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16.07.09 , 16:04 Uhr
SPD

Jürgen Weber zu TOP 23: Umsetzungsprobleme sind kein Argument gegen die neue Studienstruktur

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 16.07.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 23: Studierfähigkeit von Bachelor- und Master-Studiengängen (Drucksache 16/2713)

Jürgen Weber:

Umsetzungsprobleme sind kein Argument gegen die neue Studienstruktur

Es gab und gibt keine Alternative dazu, dass sich Deutschland dem Bologna-Prozess zur Vereinheitlichung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums angeschlos- sen hat. Das ist ein internationales Großprojekt, das weit über den Kreis der EU hin- ausreicht. Deshalb war es richtig, vergleichbare Strukturen als Voraussetzung für die Durchlässigkeit während und nach dem Studium zu schaffen.

Aber die Umsetzung an den Hochschulen läuft nicht glatt. Das war bei einer Reform dieser Größenordnung vielleicht auch nicht anders zu erwarten. Die Probleme gehen allerdings mancherorts an die Substanz. Deswegen ist eine kritische Zwischenbilanz richtig und sinnvoll, wie sie von vielen Studierenden in den vergangenen Wochen mit dem Bildungsstreik, mit vielfältigen Aktionen gezogen wurde.

Kritikpunkte, die immer wieder vorgebracht werden, sind: - eine Verschulung, also eine zu starke Reglementierung des Studiums, - wenig Freiraum zur eigenen Schwerpunktsetzung oder gar für Studieninhal- te, die nicht unmittelbar zum eigenen Curriculum gehören, - zu wenig Spielraum für Erwerbstätigkeit oder Ehrenamt.



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



Das wiederum führt dazu, dass die angestrebte Internationalisierung auf sich warten lässt und in den Bachelor-Studiengängen zurzeit nur rund 15 % der deutschen Studie- renden ein oder mehrere Auslandssemester absolvieren.

Die Probleme sind eine unheilvolle Mischung aus - überbordender Akkreditierungsbürokratie, - unnötigen und zum Teil unfairen Selektionsmechanismen, - immer stärker ausufernden Auflagen und unsinnigen Anforderungen - sowie Überforderung von personellen und sachlichen Ressourcen.

Dazu nur ein paar Beispiele:

1. Die Forderung, dass die neuen Studiengänge spezielle Profile haben müssten und sich auch inhaltlich von den alten „Magister- oder Diplom-Studiengängen“ unterscheiden sollten, hat zu einer „Irgendwie anders sein“-Mentalität geführt. Die Verpflichtung zu speziellen Profilen vermindert aber die Mobilität der Studie- renden, da es teilweise doch recht merkwürdige curriculare Inhalte gibt, um die- se Spezialisierung nachzuweisen., und sie gerät immer häufiger in Widerspruch zu einer gewünschten Vereinheitlichung und Mobilität der Studierenden.

2. Die neuen Studiengänge sollen sich auch inhaltlich von ihren Vorgängern un- terscheiden. Das hat gerade im naturwissenschaftlichen Bereich zu Unver- ständnis geführt. Was bitte schön soll an der Quantenmechanik der Halbleiter im Master anders sein als im Diplom? Und der Mathematik ist es egal, ob sie im Bachelor oder im Vordiplom unterrichtet wird. Das spricht nicht gegen die neuen Studiengänge, sondern wirft Fragen bei der Umsetzung der Modularisierung auf. -3-



3. Der Abschluss Bachelor wurde gegen viele Zweifel per KMK-Beschluss als be- rufsqualifizierend definiert. Aber in der Chemie gilt erst die Promotion als be- rufsqualifizierend. Bei den staatlich kontrollierten Studiengängen wie Jura oder Medizin hat deshalb die Umstellung auch gar nicht erst stattgefunden, und zum anderen erkennt das Land selbst schließlich erst im Lehramt den Master als be- rufsqualifizierend an.

4. Ein weiteres Problemfeld sind die Leistungsnachweise. Abschlüsse werden nicht mehr in einer Abschlussprüfung erworben, sondern setzen sich aus vielen Teilprüfungen zusammen. Wegen der Mobilität der Studierenden wurden eher kleine Module gewählt, so dass bis zum Erwerb eines Bachelors 25 Prüfungen und mehr bestanden werden müssen. Da alle Prüfungen bestanden werden müssen, um den Abschluss zu bekom- men, und die Zahl der Anläufe begrenzt ist, hat sich die Misserfolgswahrschein- lichkeit deutlich erhöht und auch faktisch sind die Abbruchquoten gestiegen.

Und schließlich soll nicht vergessen werden, dass es sozial selektiv ist, wenn Studie- rende, die arbeiten müssen und/oder Kinder betreuen, bisher nicht auf eine längere Studiendauer ausweichen können. Damit sinken die Noten und zugleich die Chance auf einen Master-Studienplatz.

Regierung, Parlament und Hochschulverwaltungen müssen diese Kritik überprüfen, um die pauschale Ablehnung notwendiger Strukturveränderungen von berechtigten Beschwerden gegen Fehlentwicklungen zu unterscheiden. Das Kernproblem ist aus meiner Sicht die Ausgestaltung und die Länge des Bachelorstudiums, wo neben sechssemestrigen auch sieben- oder achtsemestrige Studiengänge stehen. -4-



Der Antrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN stellt zu Recht fest, dass Wirtschaft und öffentliche Institutionen noch nicht hinreichend Berufsbilder entwickelt haben, die zum Bachelor-Abschluss passen.

Wir sollten nicht ins andere Extrem verfallen und die neuen Studienstrukturen für einen Fehlschlag erklären. In vielen Studiengängen, vor allem an den Fachhochschulen, sind seit langem erfolgreiche konsekutive Studiengänge implementiert; und Umsetzungs- probleme an den Hochschulen sind kein Argument gegen die neue Studienstruktur an sich.

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