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Anke Spoorendonk zu - Vorzeitige Beendigung der 16. Wahlperiode (Vertrauensfrage)
PresseinformationKiel, den 22.07.2009 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkVorzeitige Beendigung der 16. Wahlperiode durch den Ministerpräsidenten (Vertrauensfrage)Es ist gar nicht einfach, hier noch etwas zu sagen, denn die Vorgänge der vergangenen Tagehinterlassen einen zunächst sprachlos. Der Verfall der politischen Kultur in Schleswig-Holsteingeht so rapide vonstatten, dass man nur fassungslos zusehen kann. Der anschwellendeMachthunger einiger Politiker zermalmt gerade das seit 1988 mühsam wiederaufgebauteRenommee unseres Landes. In den Kommentaren der Medien sind längst wieder die NamenBarschel und Engholm gefallen. Schleswig-Holstein ist wieder zum Synonym für politischenSkandal und für das unsaubere Miteinander von CDU- und SPD-Politikern geworden.Niemand zweifelt daran, dass der politische Verfall längst ein Stadium erreicht hat, das eineVertrauensabstimmung rechtfertigt. Hätte es wirklich noch eines Beweises bedurft, dass dieseRegierung schon lange ihre Mindesthaltbarkeitsdauer überschritten hat, dann haben dieunversöhnlichen Diskussionsbeiträge, die Lügenbezichtigungen und Halbwahrheiten der SPDund der CDU ihn in den letzten Tagen hinreichend geliefert. Diese Koalition ist schon vor zweiJahren verdorben, und die Bevölkerung hat längst gemerkt, dass hier etwas zum Himmel stinkt. 2Einen deutlicheren Wink als drei Umfragen, die unabhängig voneinander die Große Koalitionvom Spielfeld schicken, kann es kaum geben. Die Bevölkerung hat das Vertrauen in dieseRegierung verloren, und das sollten wir respektieren.Nachdem die SPD nicht gewillt war, selbst daraus die Konsequenz zu ziehen, stimmen wir heuteüber das Vertrauen in den Ministerpräsidenten und sein neues Kabinett von freiwilligen undunfreiwilligen Superministern ab. Aber das ändert nichts daran, dass es noch einmal um diegesamte Koalition und um ihr plötzliches Ende geht. In den letzten Tagen gibt es jeden Tag neueBeschuldigungen. Jeder schiebt die Schuld auf den anderen. Dabei hat auch die Öffentlichkeitschon längst gemerkt, dass für beide Parteien eine Unschuldsvermutung vollkommen fehl amPlatze wäre. Es gehören immer zwei zum Tangotanzen, und den Todestanz dieses Regierungs-bündnisses haben Ralf Stegner und Peter Harry Carstensen schon ausgiebig geprobt. Deshalbsei der SPD auch nochmals angeraten, endlich die Rolle des Unschuldslamms aufzugeben, die ihrohnehin niemand mehr abnimmt. Angesichts der Form der Zusammenarbeit, die der SPD-Fraktionsvorsitzende in den letzten zwei Jahren gewählt hat, kann die SPD nicht glaubwürdigüber eine böse CDU lamentieren. Ralf Stegner hat selbst dieses Bündnis mehrfach in Situationengebracht, wo alle Welt Verständnis gehabt hätte, wenn die CDU vielen Dank und aufWiedersehen gesagt hätte. Deshalb nimmt ihm niemand die Opferrolle ab.Dies gilt allerdings ebenso für Peter Harry Carstensen. Der Gute-Laune-MP kann seit dem Beginnder Finanzkrise nicht mehr Punkten, weil an der Spitze des Landes jetzt ein handlungsstarkerPolitiker gefragt ist. Da liegt es nahe, den Koalitionspartner dafür verantwortlich zu machen,dass die Bilanz seiner Regierung auf einen Bierdeckel passt. Der Versuch des Minister-präsidenten, seine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit und seine mäßige Politik allein mit RalfStegner zu entschuldigen, ist einfach erbärmlich. Für den Bruch der Koalition trägt er ebenso vielVerantwortung, denn natürlich ist auch Carstensens Weste bei den Schulhofprügeleien derGroßen Koalition nicht weiß geblieben. Er hat es bisher nur besser verstanden, den eiskaltenMachtpolitiker hinter der Maske einer menschlich-naiven Unschuld vom Lande zu verbergen. 