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Luise Amtsberg zu Abschiebungen in das Kosovo
Presseinformation Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 29 – Abschiebungen in das Kosovo aussetzen Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Telefon: 0431 / 988 - 1503 Dazu sagt die flüchtlingspolitische Sprecherin der Fraktion Fax: 0431 / 988 - 1501 Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172 / 541 83 53Luise Amtsberg: presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 292.10 / 21.05.2010Es tut nicht weh, sich für die Rechte von Minderheiten einzusetzen und einen Fehler einzugestehenFrau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren,am 14.04.2010 wurde von der schwarz-gelben Bundesregierung in Berlin ein Rück- nahmeabkommen zwischen Deutschland und dem Kosovo unterzeichnet. Mit diesem Abkommen wird die ohnehin aus menschenrechtlicher Perspektive scharf zu kritisie- rende Praxis der Abschiebungen von Roma und Sinti gesetzlich zementiert.In den nächsten Jahren sollen jährlich 2500 Menschen aus Deutschland abgeschoben und an das Kosovo überstellt werden. Jede und Jeder der Betroffenen darf nun mit der täglichen Angst leben, nachts von Behörden mitgenommen und ausgeflogen zu wer- den. Meine Fraktion, kritisiert dieses Vorgehen aufs Schärfste und fordert mit diesem Antrag die Landesregierung auf, auf Abschiebungen von Roma und Ashkali aus Schleswig-Holstein ohne Ausnahme zu verzichten und sich auf der IMK am 27./28. Mai dafür einzusetzen, dass dieser Weg auch auf Bundesebene gegangen wird.Nicht nur die Experten der Flüchtlingsräte und PRO ASYL fordern einen sofortigen Ab- schiebestopp, auch internationale Organisationen, der UNHCR, die OSZE, der Men- schenrechtskommissar des Europarates weisen in ihren jüngsten Berichten auf die dramatische Menschenrechtslage der Roma und Ashkali hin.Was erwartet diese Menschen im Kosovo? Es erwartet sie ein Leben in Gebieten, ab- seits der Städte, die noch nicht einmal auf der Landkarte eingezeichnet sind. Sie leben in Baracken ohne Infrastruktur, Strom oder sanitärer Einrichtungen, manchmal sogar auf verseuchtem Boden, weil es nach wie vor im Kosovo keine ausreichende Aufnah- me- und Integrationskapazität für Minderheiten, Kranke oder Rückkehrer, die mittellos sind, gibt. Seite 1 von 2 Es gibt für Abgeschobene kaum Unterstützung im Kosovo, weder von kosovarischen noch von internationalen Institutionen. Abgeschobene Flüchtlinge sind völlig auf sich selbst gestellt, bzw. auf Unterstützung aus dem Familienverbund angewiesen. Roma und andere ethnische Minderheiten haben häufig keine Unterkunftsmöglichkeit und fin- den keine Arbeit. Sie leben gesellschaftlich isoliert.Und gerade die Situation von abgeschobenen Roma-Kindern, die, weil sie in Deutsch- land geboren wurden, weder albanisch oder serbisch sprechen und deshalb im Kosovo nicht in die Schule gehen können, ist besonders ausweglos. Und wenn die Kinder doch in die Schule gehen können, erfahren sie dort Ablehnung und Rassismus.Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht zulassen. Ich finde es unsäg- lich, dass sich die Bundesregierung über all diese Erkenntnisse stellt! Und ich frage mich ganz ernsthaft, woher sie das Vertrauen nimmt, dass ihre Entscheidung eine gute war. Ist es vielleicht Bequemlichkeit? Denn wer von der Bundesregierung kontrolliert am Ende, ob das Kosovo die Rechte dieser Minderheit wahrt. Die Tatsache, dass das Ko- sovo in seinem „neuen“ Gesetz für die lokale Selbstverwaltung, die vorher gegebene proportionale Beteiligung von Minderheiten im öffentlichen Dienst abgeschafft hat, zeigt doch wohl eine andere Richtung auf.Aber die Bundesregierung handelt frei nach dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn! Und dass, obwohl Deutschland sich in seiner dunkelsten Vergangenheit an der Depor- tation und Ermordung hunderttausender Roma schuldig gemacht hat. Vor diesem Hin- tergrund ist es eine historische Verantwortung die Deutschland gegenüber den Roma übernehmen muss. Diese moralische Verpflichtung hat Deutschland bis heute nicht an- erkannt. Deshalb ist es das Mindeste, was Deutschland erbringen muss, nicht nur auf die Abschiebungen zu verzichten, sondern sich auch aktiv um Integration und Verbes- serung der Lebensumstände von Roma in der Bundesrepublik zu bemühen.Denn, verehrte Kolleginnen und Kollegen, es sind nicht nur die Betroffenen, welche die aktuelle Abschiebepolitik als eine fatale Verlängerung der Geschichte verstehen. Und deshalb sage ich Ihnen: Es tut nicht weh, sich für die Rechte von Minderheiten einzu- setzen. Es tut auch nicht weh, die beschlossene Praxis neu zu überdenken und einen Fehler einzugestehen.Ich weiß, dass ich hier einer Fraktion gegenüberstehe, die es noch nicht einmal für nö- tig erachtet, den Roma und Sinti ihr Recht als schützens- und förderungswürdige Min- derheit in der Landesverfassung zuzugestehen obwohl sie eine der vier nationalen Minderheiten in der Bundesrepublik sind und obwohl einige der Roma-Familien hier auf eine 300-jährige Familiengeschichte in Schleswig-Holstein zurückblicken können.Ich vermute auch, dass mein Appell an die FDP-Fraktion verhallen wird – mit ihrem neuen Koalitionspartner sind selbst die wenigen guten Seiten ihrer Partei flöten gegan- gen.Und dennoch werde ich nicht müde mich vor Sie zu stellen und Ihnen zu sagen, dass in dieser Frage der Maßstab nicht das Parteiprogramm oder gefährdete Wählerstimmen sind: hier geht es um eine Abwägung, die wir an vielen Stellen schon treffen mussten! Es geht um Menschenrechte und darum, dass wir nicht das Recht haben, Menschen in ein Land zu schicken, das ihnen keinen Schutz bietet, keine Perspektive und ihre Ge- sundheit, schlimmstenfalls ihr Leben einfordert. Das ist unerträglich! Hören Sie auf da- mit! *** 2