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Lars Harms zu TOP01a - Regierungserklärung zu den Vorkommnissen im KKW Krümmel
PresseinformationKiel, den 23.07.2009 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 1A Regierungserklärung zu den Vorkommnissen im Kernkraftwerk Krümmel Drs. 16/2789 Wie schön muss es doch sein, wenn man als Energieversorger einen alten Atomreaktor betreibt,der bereits seit Jahren abgeschrieben ist und der nur noch Geld in Millionenhöhe abwirft.Schöner kann es für den Energieversorger nur noch werden, wenn die Laufzeit seines Reaktorsdurch politische Entscheidungen noch verlängert wird, obwohl der Reaktor eine Panne nach deranderen einfährt. Das wäre wohl aus Sicht der großen Atomkraftwerksbetreiber in Deutschlandder Glücksfall auf Erden. Für uns als SSW gilt, wir werden politisch alles daran setzen, dass dieserFall nicht eintritt.Die alten Atommeiler sind nicht so sicher, wie es ihre Betreiber und die politischenAtombefürworter immer gerne darstellen. Insbesondere wird dies am Meiler in Krümmeldeutlich. Dort steht der Pannenmeiler der Nation. Er und sein Betreiber machen wieder negativeSchlagzeilen wie schon lange nicht. Und dass es in den letzten zwei Jahren nichts über ihn zulesen gab, liegt nur daran, dass er abgeschaltet war.Als der Meiler am 19. Juni – nach rund zwei Jahren Reparaturzeit – wieder angefahren werdendurfte, wurde der Pannenreaktor nur vier Tage danach seinem Spitznamen wieder gerecht. Man 2fragt sich, was hat Vattenfall eigentlich in den zwei Jahren gemacht, um den Meiler wieder aufVordermann zu bringen? Augenscheinlich nichts!Im Verlauf, seit dem 23. Juni wird deutlich, dass sich nicht nur einige der Ereignisse mit denenvon vor zwei Jahren spiegeln, sondern auch das Verhalten von Vattenfall hat sich seit 2007 nichtgeändert. Soll heißen, die Kritik an der Informationspolitik von Vattenfall, die nach den Störfällenvon 2007 laut wurde, hat nicht gefruchtet. Was hat Vattenfall an seinen Strukturen geändert?Offensichtlich nichts.Ebenso hat Vattenfall es nicht für notwendig erachtet, bestimmte Vorgaben derGenehmigungsbehörde einzuhalten. Es gibt also auch diesmal Anlass genug, zu hinterfragen, obnicht durch eine bessere gesetzliche Grundlage für mehr Sicherheit für die Menschen gesorgtwerden muss. Dabei spielt die Frage, ob man für oder gegen die Kernenergie ist, keine Rolle.Sicherheit hat Vorrang vor allen anderen Erwägungen.Die Vorfälle in Krümmel vor zwei Jahren waren für uns als SSW seinerzeit Grund genug zufordern, dass Betreibern von Atomkraftwerken leichter die Betriebsgenehmigung entzogenwerden kann. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass der Atomaufsicht in ihrem Handeln Grenzengesetzt sind. Frau Trauernicht hatte als Ministerin mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen,das Maximum herausgeholt. Denn so war zumindest für 2 Jahre die Gefahr, die von Krümmelausgeht gebannt. Dafür gebührt ihr unser aller Dank.Sie hat seinerzeit deutlich gemacht, dass die Hürden für die Versagung einerBetriebsgenehmigung sehr hoch sind. Soll heißen, wenn die internen Abläufe geändert werden –zum Beispiel durch den Austausch von Personal oder durch Veränderung in der Organisation,kann der Betreiber damit deutlich machen, dass er in Zukunft besser arbeiten will und kann. Obdies dann auch wirklich eintritt, ist nicht wichtig.Mit der Ankündigung von Vattenfall-Chef Hatakka, jetzt alle Prozesse, technisch undorganisatorisch, auf den Prüfstand zu stellen, erschwert Vattenfall der Aufsichtsbehörde wiedereinmal die Versagung der Betriebsgenehmigung. 