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27.01.09 , 17:14 Uhr
SPD

Rolf Fischer: Neue Arbeit zwischen Europa und Nationalstaat

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus • Postfach 7121 • 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305 • Fax: 0431/988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de
Kiel, 27.01.2009, Nr.: 019/2009



Rolf Fischer:

Neue Arbeit zwischen Europa und Nationalstaat

Die SPD-Landtagsfraktion befasst sich in einer Veranstaltung heute um 18.30 Uhr mit dem Thema „Das soziale Europa“. Dort stellt der europapolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rolf Fischer, Überlegungen zur sogenannten Flexicurity-Strategie vor, also zur Arbeitsmarktpolitik auf europäischer Ebene. Das Konzept steht unter dem Motto „Sicher – Sozial – Verantwortbar: Neue Arbeit zwischen Europa und Nationalstaat“ und enthält sechs Eckpunkte. Es hat folgenden Wortlaut:

Wir wissen heute schon, dass in absehbarer Zeit Fragen der Arbeitsmarktpolitik auf dem europäischen Markt, der ja längst ein Binnenmarkt ist, eine ebenso große Rolle spielen werden, wie auf den jeweiligen nationalen Ebenen. Arbeit, Arbeitsmarktpolitik, Wirtschafts- und Bildungspolitik sowie Fragen der Sozialpolitiken werden nicht nur vor dem europäischen Hintergrund neu definiert werden müssen, sondern sie müssen auch in noch nie da gewesener Weise aufeinander abgestimmt werden. Die marktradikalen Ideen, die in den letzten Jahren in Europa eine politische Mehrheit hatten, werden vor dem Hintergrund der Finanzkrise immer stärker in Frage gestellt. Das ist eine Chance für sozialdemokratische Gesellschaftskonzepte, die sich nicht durch eine einseitige Marktorientierung auszeichnen, sondern dem Leitbild der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet sind.
Unter dem Stichwort „Flexicurity“ entstand in Europa eine Strategie, die in ihren jeweiligen nationalen Ausformungen in Teilen schon feste Praxis ist. Sie 2



zeichnet sich ihrem Anspruch nach durch flexible Arbeitsmärkte einerseits und ein hohes Maß an sozialem Schutz andererseits aus, einschließlich guter Arbeitsbedingungen und fairer Löhne. Beide müssen in ein Gleichgewicht gebracht werden. Bislang hat die Europäische Kommission die beiden Bestandteile dieses Konzepts zu Lasten des sozialen Schutzes gewichtet und die Arbeitgeberinteressen höher bewertet.
Unsere Aufgabe als Sozialdemokraten sehen wir darin, dieses Ungleichgewicht zu korrigieren und gleichzeitig den Flexicurity-Begriff zu erweitern, indem wir auch „Gute Arbeit“ und faire Löhne einbeziehen. Die schleswig-holsteinische SPD-Landtagsfraktion legt hiermit ein Eckwertepapier vor, das eine sozial verantwortbare und auch an den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern orientierte Definition von „Flexicurity“ anstrebt.
Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf eine vom Europäischen Parlament am 22.Oktober verabschiedete Entschließung zu Tarifverträgen in der EU. Wir halten diese Entschließung für außerordentlich wichtig. Das Parlament stellt u.a. fest, dass wirtschaftliche Freiheiten so ausgelegt werden sollten, dass sie nicht die Wahrnehmung grundlegender Sozialrechte beeinträchtigen.
Ein Flexicurity-Ansatz, der Flexibilität auf Kosten des sozialen Schutzes erkauft, ist für uns nicht akzeptabel und mit unserer Idee eines Europäischen Sozialmodells unvereinbar. Wir lehnen einen solchen Ansatz vehement ab und stellen unsere sozialdemokratischen Eckpunkte dagegen.


Für uns in Schleswig-Holstein und in Europa gilt:

1. Arbeit und Beschäftigung sind sinnstiftende Elemente des menschlichen Lebens, deshalb bleibt unser Ziel Vollbeschäftigung und eine 3



entschiedene Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. Gute Arbeit in Europa ist unsere soziale Leitidee. Flexibilität und Sicherheit des Arbeitsplatzes in einem ausgewogenen Verhältnis können dazu einen Beitrag leisten.

2. Wer Vollzeit arbeitet, muss davon auch sein Leben finanzieren können. Eine Debatte darüber, wie Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt mit größtmöglicher sozialer Sicherheit verbunden werden kann, ist notwendig. Die Flexicurity-Debatte in Deutschland darf nicht als Hebel für den einseitigen Abbau von Arbeitnehmerrechten missbraucht werden. Unbefristete Beschäftigungsverhältnisse sind von hoher gesellschaftlicher Bedeutung und eine Existenz sichernde Entlohnung notwendig. Das unbefristete Normalarbeitsverhältnis muss der Regelfall bleiben. Ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn ist dringend erforderlich. Der Erhalt des Kündigungsschutzes ist für die SPD eine unverzichtbare Forderung. Auch in der Leiharbeitsbranche muss gelten: faire und gleiche Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz und gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Ein umfassendes Arbeitsrecht, das neben der Flexibilität vor allem den Schutz und die Sicherung von Arbeitnehmerrechten gewährleistet, ist ein wesentlicher Baustein unseres Flexicurity-Ansatzes.

3. Bildung, Ausbildung und Weiterbildung sind Schlüsselelemente des Flexicurity-Ansatzes. Vorschulische und schulische Bildung dürfen nicht zur Privatsache werden, sondern müssen staatlich gefördert werden. Wir setzen auf gute berufliche Ausbildung und auf das „Lebenslange Lernen“. Hierfür müssen verstärkt Konzepte ausgearbeitet, angewandt und gefördert werden. Eine neue Weiterbildungskultur muss entwickelt werden: Weiterbildung darf nicht länger Privatsache der Beschäftigten 4



sein: die Unternehmen müssen in Bezug auf Ausbildung und die Weiterbildung in die Pflicht genommen werden.

4. Ein hoher Arbeitsschutz und der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sind für die SPD unabdingbar. Die Sozialschutzsysteme müssen leistungs- und zukunftsfähig sein. Die Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung zur Beschäftigtenversicherung und insbesondere eine Bürgerversicherung im Gesundheitsbereich sind notwendiger denn je. Die solidarische Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme bleibt die Grundlage für deren Zukunftsfähigkeit.

5. Die Gleichstellung der Geschlechter muss durch gleichen Zugang für Frauen und Männer zu Arbeitsplätzen und durch gleichen Lohn für gleiche Arbeit gefördert werden. Es muss Möglichkeiten geben, Arbeitszeit und –ort flexibel zu gestalten, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen. Die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt muss sichergestellt sein – unabhängig von Geschlecht, Alter, Behinderung und Herkunft.

6. Voraussetzung für eine an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtete Flexicurity ist die soziale Verankerung der EU. Mit der Freizügigkeit von Waren, Dienstleistungen und Arbeit muss die Stärkung der betrieblichen Sozialpartnerschaften einhergehen. Das bedeutet insbesondere umfassende und wirkungsvolle Rechtsvorschriften gegen Diskriminierung, mehr Unterstützung für europaweite Tarifverträge und die Stärkung europäischer Betriebsräte. Es gilt: ohne Europäisches Sozialmodell keine Flexibilität.

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