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Wolfgang Baasch zu TOP 22: Das Unrecht aufarbeiten, die materiellen Nachteile ausgleichen
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 25.03.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 22, Konsequenzen aus Misshandlungen und anderem Unrecht in Kinder- und Erziehungs- heimen in Schleswig-Holstein (Drucksache 16/2539)Wolfgang Baasch:Das Unrecht aufarbeiten, die materiellen Nachteile ausgleichenjahrzehntelang wurde das an den Heimkindern verübte Unrecht verdrängt, totge- schwiegen oder verharmlost. Ministerin Trauernicht sagte in der Dokumentation zum Zweiten Runden Tisch: „Die Aufarbeitung der bundesdeutschen Fürsorgeerziehung nach 1945 bis in die 1970iger Jahre ist inzwischen auch in anderen Bundesländern Thema für Länderparlamente und Regierungen. … Dabei darf auch die Frage nach fi- nanziellen Entschädigungen nicht außen vor bleiben, denn dieses Thema betrifft viele Menschen in allen Bundesländern – teilweise auch solche, die in mehreren Einrichtun- gen von unterschiedlichen Trägern in verschiedenen Ländern waren.“Am 17. Februar 2009 ist der Runde Tisch „Heimkinder“ auf Einladung des Bundesta- ges zum ersten Mal zusammengetreten. Insofern ist die Entwicklung schon über unse- ren interfraktionellen Antrag hinweg gegangen, in dem noch von einem empfohlenen Runden Tisch auf Bundesebene die Rede ist.Seine Leiterin, die frühere Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, hat klargestellt, dass es sich bei ihm nicht um ein Tribunal handelt, das Anklage, Verteidigung und Ur- teil beinhaltet; er soll in erster Linie den Betroffenen als Schlüsselpersonen des Pro- zesses der Aufklärung ein Forum verschaffen, um sich mit ihrem Erleben, ihrer Ge- schichte und ihren Forderungen für die Aufarbeitung einzubringen. Er wird aber auchHerausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-die Jugendämter, Richter an Vormundschaftsgerichten, die öffentlichen und privaten Träger solcher Einrichtungen anhören.Den auf Bundesebene geforderten regionalen Runden Tisch gibt es bei uns bereits; es werden Akten gesichert, eine wissenschaftliche Aufarbeitung ist verabredet, und mit dem früheren Landrat Gorissen haben die Betroffenen einen Ansprechpartner und Be- rater.Die Auseinandersetzung mit eigener Verantwortung hat auf mehreren Ebenen be- gonnen. So hat im Februar die katholische Deutsche Bischofskonferenz ihr Bedauern darüber bekundet, dass auch in katholischen Heimen Kindern und Jugendlichen Un- recht und schweres Leid zugefügt worden ist. In Schleswig-Holstein stellen sich auch die Mitglieder bei der Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände der Aufar- beitung der Fürsorgeerziehung in ihrer Verantwortung.Das ist gut und notwendig, denn ein Großteil der Heime war in der Hand konfessionel- ler und nicht konfessioneller Träger. Deren einschlägige Akten sind ebenso zu sichern wie auch die der schleswig-holsteinischen Kommunen. Natürlich gilt dies auch für die Betriebe, auch landwirtschaftliche Betriebe, die von der Zwangsarbeit der Heimkinder profitierten. Das heißt, wir brauchen Bestandsaufnahmen der damaligen Ereignisse und der ihnen zugrunde liegenden organisatorischen Strukturen und Denkweisen; da- zu haben der Bericht der Landesregierung und die Dokumentationen der beiden bishe- rigen Runden Tische einen Anfang geleistet.Zu dieser Aufklärung gehört eben auch das gesellschaftliche Umfeld, das diese Ein- richtungen als normale und notwendige Instrumente der Erziehung von jungen Men- schen verstanden hat. Aber auch die ganze Verkommenheit der staatlichen Obrig- keit wird beim Lesen der Dokumentationen deutlich. So haben Jugendämter einzelne junge Menschen jahrelang beobachtet, um einen Grund für das Wegsperren in Für- -3-sorgeerziehung zu finden. Unglaublich, aber Realität, und es wurde nie ein Wort der Entschuldigung an die Betroffenen gefunden.Frau Vollmer hat davon gesprochen, dass die meisten früheren Heimzöglinge noch immer ein Gefühl von unglaublicher Ohnmacht und Ausgeliefertsein empfinden. Wir müssen den ehemaligen Heimkindern verdeutlichen, dass dieses Ausgeliefertsein ein Ende hat, indem wir öffentlich machen, dass diesen jungen Menschen, egal aus wel- chen Gründen sie in Fürsorgeheimen gelandet sind, dort Unrecht widerfahren ist. Es kann nicht mit einem schulterklopfenden Wort des Bedauerns sei Bewenden haben. Für viele, wahrscheinlich die meisten Heimzöglinge, ist mit ihrer Entlassung aus dem Heim ihr Leiden nicht zu Ende gewesen, sondern das Stigma des früheren Fürsorge- zöglings, die dort erlittenen Traumatisierungen und die versäumten Chancen auf Bil- dung und Ausbildung wirkten sich für den Rest ihres Lebens aus – auch mit materiel- len Folgen.Die bisher vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten einer materiellen Wiedergut- machung reichen für diese Fällen nicht. Sie wird auch nicht ausschließlich Aufgabe der öffentlichen Hände sein, weil eben ein großer Teil der Erziehungsheime in nicht öf- fentlicher Hand war. Deswegen müssen wir aber nach Möglichkeiten suchen, die we- nigstens einen Teil der materiellen Nachteile, die diese Frauen und Männer lebenslang begleiten, auszugleichen.Wir bitten daher die Landesregierung mit unserem Antrag, uns über den Fortgang der Aufarbeitung regelmäßig zu berichten und die Arbeit der Runden Tische in Schleswig- Holstein und auf Bundesebene eng miteinander zu verbinden.Ich bitte um Unterstützung des interfraktionellen Antrages.