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06.05.09 , 10:41 Uhr
SPD

Ralf Stegner zu TOP 43: Die Wirtschaft hat den Menschen zu dienen, nicht umgekehrt!

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 06.05.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 43, Zukünftige Aufstellung der HSH Nordbank (Drucksache 16/2615)

Ralf Stegner:

Die Wirtschaft hat den Menschen zu dienen, nicht umgekehrt!

Die HSH war und ist ein wichtiger Baustein der regionalen Wirtschaftsförderung und die Nummer 1 im norddeutschen Firmenkundengeschäft, so der Vorsitzende der SPD- Landtagsfraktion, Dr. Ralf Stegner, in seiner Rede. Ihre Leistungen müssen zumindest in weiten Teilen gewährleistet bleiben. Ohne einen handlungsfähigen und handelnden Staat, der sich deutlich in die Märkte einmischt, wäre alles zusammengebrochen. Stegner kritisiert, dass jetzt gerade die, die versagt haben, dem Staat, den sie ver- drängten, Versagen vorwerfen. Wenn Föderalismus richtig funktioniert, werden Risiken auf mehrere Schultern verteilt und Länderinteressen gewahrt. Für die HSH erwarten wir die Einbeziehung des Bundes, um Zukunftsrisiken zu minimieren. Eine Neuaufstel- lung und auch Reduzierung der Landesbanken ist unumgänglich.



Die Rede im Wortlaut: Auf der Homepage der HSH Nordbank wird der jetzige Vorsitzende, Herr Nonnenma- cher, mit den Worten zitiert: „Aus Fehlern nichts zu lernen wäre der nächste Fehler“. Oder, um es mit Edward Heath zu sagen: „Vor Fehlern ist niemand sicher. Das Kunst- stück besteht darin, den gleichen Fehler nicht zweimal zu machen.“ Dieses gilt gerade auch für die Neuausrichtung des Landesbankensektors, wobei – das möchte ich dann



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



noch ergänzen - es entscheidend darauf ankommt, die Ursachen der Fehler auch rich- tig zu erkennen und nicht zu vergessen, was wir eigentlich wollen.

Die HSH war und ist ein wichtiger Baustein der regionalen Wirtschaftsförderung. Sie ist gegenwärtig nicht wegzudenken bei der Finanzierung von Schiffbau, Flugzeug- bau und Luftfahrttechnik und die Nummer 1 im norddeutschen Firmenkundengeschäft. Oder anders gesagt: Landesbanken sind ein entscheidendes Instrument der regiona- len Strukturpolitik, wie es Berthold Huber, der Vorsitzend der IGM Ende April auf dem Arbeitnehmerempfang der SPD-Landtagsfraktion und des SPD-Landesverbandes in Kiel formulierte: Sie hat viel Erfahrung in ihren Kernbereichen – auch das sollte nicht leichtfertig weggeworfen werden.

Die HSH bietet hochwertige Arbeitsplätze, sie engagiert sich in der Sport- und Kultur- förderung, sie kann und sollte verstärkt als Partner für die Sparkassen wirken – als Miteigentümer sollten die Sparkassen dies auch nachdrücklich einfordern – und nicht zuletzt hat sie lange Zeit über Dividenden und Gewerbesteuerzahlungen dem Landeshaushalt und dem Haushalt der Stadt Kiel Nutzen gebracht.

Deshalb haben die Sozialdemokraten auch frühere Forderungen der FDP, die HSH bzw. die Landesbank Kiel zu verkaufen, immer abgelehnt. Unabhängig davon, wie die künftige Struktur aussieht, diese Leistungen müssen zumindest in weiten Teilen ge- währleistet bleiben.

Alle im Aufsichtsrat, auch die 4 Politiker unter den 20 Mitgliedern, haben im Rückblick mit heutigem Wissen zu viel auf Wirtschaftsprüfer, Rating-Agenturen auch Bundes- bank und Wirtschaftswissenschaft vertraut. Und hier komme ich zu den Lehren aus den Fehlern: Der Irrglaube an den allwissenden Markt, daran, dass die Börse doch sogar besser den Wohlstand organisieren könne als die Demokratie, daran, dass Pri- vate alles besser machen und der Staat sich möglichst raushalten solle, ist krachend -3-



gescheitert: Der Mensch als Akteur denkt keineswegs immer rational und der Markt bietet auch falsche Anreize. Herdentrieb, Unwissenheit, Unsicherheit und vieles mehr stören den angeblich sich selbst regulierenden Markt.