3Diese Lücke im Gesetz muss geschlossen werden. Es kann nicht angehen, dass einAtomkraftwerk bei immer wiederkehrenden Verfehlungen weiter betrieben werden darf. Dastimmt etwas in der Gesetzgebung nicht.Was wir brauchen ist eine Regelung, die sich auf die Erfahrungen der Vergangenheit bezieht.Wenn die Atomaufsicht nachweisen und dokumentieren kann, dass man in der Vergangenheitseine Atomanlage nicht entsprechend den Bestimmungen betrieben hat, muss sie dieMöglichkeit bekommen, aufgrund dieser Vergangenheitswerte die Anlage zu schließen. Genausomuss es möglich sein, die Atomanlagen erst einmal nur befristet weiter zu genehmigen, wennVerfehlungen aufgetreten sind. Erst dann hat die Atomaufsicht wirklich ein scharfes Schwert inder Hand, um hier zum Wohle der Menschen eingreifen zu können.Der SSW hat schon gleich nach den letzten Vorfällen in Krümmel im August 2007 einen Antraggestellt, um das Atomgesetz zu ändern. Damals scheiterte unser Antrag daran, dass die SPD denKoalitionsfrieden erhalten wollte und die CDU sich vollständig unbelehrbar zeigte. In unseremAntrag ging es darum, die Atomaufsicht, wie jede kommunale Gewerbeaufsicht mit einementsprechenden Instrumentarium zu versehen, damit sie auch eingreifen kann und dauerhaftund nachhaltig für die höchstmögliche Sicherheit bei den Atomkraftwerken sorgen kann. JedeFrittenbude kann bei Unregelmäßigkeiten dicht gemacht werden, nur ein Atomkraftwerk nicht.Hier kann man fröhlich weiter machen wie bisher und dann mussten wir uns in der letztenSozialausschusssitzung noch von den Vertretern von Vattenfall mitteilen lassen, dass man jetztauf angeblich „neue“ Kommunikationsmittel setzt. Nachdem ich dort festgestellt hatte, dass einmit Eimer und Thermometer bewaffneter Rentner über seinen Dorfsheriff und dasInnenministerium die Atomaufsicht schneller erreicht hatte als die Betreiber desAtomkraftwerkes es augenscheinlich konnten, wurde mir allen Ernstes entgegnet, dass man jetztbei Vattenfall über neue Kommunikationsmittel wie SMS nachdenken würde. Da bleibt einemnur die Spucke weg. Erst 42 Minuten nach dem Störfall wird die Atomaufsicht unterrichtet undVattenfall sagt, wird werden jetzt vielleicht SMS nutzen. Wer so dilettantisch mit dieser riesigen 4Verantwortung umgeht, muss seinen Laden dicht gemacht bekommen. Deshalb muss wie inunserem Antrag 2007 formuliert und wie nun auch in unserem gemeinsamen Antrag mit SPDund Grünen formuliert, das Atomgesetz geändert werden. Es muss möglich sein,Genehmigungen auch befristet auszusprechen und es muss vor allem auch möglich sein,aufgrund von Vergangenheitswerten die Genehmigung auch zu entziehen.Die Vorgänge von 2007 waren für uns Grund genug, den Betreiber von Krümmel mehr als inFrage zu stellen. Aus unserer Sicht hätte er schon damals keine zweite Chance verdient gehabt.Und dann wundert man sich schon, über die Aussagen von Ministerpräsident Carstensen, derdem Betreiber nun noch eine Chance zur Reparatur gibt. Und sonst würde Herr Carstensen dafürsorgen, dass Krümmel für immer abgeschaltet werde, sagt er. Starke Worte HerrMinisterpräsident.Aber mit diesen mächtigen Worten streuen Sie, den Menschen in Schleswig-Holstein nur Sand indie Augen – indem Sie so tun, als hätten Sie alles im Griff. Herr Carstensen, wie lange wollen Siesich denn eigentlich noch von Vattenfall auf der Nase herumtanzen lassen. Vattenfall hat nichtnur in Deutschland mehrmals bewiesen, dass man nicht in der Lage ist, Atomkraftwerkevernünftig zu betreiben. Ich fordere Sie auf, schaffen sie endgültige Sicherheit in Krümmel indemdie gesetzliche Grundlage auf Bundesebene geschaffen wird, dass man solche Pannenmeilersofort abschalten kann. Nur das schafft Sicherheit und nicht starke Worte, die man nachderzeitiger Rechtslage überhaupt nicht umsetzen kann.Kritisch sehen wir im Zusammenhang mit den neuesten Vorfällen auch die Ankündigung vonVattenfall-Chef Hatakka, jetzt einen Sonderermittler einzusetzen. Einen Sonderermittler aus deneigenen Reihen zu rekrutieren, um die Vorgänge zu untersuchen, trägt nicht zurVertrauensbildung bei. Gleiches