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Karl-Martin Hentschel zum Konjunkturpaket
PresseinformationEs gilt das gesprochene Wort Landtagsfraktion TOP 29 und 35 – Investitionspaket Schleswig-Holstein Pressesprecherin Dazu sagt der Vorsitzende Claudia Jacob der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Karl-Martin Hentschel: 24105 Kiel Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Nachhaltigkeit statt Strohfeuer Nr. 067.09 / 25.02.2009Das Gutachten des Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung bestätigt das, was wir schon im Januar konstatiert haben: Das Konjunkturpaket II ist in sich wi- dersprüchlich und ineffizient.Das Konjunkturpaket sollte nicht auf den Konsum, sondern auf die Sicherung von Ar- beitsplätzen ausgerichtet sein. Dafür ist der Investitionsanteil von 14 Milliarden Euro gemessen am Gesamtumfang des Pakets von 50 Euro Milliarden viel zu gering.Das Konjunkturpaket setzt kaum auf Multiplikatoreffekte. Solche ergeben sich nur dann, wenn mit staatlichen Anreizen zusätzliche private Investitionen ausgelöst werden – und da ist im Paket Fehlanzeige.Die Steuersenkungen werden verpuffen, denn bei den beschlossenen Steuersenkun- gen geht die ärmere Hälfte der Bevölkerung komplett leer aus. Und bei den höheren Einkommen ist davon auszugehen, dass der größte Teil der Steuersenkungen in die Ersparnisse fließt. Und die angebliche Senkung der Krankenkassenbeiträge zum 01. Juli 2009 ist nur ein Täuschungsmanöver.Eine der größten Fehler, so das zitierte Gutachten, ist die Tatsache, dass den Kommu- nen das Geld – das sie zusätzlich bekommen – über die Steuersenkungen gleich wie- der weggenommen wird. Deswegen ist es fraglich, ob es mittelfristig gesehen über- haupt zusätzliche Investitionen geben wird.Niedrigere Einnahmen aus der Einkommenssteuer treffen nämlich die Kommunen so- fort. Aber auch die Wiedereinführung der Pendlerpauschale führt zur geringeren Steu- ereinnahmen der Kommunen, ebenso wie großzügigere Abschreibungsregelungen. Die steuerlichen Verluste betragen für die Gemeinden in 2009 etwa 30 Prozent der zu- sätzlichen Investitionsmittel aus dem Konjunkturpaket II und sogar 80 Prozent in 2010. Seite 1 von 4 Deshalb war es so eminent wichtig, dass bei der Befassung des Konjunkturpaketes im Bundesrat keine weiteren Steuersenkungen beschlossen wurden. Die FDP hatte sich ja im Bund und auch hier im Landtag groß aufgeplustert und mit der Ablehnung des Pa- kets durch die schwarz-gelben Länder gedroht, wenn die Steuern nicht gesenkt würden.Die Grünen hatten dagegen Zustimmung signalisiert, wenn die unsinnige Abwrackprä- mie im Sinne der Umwelt nachgebessert wird. Am Schluss hat Schwarz-Grün in Ham- burg nicht zugestimmt, während die FDP für eine lächerliche Resolution ohne jegliche Folgen einen Kotau gemacht hat. Peinlich – peinlich – meine Herren aus der gelben Ecke.Das Konjunkturpaket hat auch positive Seiten. Die wirksamste Maßnahme nach Mei- nung der Gutachter ist der zusätzliche Kinderbonus. Die 100 Euro pro Kind sind da eher viel zu wenig.Die Investitionen in den Bildungsbereich sind auch aus Grüner Sicht in Ordnung. Es geht um bauliche Maßnahmen in den Kitas, in die allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie in die Hochschulen. Die Kommunen wissen am Besten, an welchen Baustellen der Bildungsschuh am meisten drückt. Deshalb ist es auch richtig, dass die Kommunen selber die Prioritäten setzen.Es ist auch zielführend, wenn finanzschwache Kommunen nur einen Ko- Finanzierungsanteil von 12,5 Prozent tragen müssen anstatt der sonst geförderten 25 Prozent.Und natürlich begrüßen wir, dass die energetische Sanierung der Gebäude bei allen Maßnahmen Vorrang hat. Wenn weniger Energie verbraucht wird, dann werden Be- triebskosten gespart und zwar dauerhaft. Davon kann man dann Schulbücher und So- zialarbeiter bezahlen.Dazu kommt: Energetische Sanierung schafft kurzfristig qualifizierte Arbeit vor Ort für das Handwerk und den Mittelstand. Wir hoffen deshalb, dass dieses Thema auch von der Landesregierung ernst genommen und die Umsetzung kontrolliert wird.Ganz falsch ist dagegen die als Umweltprämie getarnte Abwrackprämie für neun Jahre alte PKW. Es gibt noch und nöcher Mitnahmeeffekte durch vorgezogene Ersatzkäufe. Am Schluss bleibt ein Strohfeuer.Die Reform der Kfz-Steuer nach dem CO2-Ausstoß ist zum Glück erst mal im Vermitt- lungsausschuss gelandet. Sie war weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll.Positiv an dem Paket ist wiederum die Entscheidung des Bundes, dass mit den kom- munalen Mitteln und den Landesmittel kein Straßenbau gefördert werden darf. Nur in- nerörtliche Lärmschutzmaßnahmen sind erlaubt. 