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Rolf Fischer zu TOP 12: Das soziale Europa ist die Antwort auf die Globalisierung
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 08.05.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 12, Große Anfrage Soziales Europa (Drucksache 16/2611)Rolf Fischer:Das soziale Europa ist die Antwort auf die GlobalisierungDie weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise macht deutlich, so der europapolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rolf Fischer, dass wir ein sozial gerechtes und solidarisches Europa mit starken Bürgerrechten und klaren Rechten für die Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer brauchen. Europa wurde bisher fast ausschließlich wirt- schaftlich und damit zu Lasten der Menschen definiert. Auch im europäischen Bin- nenmarkt müssen soziale und ökologische Regeln gelten. Deshalb muss zur Wirt- schafts- und Währungsunion eine neue starke und funktionstüchtige Sozialunion da- zukommen. In Europa muss es das höchstmögliche Maß an sozialem Schutz geben. Dazu gehört ein europäischer Pakt für Arbeit mit dem Ausbau der Arbeitnehmerrechte und umfassenden Bildungsprogrammen.Die Rede im Wortlaut: Gestern trafen sich wenige Staaten zum europäischen Beschäftigungsgipfel in Prag. So gut es ist, das man miteinander redet, so enttäuschend ist es, dass in dieser aktuel- len Krise nur wenige teilnahmen und keine konkreten Maßnahmen beschlossen wur- den.Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-Noch immer ist die Frage der Arbeitszeiten chaotisch geregelt; noch immer gibt keinen Schutzschirm für Beschäftigung; noch immer sind die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unzureichend geschützt. Das ist kaum erträglich, vor allem es ist unverantwortlich.Weil das so ist, brauchen wir das soziale Europa, brauchen wir ein Europa, in dem die Menschen und nicht die Märkte im Mittelpunkt stehen. Wir wollen, dass Europa Träger einer neuen Hoffnung, eines neuen Versprechens wird: Wir wollen ein sozial gerechtes und solidarisches Europa mit starken Bürgerrechten und klaren Rechten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Solange dies nicht erfüllt ist, werden die Menschen die Chancen, die Europa ihnen bietet, nicht erkennen, und vor allem wer- den sie sich nicht mit Europa identifizieren.Ein Europa, in Solidarität geeint, politisch stark, sozial und demokratisch erfolgreich – das ist unsere Antwort auf die neue soziale Frage im 21. Jahrhundert. Gerade die Fi- nanz- und Wirtschaftskrise zeigt: Europa braucht nicht weniger, Europa braucht mehr Europa! Deshalb ist die Europawahl in vier Wochen eine Richtungsentscheidung. Wir wollen, dass sie zu einem Signal des Aufbruchs für ein starkes und soziales Euro- pa der Zukunft wird.Europa wurde in der Vergangenheit fast ausschließlich wirtschaftlich definiert, von der Montanunion bis zur Wirtschaftsgemeinschaft. Heute wissen wir, dass diese Einseitig- keit zu Lasten der Menschen geht. Und deshalb stellen sie Bedingungen an dieses Eu- ropa. Bedingungen, die wir aufnehmen wollen und müssen.Das fällt uns Sozialdemokraten leicht, denn unsere Vorstellungen von Europa entspre- chen diesen Bedingungen: Wir wollen, dass Wirtschaften auch auf europäischer Ebene in eine soziale und politische Ordnung eingefasst ist. Auch im europäi- schen Binnenmarkt müssen soziale und ökologische Regeln gelten. -3-Wenn wir eines zurzeit erfahren, dann ist es dies: Die Märkte und ihre Macher, die im- mer den individuellen Profit vor das Gemeinwohl gesetzt haben, sind endgültig ge- scheitert. Und weil das so ist, müssen wir neben die reine Wirtschafts- und Wäh- rungsunion eine neue starke und funktionstüchtige Sozialunion stellen! Das ist übrigens nicht nur unser politisches Ziel, das ist auch gute europäische Tradition.Sozialstaatlichkeit ist die Antwort auf die Globalisierung. Sie ist eine europäische Antwort und wir wollen sie weiter entwickeln. Und wir sagen deutlich: In Europa