3Seine Taktik, den Koalitionsbruch monatelang hinauszuzögern, um am Tag der Bundestagswahlauch den Landtag wählen zu lassen, und der unwürdig kurzfristige Rausschmiss der SPD-Minister sprechen aber für sich. Offen, anständig und vertrauenswürdig sieht anders aus.Peter Harry Carstensen muss sich hier und heute aber vor allem für das verantworten, was erund seine Koalition in den letzten vier Jahren getan hat – und was sie nicht auf die Reihebekommen haben.Eines hat der Ministerpräsident mit Sicherheit in den ersten vier Jahren gekonnt. Er hat esgeschafft, beliebt zu werden, wie kaum ein Regierungschef vor ihm. Der „Ich-kümmere-mich-persönlich-drum“-Ministerpräsident Carstensen hat persönlich Starterlaubnisse fürPrivatflugzeuge und Baugenehmigungen besorgt. Bei einem Besuch bei der Museumswerft inFlensburg, wo der Leiter erklärte, ihm fehle ein bestimmtes Holz, das schwer zu beschaffen sei,griff der Ministerpräsident sofort zum Telefon um den Holzhändler seines Vertrauens anzurufen.Das ist die Politik von Peter Harry Carstensen – und das kam lange gut an. Insofern hat er eszumindest am Anfang der Karriere geschafft, das Vertrauen in sein Amt und in die Landespolitikzu stärken. Er hat es auch vermocht, als Moderator eine Koalition zusammenzuhalten, die vonAnfang an nicht richtig zusammenhing und immer größere Fliehkräfte entwickelte. Das ist eineLeistung, die wir vom SSW auch mehrfach gelobt haben. Nur, die Kehrseite dieser Rolle ist, dassPeter Harry Carstensen nie eine eigene Politik hatte. In den wirklich wichtigen Fragen hat erandere für sich arbeiten lassen, nicht zuletzt die gefeuerten SPD-Minister, und in der Finanz- undWirtschaftskrise stand die Regierung ohne Führung da.Als die HSH Nordbank und mit ihr das Land Schleswig-Holstein im Winter 2008/2009 vor demfinanziellen Abgrund stand, war der Ministerpräsident abgetaucht. Er duckte sich weg und ließseinen Finanzminister gewähren, der konsequent die Pläne des HSH-Chefs Nonnenmacherumsetzte. Ein Krisenmanagement des Regierungschefs gab es nicht. Das Beispiel HSH Nordbankist das krasseste, aber man kann noch eine Reihe weiterer zentraler politischer Diskussionen 4nennen, in denen der Ministerpräsident durch Abwesenheit glänzte. In kaum einer Frage war derChef durch eigene Positionen sichtbar. Nur, wenn Projekte der Koalition ihm und seinem Imagegefährlich wurden, kümmerte er sich und sammelte die Politik der Koalition eigenmächtigwieder ein, so zum Beispiel bei den Schülerbeförderungsgebühren oder der Kreisgebietsreform.Dass Carstensen in den letzten Wochen große Töne zum AKW-Krümmel spuckte und Pläne zurHaushaltssanierung vorlegte – beides übrigens ohne konkrete Konsequenzen –, dürfen wir mitdem Wissen von heute getrost dem Vorwahlkampf zuschreiben. Wenn wir Peter HarryCarstensen in den letzten vier Jahren einmal politisch erlebt haben, dann ging es um seinepersönlichen machtpolitischen Interessen. Eigene politische Vorstellungen, wie dieses Landbesser und zukunftssicher zu gestalten ist, und eigene Vorschläge zur Lösung der großenProbleme des Landes hat er noch nie zum Besten gegeben.Schleswig-Holstein braucht heute nicht zuerst einen Ministerpräsidenten, der sich alsLandesvater und Ober-Bürgerbeauftragten versteht, sondern einen qualifizierten, handlungs-starken Regierungschef, der mit den Folgen der Finanzkrise und anderen ungelösten Problemenumgehen kann. Eben deshalb, weil wir nicht das Vertrauen haben, dass Peter Harry Carstensendie erforderlichen Qualifikationen hat, um die großen Probleme des Landes zu lösen und diesesLand zu gestalten, wird der SSW dem Ministerpräsidenten nicht das Vertrauen aussprechen.-Zur Vertrauensfrage gehört aber auch eine Bewertung der Koalition, die diesen Minister-präsidenten gewählt und getragen hat. Ohne die Fraktionen und Parteien wäre die Politik undNicht-Politik von Peter Harry Carstensen gar nicht möglich wesen. Im öffentlichen Bewusstseinist diese Regierungskrise zunächst ein Duell zwischen zwei Männern, aber die Wahrheit istnatürlich komplizierter. Es geht hier nicht um einen Kampf der Titanen, sondern eher um einenHahnenkampf, bei dem die Zuschauer zwischen Schaulust und Angewidert-Sein schwanken.Diese Situation konnte erst dadurch entstehen, dass die meisten in der CDU und der SPD viel zu 5lange zugeschaut haben, ohne etwas zu unternehmen. Natürlich tragen die CDU und die SPD inSchleswig-Holstein eine große Verantwortung dafür, was in den