, in dem die Jugendlichen aufwachsen und sich bewegen, zusammenhängen.
Der Verlust von Werteorientierungen, fehlende Zukunftsperspektiven und mangelnde soziale Kompetenzen können ebenso eine Rolle spielen wie eine schlechte Ausbildung, das Wohnumfeld oder die Überforderung der Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder. Auch Gewalt in den Medien und entsprechende Einflusswirkungen kommen als Auslöser von kriminellen Verhaltensweisen, insbesondere von Gewalthandlungen, in Frage.Integrationsprobleme und eigene Gewalterfahrungen bei jungen Menschen ebenso wie mangelnde Sprachkompetenzen bei ausländischen Jugendlichen verstärken die Problemfelder. Diese kausalen Zusammenhänge werden durch sehr viele einzelne und mittlerweile soziologisch ausgewertete Biografien immer wieder bestätigt. Sie bilden einen festen und wesentlichen Bestandteil der Ursachen der Jugendgewalt. Die Schwierigkeiten im Bereich der sozialen Rahmenbedingungen erklären vieles, dürfen aber nicht als pauschale Entschuldigung herangezogen werden. Für die Tat und ihre Folgen ist vor allen Dingen der Täter selbst verantwortlich. Die wichtigsten Beiträge für eine individuelle und nachhaltige Gewaltprävention leistet eine auf Wertevermittlung ausgerichtete Erziehung

Seite 2/4 in der Familie. Schule und Freizeiteinrichtungen sollten die Erziehungsarbeit der Eltern unterstützen. Der erfolgreichen Verhinderung von Gewaltkriminalität durch eine systematische und umfassende Präventionsarbeit kommt maßgebliche Bedeutung zu. Eine flächendeckende Fortführung bewährter Programme muss systematisch verfolgt werden.
Erfolgreiche Prävention setzt allerdings voraus, dass Probleme erkannt und benannt werden. Wir müssen wissen, wo besondere Präventionsanstrengungen erforderlich sind. Die Benennung der Täter und besonders problematischer Milieus einschließlich der Herkunft darf deshalb nicht länger tabuisiert werden.
Wir müssen jugendlichen Tätern klare Grenzen setzen und durch rasche und konsequente Reaktionen den gesetzlichen Vorgaben mehr Geltung als bisher verschaffen:
Die Sanktion muss der Tat auf dem Fuße folgen. Nur eine rasche und konsequente Reaktion auf die Straftat beeindruckt jugendliche Täter. Urteile müssen deshalb schnellstmöglich ergehen, um Wirkung zu erzielen. Die verhängten Sanktionen müssen spürbar sein. Eine Staatsgewalt, die auch schwere Gewaltdelikte lediglich mit Weisungen, Verwarnungen und Auflagen ahndet, weitere Reaktionen aber zumeist ausklammert, wird von vielen jugendlichen Tätern nicht ernst genommen. Konfliktlösung ohne Gewalt müssen bestimmte jugendliche Straftäter frühzeitig lernen, nicht erst nach einer langen kriminellen Karriere. Dafür sollten wir weitere Maßnahmen zusammen mit Fachleuten diskutieren und im norddeutschen Verbund umsetzen. Insbesondere mit Hamburg gilt es, Gespräche zu führen über die Einführung von Jugendeinrichtungen offener und geschlossener Art. So erleben Jugendliche vielfach erstmals einen Alltag mit fester Struktur und Respekt vor anderen.Der Staat kann nur dann von Bürgern Zivilcourage und Einsatz fordern, wenn er selbst entschlossen genug gegen jugendliche Gewalttäter vorgeht.
Jugendliche und heranwachsende Straftäter spüren heute häufig erst nach einer Vielzahl sehr milder Sanktionen die Härte des Gesetzes. Bei Serien- und Intensivstraftätern verfehlen die uns derzeit zur Verfügung stehenden Maßnahmen nicht selten ihre Wirkung. Das Instrumentarium des Jugendstrafrechts sollte deshalb zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger ergänzt werden.
Die unionsgeführten Länder haben bereits in den Jahren 2003 bis 2006 mehrere Gesetzentwürfe zur Reformierung des Jugendstrafrechts vorgelegt:

Seite 3/4 Neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe soll es möglich sein, einen Jugendarrest als „Warnschussarrest“ zu verhängen, um dem Täter deutlicher als bisher die Konsequenzen seines Tuns vor Augen zu führen. Eine Strafaussetzung zur Bewährung darf nicht als Quasi-Freispruch empfunden werden.
Außerdem treten wir dafür ein, dass bei Gewalttätern zwischen 18 und 21 Jahren die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts in der Praxis wieder zum Regelfall wird. Der Staat und die ganze Gesellschaft müssen gemeinsam dafür sorgen, dass aus jugendlichen Ersttätern keine Mehrfach- oder Intensivtäter werden. Außerdem muss den immer schlimmer werdenden Gewaltexzessen im Bereich der Jugendkriminalität entschlossener als bisher entgegengetreten werden. Dazu bedarf es einer ungeschönten Analyse der bestehenden Problemfelder und der Überwindung ideologischer Blockaden. Nur so können Lösungen gefunden werden, die in der Realität Bestand haben und die Fehlentwicklungen beim Umgang mit jugendlichen Gewalttätern vorbeugen.
Dafür bietet der vorliegende gemeinsame Antrag von CDU und SPD eine gute Arbeitsgrundlage. Die breite Zustimmung für diesen Antrag ist ein wichtiges Signal für die schleswig-holsteinische Öffentlichkeit, dass der Landtag sich des Problems der wachsenden Jugendgewaltkriminalität entschlossen annimmt und konkrete Lösungen erarbeitet.



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