dürfen nicht soziale Mindeststandards regieren, sondern das höchstmögliche Maß an sozia- lem Schutz.So tragisch es ist, dass aus vielen europäischen Milliardären mittlerweile nur noch Mil- lionäre geworden sind, so tragisch es ist, dass die Gehälter der Vorstandsvorsitzenden plötzlich öffentlich diskutiert werden, so hält sich mein Mitleid doch in engen Grenzen. Denn weit tragischer ist das Steigen der europäischen Arbeitslosenquote; weit tra- gischer ist die damit verbundene Armut vieler Menschen; und weit tragischer ist, dass es auf der europäischen Ebene viel zu wenige Möglichkeiten gibt, dagegen anzuge- hen.Deshalb brauchen wir einen europäischen Pakt für Arbeit; deshalb wollen wir den Ausbau der Arbeitnehmerrechte; deshalb brauchen wir starke europäische Betriebsrä- te; deshalb stärken wir die Tarifautonomie. Dass in diesen Zusammenhang auch der gesetzliche Mindestlohn für Deutschland gehört, in Europa längst Standard, ist ebenso selbstverständlich wie richtig! Ohne diese Instrumente wird es kein soziales Europa geben.Wenn unser Spitzeneuropäer Martin Schulz letztens darauf hinwies, dass sich Sarkozy im Europaparlament wie Karl Marx im Exil anhört, dann wird noch etwas anderes deut- -4-lich: Wenn die Konjunktur schwächelt, dann sind plötzlich alle sozial. Und wenn die Krise vorbei ist, dann sind die guten Vorsätze schnell vergessen.Ein Zurück aber wäre fatal. Gerade jetzt muss die Europäische Union soziale Verant- wortung beweisen! Der Soziologe Ulrich Beck warnt vor diesem Scheitern und spricht sich für eine gemeinsame Finanzpolitik, eine gemeinsame Steuerpolitik, Indust- rie- und Sozialpolitik der EU aus. „Gerade die Krise“, so schreibt er, „könnte verwan- delt werden in eine Neubegründung der EU.“ Diese Neubegründung muss ein soziales Europa sein, zu dem auch eine starke europäische Bildungspolitik gehört.Wenn wir den Aufstieg durch Bildung wollen, wenn wir Mobilität verlangen, wenn wir sogar die Voraussetzungen dafür durch europäische Programme schaffen; dann müs- sen wir auch dafür sorgen, dass alle diese Chancen nutzen können, dass alle dabei sind und alle Talente gefördert werden!Wir wollen ein europäisches Recht auf Weiterbildung, wir wollen die sprachliche Bil- dung fördern, wir wollen endlich die bessere Anerkennung von Bildungsabschlüssen aller Stufen. Und wir wollen, dass die Bildungsprogramme der EU noch stärker Aus- zubildende und junge Berufseinsteiger einbeziehen. Und wenn wir eines von Europa lernen, dann ist es das: wir brauchen mehr Betreuungsangebote für Kinder, mehr Ganztagsschulen, mehr gemeinschaftliches Lernen in unseren Schulen.In der Antwort der Landesregierung wird auch auf die soziale Verantwortung von Un- ternehmen eingegangen, d.h. soziale und ökologische Belange in ihrer Unternehmens- tätigkeit zu berücksichtigen, wie übrigens von der Europäischen Kommission vorge- schlagen. Ich begrüße es außerordentlich, dass die Landesregierung das europäische Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) unterstützt und finanziell fördert. Allerdings ist CSR noch freiwillig; das erscheint mir zu wenig: Hier würde ich mir eine -5-stärkere europäische Initiative wünschen, die diese soziale und ethische Verantwor- tung der Unternehmen nachprüfbar einfordert und Verstöße dann auch ahndet.Das wäre soziales Europa, denn wenn der nationale Rahmen nicht mehr ausreicht, die sozialen Rechte von Menschen zu schützen, dann müssen wir die gleichen Rechte auf europäischer Ebene einführen und absichern. Soziales Europa heißt für uns: • solidarisch finanzierte Sozialsysteme für die Absicherung im Alter und gegen Arbeitslosigkeit und Krankheit; • für alle Bürgerinnen und Bürger zugängliche Dienste der öffentlichen Da- seinsvorsorge und • das Recht auf demokratische Mitbestimmung.Willy Brandt hat es 1979 so formuliert: „Dieses Europa gehört uns allen. Es ist uns gemeinsam anvertraut. Was wir anstreben, ist eine Gesellschaft, die frei von Furcht ist, mit Hoffnungen und Chancen für alle Menschen.“