2 Einzige Straßenbaumaßnahme in Schleswig-Holstein ist deshalb die Förderung der Au- tobahnumgehung von Itzehoe im Rahmen des Bundesprogramms. Wenn unsere Lan- desregierung also noch im Januar von einem großen Schub für den Straßenbau träum- te, dann hat sie sich geschnitten. Das ist erfreulich – denn dieses Land hat wirklich an- dere Probleme.Große Aufregung gab es zuletzt um das Kriterium der Zusätzlichkeit. Das Gesetz for- dert, dass die geförderten Maßnahmen zusätzlich sind. Und zwar sowohl auf das ein- zelne Vorhaben bezogen – aber auch in Bezug auf die Summe aller Investitionsausga- ben im Lande. Dabei werden aber Änderungen bei den Randbedingungen (zum Bei- spiel Steuereinnahmen, Fördermittel etc.) berücksichtigt. Das scheint mir vernünftig zu sein.Ich hoffe nur, dass unser Finanzministerium darüber gut verhandelt und nicht wieder al- les versiebt und wir dann in drei Jahren dreistellige Millionenbeträge zurückzahlen müs- sen.Wer glaubt, dass nun alles zur Zufriedenheit getan ist, hat wenig verstanden. Der Chef- volkswirt der deutschen Bank Norbert Walter hat vorgestern davor gewarnt, zu glauben, jetzt sei alles getan. Diese Krise wird uns noch lange beschäftigen, und das Konjunk- turpaket wird daran nur begrenzt etwas ändern.Was wir tatsächlich brauchen ist neuer technologischer Schub. Alle 50 Jahre trat der Kapitalismus in eine neue Phase mit einer neuen Leitindustrie. Was nach dem 2. Welt- krieg die Massenmobilisierung war, das sind im 21. Jahrhundert die Effizienztechnolo- gien und die Erneuerbaren Energien.Deshalb forderte Klaus Töpfer „Deutschland braucht jetzt einen Green New Deal“. Er knüpfte damit bewusst an den New Deal an, den Präsident Franklin D. Roosevelt nach der Wirtschaftskrise 1929 mit staatlichen Förderprogrammen einleitete. Und Sir Nicho- las Stern, ehemaliger Chefökonom der Weltbank sagte: „Es ist Zeit für eine grüne in- dustrielle Revolution.“Wenn Europa und die USA sich zum Ziel setzen, die Energiewirtschaft in den kommen- den 15 Jahren auf erneuerbare Energien umzustellen, dann kann damit ein Schub an Investitionen und die Schaffung von Millionen qualifizierter Arbeitsplätze angestoßen werden.Wenn wir uns zum Ziel setzen, in den kommenden Jahren Schritt für Schritt unseren Häuserbestand zu sanieren, dann ist das ein Investitions- und Arbeitsprogramm für die kommenden Jahrzehnte. Damit kann dann der Wärmeenergieverbrauch in Deutschland auf ein Drittel reduziert und die Abhängigkeit von Rohstoffimporten auf einen Bruchteil reduziert werden.Und für Schleswig-Holstein bedeutet das: Wenn wir diese Aufgabe ernst nehmen wür- den, dann wäre Schleswig-Holstein endlich einmal hervorragend positioniert. Wir haben 3 alles, was wir dazu brauchen: Wir haben hunderte von innovativen Firmen im Bereich der Green Technologies, die heute schon zwei Drittel ihres Umsatzes mit Exporten ver- dienen. Wir haben Forschungsstandorte mit dem Schwerpunkt erneuerbare Energien in Kiel und Flensburg. Und wir bilden jährlich hunderte von Ingenieuren neu aus, die uns in Richtung Süddeutschland, Spanien oder USA verlassen, wenn wir Ihnen nichts an- bieten können.Wir stehen vor einer neuen industriellen Revolution und die Landesregierung tut alles, um die Revolutionäre in Firmen und Universitäten auszubremsen. Stattdessen will sie Dinosauriertechnologien wie Atomkraftwerke weiterlaufen lassen und die Stromnetze, die für die erneuerbaren Energien benötigt werden, mit Kohlestrom verstopfen.Herr Marnette – wenn Sie mir nicht glauben, dann hilft es Ihnen vielleicht, wenn ich den Chefstrategen der Unternehmensberatung A. T. Kearney zitiere: „Die Energiewende ist kein Luxus für konjunkturell gute Zeiten, sondern bringt gerade in der Krise volkswirt- schaftlichen Nutzen.“Und für unsere Sozis – die ja immer von der Energiewende reden – aber tatsächlich alle unsere Anträge regelmäßig ablehnen, habe ich ein Wort von Gustav Heinemann gefun- den: „Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.“Meine Damen, meine Herren – „Wer zu spät kommt …“ – dieses Zitat brauche ich wohl nicht zu Ende zu führen. Denn Sie wissen alle, wie es geendet hat. *** 4