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26.03.09 , 11:38 Uhr
SPD

Ingrid Franzen zu TOP 16: Die Justiz in Schleswig-Holstein ist auf einem guten Weg

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 26.03.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 16, Große Anfrage Gerichte und Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein (Drucksache 16/2231)

Ingrid Franzen:

Die Justiz in Schleswig-Holstein ist auf einem guten Weg

Es gibt eine angemessene Zahl von Richterinnen und richtern sowie Staatsanwältin- nen und Staatsanwälten, konstatiert die SPD-Fachfrau für Gerichtsbarkeit Ingrid Fran- zen. Sie konzentriert ihren Redebeitrag auf die nichtrichterlichen Dienste, also Rechts- pflegerInnen ServicemitarbeiterInnen, Wachtmeister. Diese müssten ausreichend und qualifiziert vorhanden sein. Bei den Rechtspflegerinnen und -pflegern herrsche allerdings ein Mangel. Sie geht auf das Instrument der Mediation ein und betont den aus diesen Ver- fahren zu erreichenden Rechtsfrieden. Sie hebt die Bedeutung der Bewährungshilfe hervor und lehnt deren Privatisierung ab.



Die Rede im Wortlaut: Als 4. Rednerin werde ich mich im Schwerpunkt nicht den RichterInnen und Staatsan- wältInnen widmen, denen die absolute Mehrzahl der Fragen der FDP gilt. Nur soviel dazu: Nach übereinstimmender Einschätzung von Ministerium, Behördenleitungen und Personalvertretungen (Hauptrichter- und Hauptstaatsanwalträte) sind beide angemes-



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



sen ausgestattet (mit einer Stellenzahlen von 518 RichterInnen und 166-168 Staats- anwältInnen).

Ergänzend kann ich aus meiner langjährigen Erfahrung im Richterwahlausschuss be- richten – ohne meine Verschwiegenheitspflicht zu brechen -, dass Schleswig-Holstein über sowohl qualitativ wie auch quantitativ ausreichende Bewerbungen für jedwede ausgeschriebene Stelle verfügt. Daran scheitern Besetzungen also nicht.

Das Stichwort Hartz IV ist leider zu einer ABM für die Justiz geworden. Wer zahlt die Kosten? Leider gibt es keine Konnexität im Grundgesetz! Einige Zahlen zur Entwick- lung 2000-2007: Klagen plus 68%, Erledigungen plus 23% Erledigungszeiten über 18 Monate (ca 45 %) sind nicht akzeptabel für die Betroffenen. Lösungen: Neueinstellung von RichterInnen, plus 15 von 2005-2008; 1. Instanz auch in Kiel schaffen. Hier ist der Bundesgesetzgeber gefordert!

Ich möchte mich im Schwerpunkt denen widmen, die als nichtrichterliche Dienste bezeichnet werden. Was für ein negativer Begriff, wer ist damit gemeint? Das sind: Diplom-RechtspflegerInnen ServicemitarbeiterInnen (mittlerer Dienst und Schreibkräfte) Wachtmeister (einfacher Dienst).

Wenn die nicht ausreichend und qualifiziert vorhanden sind, könnten die Richter und Staatsanwälte zuhause bleiben, die Justiz einpacken.

RechtspflegerInnen: Das ist der gehobene Dienst, er leistet sein Studium an der Fachhochschule in Hildesheim. Die RechtspflegerInnen haben eine Besonderheit in den gehobenen Diensten: die InspektorInnen z. A. unmittelbar nach der Prüfung haben genau dieselben Befugnisse zur Entscheidung wie der Oberamtsrat im Nachbarzim- -3-



mer. Das macht diesen Beruf preiswert für die Justiz, aber eben auch sehr attraktiv für die Bewerber; das war auch für mich ausschlaggebend. Statt des Bedarfs von 533 Stellen bei ordentlichen Gerichten und Staatsanwaltschaf- ten gibt es nur 457; die Belastung liegt bei 1,17, die der Rechtspfleger mit Zusatzaus- bildung als Amtsanwälte sogar bei 1,45. Hier herrscht der größte Mangel, das haben alle DirektorInnen der Amtsgerichte im ganzen Land beklagt. Abhilfe kommt durch seit 2005 aber immerhin plus 23 Stellen, durch leicht erhöhte Anwärterzahlen (kein Mangel an Bewerbungen), durch Anstellung aus anderen Bundesländern - aber bleiben die? Sie kommen z. T. ohne Diplom, obwohl das in Schleswig-Holstein und Niedersachsen vorgeschrieben ist. Es lohnt sich, hier mal nachzuhaken.

Mittlerer Dienst und Schreibkräfte – Servicekräfte - bilden das Herzstück der Justiz; läuft es da nicht, läuft auch der Rest nicht. Hier haben die größten Verände- rungen stattgefunden mit der Zusammenfassung zum Servicebereich. Das war richtig, aber genauso schwierig. Ich spreche allen Beteiligten meine Hochachtung aus.

Zu diesem Bereich gehören mit einer Zusatzausbildung auch die Gerichtsvollzieher, die in der Zwangsvollstreckung hervorragende Arbeit leisten. Die SPD steht den Be- strebungen dieses Berufszweiges nach mehr Unabhängigkeit (beliehener Status) ge- nauso positiv gegenüber wie der Minister. Aber was hört man aus Berlin? Damit ist in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu rechnen. Schade, sage ich da parlamentarisch korrekt.