letzten Jahren geschehen ist.Sie haben Peter Harry Carstensen und Ralf Stegner gewähren lassen und falsch beraten. Siehaben keine Kompromisse zustande gebracht oder faule Kompromisse abgeschlossen. Sie habeneine Politik mitgetragen, die sie selbst nur schwer oder gar nicht verteidigen konnten. Kurz, dieMitverantwortung für die Große Koalition tragen alle Abgeordneten, Regierungsmitglieder undParteifürsten der CDU und der SPD in Schleswig-Holstein.Die CDU hat hingenommen, dass Peter Harry Carstensen eine unpolitische One-Man-Showdurchzog, ohne ihm eine politisch-inhaltliche Führung abzuverlangen. Sie hat sich in derpersönlichen Popularität des Ministerpräsidenten gesonnt und viel zu lange akzeptiert, dasswichtige politische Fragen nicht Aufgabe des Ministerpräsidenten waren. Viele andere CDU-Politiker haben zwar erkannt, dass auch das unmittelbare Umfeld des Ministerpräsidenten seinHandwerk nicht versteht, aber sie haben viel zu spät interveniert. Erst im April 2009, nachdemder Schaden durch das dilettantische Management der HSH Nordbank-Krise geschehen war, hatdie CDU-Landtagsfraktion gegen die miserable Arbeit der Staatskanzlei rebelliert. Und letztlichhat sie sich auf den Pott setzen lassen und sich damit zufrieden gegeben, dass eine „arme Seele“geopfert wurde, nämlich der Regierungssprecher, der es nicht verstanden hatte, das Versagendes Ministerpräsidenten ins rechte Licht zu rücken.Wie dilettantisch diese Staatskanzlei arbeitet, lässt sich übrigens auch blendend an der jüngstenAffäre um das Schreiben des Ministerpräsidenten an den Landtagspräsidenten zu den Sonder-zahlungen für HSH-Chef Nonnenmacher ablesen. Dass Peter Harry Carstensen eine solchestümperhafte Arbeit auch noch unterschreibt, zeigt nur, wie wenig er sich um die wichtigenFragen kümmert. Mir wird angst und bange, wenn ich daran denke, was der Ministerpräsidentsonst noch unterschrieben haben könnte. 6Aber auch die SPD hat Vertrauen eingebüßt. Sie ist diesem Ministerpräsidenten gefolgt und siehat zentrale Positionen über Bord geworfen, um an der Macht zu bleiben. Der größte Sündenfalldieser SPD war es, ein Polizeigesetz des Innenministers Stegner zu unterstützen, das sich nichteinmal ein Otto Schily getraut hätte. Der größte Fehler war es, dem lästigen Innenminister RalfStegner mit dem Fraktionsvorsitz genau die Position in der SPD zu geben, auf der er am bestenseine Neigung zu ungezügelten Attacken auf Freund und Feind ausleben konnte. Und ich musssagen, es ist auch enttäuschend, dass Ex-Justizminister Döring nun, wo er seinen Dienstwagenlosgeworden ist, plötzlich mit der ungeschminkten Wahrheit über die HSH Nordbankherausrückt. Er hat einen Amtseid geleistet, der ihn verpflichtet hätte, schon vorher Tacheles zureden.Durch das Festhalten an einer maroden Koalition haben die CDU und die SPD gemeinsamVertrauen verspielt. Ihre Parteichefs haben so viele taktische Pirouetten gedreht, dass sie längstden Horizont des politischen Anstands aus den Augen verloren haben. Was Schleswig-Holsteingerade geboten bekommt, ist einfach unterirdisch. Der Preis für diesen Kamikaze-Wahlkampf istunermesslich hoch, denn viele Bürgerinnen und Bürger wenden sich angewidert von der Landes-politik ab. Der Schaden für die Demokratie in Schleswig-Holstein reicht weit über die Landtags-wahl hinaus. Deshalb fordern wir Peter Harry Carstensen und Ralf Stegner nochmals auf, sichendlich zusammenzureißen und der Verantwortung gerecht zu werden, die ihnen als die heraus-ragenden Vertreter der beiden Volksparteien im Land obliegt. Sollten sie es nicht schaffen, zueiner sachlichen Auseinandersetzung zurück zu finden, dann kann man nur hoffen, dass anderedie Verantwortung übernehmen und das Ruder an bessere Politiker übergeben. Denn das, waswir im Moment erleben, kann man den Menschen in Schleswig-Holstein nicht bieten.Seit Beginn dieser Wahlperiode hat die Politik in Schleswig-Holstein sehr viel von ihrerGlaubwürdigkeit und ihrer Würde verloren. Unser Land braucht dringend politische Leitfiguren,die abrüsten können – die Vertrauen schaffen, ohne Waffen. Denn das Vertrauen ist erst einmaldahin.