Dennoch hat das neoliberale Paradigma „Wenn jeder an sich denkt, ist an alle ge- dacht“ zu Deregulierungen und Privatisierungen in Bereichen geführt, die zu ent- scheidend für unser Wirtschaftssystem und unsere Gesellschaft ist, so dass der Staat ihr Funktionieren organisieren muss und diese nicht sich selbst überlassen werden dürfen. Teile wären gar völlig ungeeignet für den privaten Wettbewerb. Dies gilt auch und gerade für die allgemeine Daseinsvorsorge, zu der Wasser, Energie, Gesund- heit, Mobilität und letztlich auch die Kreditversorgung für alle gehört. Weswegen es im Übrigen ebenso falsch wäre, die öffentlich rechtlichen Sparkassen zu privatisieren.

Ohne einen handlungsfähigen und handelnden Staat, der sich deutlich in die ach so tollen Märkte einmischt, wäre doch hier alles zusammengebrochen und Landesbanken und Sparkassen hätten, wenn sie denn weniger wie eine private Bank agiert hätten, das riesige Finanzsystem deutlich mehr stabilisieren können. Und wir sehen allzu deutlich die finanziellen Grenzen, an die unser Land gestoßen ist.

Der umstrittene, aber legendäre Chef der Deutschen Bank, Hermann Josef Abs, sagte 1973: „Gewinn ist gut, aber nicht alles.“ Es sei wichtig, fügte er hinzu, dass der Un- ternehmer „ein waches Gespür für die Regelungen und Stimmungen in seiner gesell- schaftlichen Umwelt mitbringt und sich in jeder einzelnen Entscheidung konsequent von seiner Gesamtverantwortung gegenüber der Gesellschaft leiten lässt“. Wie anders klingen seine Nachfolger: Koppers Peanuts, Breuers Plädoyer für den Markt als fünfte Gewalt oder Ackermanns Victory-Zeichen. Es ist abstrus, wenn jetzt gerade die, die versagt haben, dem Staat, den sie verdrängten, Versagen vorwerfen, so schrieb es der kluge Heribert Prantl in einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung sehr tref- fend. -4-



Was also lernen wir daraus? Der Charme des Föderalismus ist doch – wenn dieser denn richtig funktioniert -, dass Risiken auf mehrere Schultern verteilt werden, dass Länderinteressen gewahrt bleiben und wenn es vielleicht nur eine oder wenige Institu- tionen einer Art gibt. Die zweite Föderalismuskommission scheint als Ergebnis nur noch eine Schuldenbremse Null für die Länder verankern zu wollen, entscheidender wäre aber, Länderegoismen zu überwinden, die gedeihliche Zusammenarbeit zwi- schen Bund und Ländern zu stärken – wenn es uns im Landesbankensektor gelingt, dann könnte es uns vielleicht auch einmal beim Zukunftsthema Nr. 1, nämlich der Bil- dung und Kinderbetreuung, gelingen, dessen Lösung vielfach an Ebenenegoismen scheitert.

Es gibt fürchterlich viele und wohl auch fürchterliche Bücher, die „Krise als Chance“ heißen – gemessen daran kann es nur besser werden und ich wünsche der Landesre- gierung bei den Verhandlungen mit dem Bund viel Erfolg dabei, die Interessen Schleswig-Holsteins zu vertreten, ohne die Gesamtinteressen aus den Augen zu ver- lieren. Die drei Resolutionen dieses Landtags waren und sind dafür gute Orientie- rungshilfen.

Wir erwarten also die Einbeziehung des Bundes, um Zukunftsrisiken zu minimie- ren. Die HSH ist gerade für unseren so wichtigen Industriezweig Werften nicht wegzu- denken. Dennoch scheint mir eine Neuaufstellung und auch Reduzierung der Lan- desbanken unumgänglich. Eine Bank deutscher Länder mit einer Filiale in Kiel ist keine schlechte Vorstellung. Gerade auch, um das Problem der geringen Eigenkapi- talausstattung zu lösen und wieder eine stärkere Abkopplung vom privaten Marktver- halten zu ermöglichen. Wichtig dabei ist natürlich, Schleswig-Holstein Einfluss zu si- chern, damit sowohl möglichst viele Arbeitsplätze in Kiel gehalten werden als auch nach wie vor regionalpolitisch wichtige Entscheidungen möglich sind. Es geht um -5-



grundsätzliche Entscheidungen, damit in Zukunft nicht wieder maximaler Profit, son- dern der Mensch im Mittelpunkt steht.

Wenn wir in schwieriger Lage großzügige Hilfen für die HSH Nordbank bewilligen müssen, weil es leider keine bessere Alternative gibt, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weniger belastet; wenn wir dies tun, ohne zu wissen, ob das Geschäfts- modell in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise nachhaltig tragfähig ist, dann muss für alle weiteren Schritte gelten, welchen Kompass wir anlegen. Die Menschen in Schleswig-Holstein müssen wissen, dass für uns die Wirtschaft den Menschen zu die- nen hat und nicht umgekehrt. Daran werden sich alle unsere Entscheidungen in der Zukunft messen lassen müssen.

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