galt für die von Vattenfall 2007 eingesetzte fünfköpfigeUntersuchungskommission - die zwar aus externen Ermittlern bestand, die aber nicht unbedingtals Atomgegner bekannt waren. Und da hat es niemanden gewundert, dass dasAbschlussergebnis der Kommission eher unkritisch ausfiel. Zwar hat die Kommission seinerzeit 5die Informationspolitik von Vattenfall kritisiert, aber heute müssen wir feststellen, dass davonwenig angenommen, geschweige denn umgesetzt wurde.Auch wenn dies – ebenso wie die Maschinentransformatoren – nicht der Atomaufsichtsbehördeunterliegt, gehören solche Aspekte in die Zuverlässigkeitsüberprüfung. Denn es macht nachunserer Auffassung deutlich, wie wenig ernst Vattenfall derartige Probleme nimmt.Mit den jüngsten Ereignissen in Krümmel, hat Vattenfall sich und seinen politischenBefürwortern letztendlich einen Bärendienst erwiesen. Denn die fast schon tot erschieneneDebatte um die Sicherheit von Atomkraftwerken oder die Diskussionen um Atomkraftwerke alsHeilsbringer im Kampf gegen den Klimawandel, haben die Atomkraftwerke in ein Licht gerückt,die das Risiko dieser Technologie in den Schatten gestellt hat.Immer wieder wurde in den letzten Jahren die Diskussion um die Laufzeitverlängerung vonAtomkraftwerken auf die politische Agenda gesetzt. Aber auch nach bekannt werden derneuesten Ereignisse von Krümmel, wird gebetsmühlenartig behauptet, die Atomenergie seisicher. In Krümmel knallen die Brennstäbe durch und Herr Ramsauer von der CSU sagt, wirsollten einen kühlen Kopf bewahren.Ebenso vernagelt sind die Aussagen des baden-württembergischen MinisterpräsidentenOettinger, der unbegrenzte Laufzeiten für Atommeiler in Aussicht stellt, die dem angeblichenStand der Technik entsprechen und der Krümmel sogar als Kraftwerk mit Zukunft bezeichnet,wenn die technischen Voraussetzungen stimmen würden. Wer sich so blind und ignorant für dieAtomenergie ausspricht, verleugnet die Gefahren, die von dieser Technologieform ausgehen.Von 1965 bis Sept. 2008 hat es rund 5.700 meldepflichtige Ereignisse in deutschen Atomanlagengegeben. Auf diese Zahl wies Greenpeace jüngst hin, als der 50. Jahrestag des DeutschenAtomforums feierlich begangen wurde. Diese Zahl macht deutlich, dass Unregelmäßigkeiten inAtomkraftwerken keine Ausnahmesituation sind. Sie sind die Regel und es ist nur bedingtberuhigend, dass es rechtzeitig zu Abschaltungen gekommen ist und die Störfälle bisherbeherrschbar waren. 6Durch die immer älter werdenden Reaktoren wird die Gefahr aber nicht geschmälert – imGegenteil. Und auch im Zusammenhang mit den Gefahren aus möglichen terroristischenAngriffen, wissen wir, dass gerade die älteren Atomkraftwerke gegen Anschläge nichtausreichend gesichert sind.Das widerlegt alle Behauptungen, deutsche Atomkraftwerke seien sicher. Solche Aussagen sindAugenwischerei.Atomenergie ist und bleibt die gefährlichste Form der Energieerzeugung. Die Risiken, die von denAtomkraftwerken ausgehen, sind nicht beherrschbar.Unfälle sind nicht auszuschließen. Materialfehler, technische Defekte oder menschlichesVersagen können zu Katastrophen führen. Dies muss man sich immer wieder vor Augen führen.Krümmel ist ein Paradebeispiel für solche Unzulänglichkeiten und Fehlerhaftigkeiten. Dahermuss Krümmel umgehend vom Netz genommen werden und am Ausstieg aus dieserrisikobehafteten Energieform darf nicht gerüttelt werden.Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Atomenergie ist die Frage der Endlagerung.Hier gibt es bisher keine sichere Lösung für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle.Atomkraftwerke produzieren Müll, mit dem sich noch viele nachfolgende Generationenherumschlagen werden. Ein sicheres Wegpacken – nach dem Motto: Aus den Augen aus demSinn – gibt es nicht. Die als sicher geltenden Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfällein Moorsleben und Asse II machen deutlich, dass sie eben nicht sicher sind. Asse II zerfällt,unkontrollierte Wassereinbrüche gefährden die Standortsicherheit und es herrschtEinsturzgefahr. Was für die Ewigkeit halten sollte, ist bereits nach 40 Jahren vorbei. Was mit demradioaktiven Müll passieren soll, weiß niemand. Wer Atomstrom befürwortet, muss dann auchsagen, wie der Müll endgültig und vor allem sicher gelagert werden soll.Die Frage der Kosten ist hierbei noch nicht geklärt. Die Betreiber der Atomkraftwerke haben biszum Ende für die Einlagerung in Asse II nur 900.000 €. Gebühren bezahlt. 7Dem gegenüber stehen heute die zu erwartenden Kosten mindestens von 2,5 Mrd. € für dieSchließung und Entsorgung von Asse II. Zwar tragen die Energieversorgungsunternehmenhiervon rund 1 Mrd. €, aber die öffentliche Hand bleibt auf den Kosten von Rund 1,5 Mrd € sitzen.Und ein Endlager ist dann immer noch nicht gefunden. Es kommen also noch weitereMilliardenkosten auf die Steuerzahler zu. Das ist eine höhere Subvention durch den Staat, als siefür erneuerbare Energien überhaupt nur denkbar wäre. Hier ist unsere Forderung ganz deutlich,wer Müll produziert soll auch vollständig für die Kosten aufkommen.Die Behauptung, dass Atomenergie zu den billigen Energieformen gehört, sagt nur die halbeWahrheit. Atomstrom ist nur dann billig, wenn die Atomkraftwerke abgeschrieben sind und dieKosten für Umwelt und Gesundheit vom Steuerzahler getragen werden.Dass Atomstrom keinen Billigstrom produziert, wird auch dadurch deutlich, dass Strom an derBörse gehandelt wird, wo sich der Strompreis nach den teuersten Kraftwerken richtet. Mitanderen Worten, der angeblich „billige“ Atomstrom kommt beim Kunden nicht an, sondern trägtnur dazu bei, den Atomkonzernen weiter die Taschen zu füllen.Der Bau eines neuen Atomkraftwerks ist mit einem vergleichbaren Gaskraftwerk rund fünfmalso teuer. Legt man die Gesamtkosten für Bau und Stilllegung sowie für die Abfallentsorgungzugrunde, rechnet sich der Bau von Atomkraftwerken für private Betreiber nicht. Ohne staatlicheSubventionen und Garantien sind Atomkraftwerke nicht wirtschaftlich zu betreiben.Da staatliche Subventionen in der EU aber gegen Wettbewerbsregeln verstoßen, versucht dieAtomlobby nun das nächste Märchen um die Atomenergie zu kreieren: Atomenergie alsenergiepolitische Lösung im Kampf gegen den Klimawandel.Die Produktion von Atomstrom ist aber nicht CO2-neutral. Die Emissionen pro Kilowattstundeschwanken zwischen 30 bis 160 Gramm CO2 je nach Herkunftsland der Rohstoffe. ModerneGaskraftwerke mit Wärmeauskopplung liegen demgegenüber bei 119 Gramm CO2 jeKilowattstunde. 8Was aber schwerer wiegt ist die Tatsache, dass jeder Neubau eines Atomkraftwerkes oder dieLaufzeitverlängerung der Atomkraftwerke dazu beiträgt, den Druck aus dem Kessel zu nehmenund somit Klimaschutztechnologien weiter ausbremst.Jeder Euro, der in Atomkraftwerke oder andere alte Energieformen gesteckt wird, geht verlorenfür Forschung, Technik und Ausbau von Erneuerbaren Energien, für die Steigerung derEnergieeffizienz und für die Entwicklung von Energieeinsparungsmaßnahmen. Das sind diewirklichen Heilsbringer, wenn es darum geht, eine klimaschutzrelevante Energieversorgung zugewährleisten.Wer sich in der Diskussionen um Laufzeitverlängerung oder beim Neubau von Atomkraftwerkenzum politischen Handlanger der Atomlobby machen lässt, handelt rücksichtslos auf Kostenspäterer Generationen. Es gibt keine Alternative zum Atomausstieg – egal wer wo in Europaneue Atomkraftwerke baut. Es liegt in unserer Verantwortung, die Energieversorgung selbst zuregeln und dazu gehört auf keinen Fall eine so veraltete Technologie wie die Atomenergie. Fürunsere Atomkraftwerke gibt es nur eine Lösung und die regelt das Atomausstiegsgesetz; es seidenn sie müssen vorher abgeschaltet werden, wie Krümmel.