Bei der Justiz gibt es noch den einfachen Dienst, die WachtmeisterInnen, insgesamt über 200. Sicherheit beim Zutritt, im Sitzungssaal, bei Vorführungen und Hilfestellung für das Publikum (so nennt man bei der Justiz die rechtsuchenden BürgerInnen - ein Schelm, wer da an Zirkus denkt) und anderes sind unverzichtbare Aufgaben. Da ab 2010 alle Planstellen auf das Endamt A6 angehoben werden, können hier die Beförde- -4-



rungszeiten verkürzt werden, eine erfreuliche Nachricht, für die ich mich bedanke, Herr Minister.

Mediation heißt ein noch recht neues Instrument, das seit 2005 mit wachsender Ten- denz zunächst beim OLG und den Landesgerichten, inzwischen auch bei vielen Amts- gerichten und in der besonderen Gerichtsbarkeit von 43 ausgebildeten MediatorInnen angeboten wird. In Jena fand 2008 eine Tagung unter dem Motto „Die Zukunft der Me- diation - Handschlag statt Richterspruch“ mit über 300 Interessenten statt.

Die Zahlen in Schleswig-Holstein sind stabil mit deutlich steigender Tendenz. Die Zu- stimmung der Beteiligten zum Angebot einer Mediation von 56 % und eine Einigungs- quote von 78 % (in der Gesamtschau der Jahre 2006 und 2007) sind bemerkenswert.

Die FDP hat dieses Verfahren unter dem Gesichtspunkt der Einsparungen bei den Ge- richten abgefragt. Das ist m. E. nur ein Aspekt. Wichtiger ist der aus diesen Verfah- ren zu erreichende Rechtsfrieden, der Verzicht auf Durchpauken in allen Instanzen. Hier wird ein Weg aufgezeigt, der der immer komplexeren Lebenssituation der Men- schen gerechter werden könnte. Mit dieser Auffassung stehe ich nicht alleine. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Februar 2007 deutlich gemacht, dass die einverständliche Konfliktlösung „auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswür- dig (ist) gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung“. Bei der EU befindet sich derzeit eine Mediationsrichtlinie in Vorbereitung. Auch der deutsche Gesetzgeber, so die Erwartung der Experten, werde in nächster Zeit reagieren.

Nach jahrelang steigenden Fallzahlen (Höchststand 2005: 4750) und der dadurch er- forderlichen Verstärkung der Bewährungshilfe auf derzeit 72 Stellen (erhöht 2004 und 2005 um jeweils 5 Stellen) ist aktuell ein Rückgang der Probandenzahlen zu ver- zeichnen (2008: 4505). Im Ländervergleich steht Schleswig-Holstein seit einigen Jah- ren hinsichtlich der Fallbelastung auf dem hervorragenden Platz 2 (2008: 4505 Pro- -5-



banden, 72 Bewährungshelfer, = 1:62,5 – durchschnittliche Fallbelastung der Länder 1:80 und höher)

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bewährungshilfe sind aber über ihr „Tagesge- schäft“ hinaus besonders gefordert durch die Spezialisierung auf bestimmte Täter- gruppen – (z.B. Sexualstraftäter, jugendliche und heranwachsende Gewaltstraftäter) und die dafür nötige umfangreiche Qualifizierung. Eine wichtige Aufgabe wird ihnen auch bei der Neuordnung des Übergangsmanagements zwischen Vollzug und Entlassung zukommen, indem sie sehr frühzeitig in die Entlassungsvorbereitung ein- bezogen werden.

Dass zunehmend mehr Menschen bereit sind, ehrenamtlich die Aufgabe von Bewäh- rungshelfern zu übernehmen (2000: 13, 2005: 20, 2008: 34) begrüßen wir sehr. Wir hoffen, dass auch künftig die dafür nötige Ausbildung durch freie Träger sichergestellt werden kann. Eine Privatisierung der Bewährungshilfe, wie sie in anderen Bundes- ländern praktiziert (Baden-Württemberg) bzw. diskutiert wird, lehnen wir ab.

Meine Damen und Herren, die Antwort der Landesregierung bietet auch zu anderen Themen noch reichliche Informationen, z.B.: EDV in der Justiz. Wo steht die Justiz, wo geht es hin? Allein 10 neue Vorhaben sind genannt, ich begrüße das außerordentlich.

Zur Amtsgerichtsstrukturreform lässt sich nun nachlesen, wie die Umsetzung ge- klappt hat, insbesondere bei den Immobilien. Ob hier allerdings die erzielbaren Einspa- rungen in einem gesunden Verhältnis zu dem immensen Ärger bei der Auflösung der einzelnen Gerichte stehen, hat sich mir, ehrlich gesagt, noch nicht ganz erschlossen.

Ich möchte mit zwei Wünschen enden: Besuchen Sie Ihre Gerichte vor Ort, liebe Kol- legInnen. Dort sind Sie gern gesehene Gesprächspartner. -6-



Im Fachausschuss würde ich mich freuen, wenn auf der Grundlage dieses Berichtes Themen vertieft behandelt und begeleitet würden

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