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10.09.10 , 17:26 Uhr
B 90/Grüne

Robert Habeck zu Europäischen Kulturstrategie

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus TOP 19 – Europäische Kulturstrategie in Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Schleswig-Holstein umsetzen Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Dazu sagt der Vorsitzende Mobil: 0172 / 541 83 53 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, presse@gruene.ltsh.de Robert Habeck: www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 517.10 / 10.09.2010

Die europäische Kulturstrategie ist eine, die das interkulturelle Verständnis fördert
Sehr geehrte Damen und Herren, das politische Problem ist in diesem Fall kein finanzielles. Die EU-Kulturstrategie listet eine Reihe von Programmen auf. Darum aber geht es heute gar nicht. Es geht um das Verständnis von Kultur. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zur Kulturstrategie lauwarme Worte gefunden, lobend im allgemeinen, im Konkreten jedoch beklagt er sich, dass ein Tätigwerden der EU im Kulturbereich nur rein subsidiär, also lediglich als Ergänzung der Kulturpolitik der Mitgliedstaaten erfolgen kann. Die Vorschläge der Kommission würden schwerpunktmäßig in den Kernbereich der Kulturhoheit der Länder fallen.
Sehr geehrte Damen und Herren, Kultur schafft Identitäten. Bitte beachten Sie den Plural. Denn aus ihm folgt ein unge- mein politischer Schluss. Kerngedanke der europäischen Kulturstrategie, die 2007 ins Leben gerufen wurde, ist nämlich, dass in einer zunehmend globalisierten Welt, Kultur den europäischen Integrationsprozess befördern und die Beziehungen zu Drittländern anregen kann. Da nickt man und denkt sich nichts weiter dabei. Doch das wäre genau falsch. Denn die Frage drängt sich auf, ob eine europäische Kulturstrategie eine euro- päische Kultur, gar eine europäische Leitkultur voraussetzt. Und dann klingen einem die Ohren von dem Wortgetümmel all der Konservativen, die meinen, Europa, das sei das christliche Abendland. Und noch weiter rechts - dass Europa ein Europa der Vater- länder sei.
Nun, meine Damen und Herren, genau das sagt die europäische Kulturstrategie nicht. Und sie sagt es nicht, weil diese Meinungen erstens europafeindlich sind – aber diese Debatte werden wir hier nicht füh- ren – und zweitens kulturfeindlich sind. Seite 1 von 2 Die Werte und das gemeinsame Erbe, das Europa ausmacht, ist das Wissen um den Austausch zwischen seinen Völkern, Sprachen, Kulturen. Alles im Plural gesprochen. Und Europa hat immer dann nicht als Europa agiert, wenn es sich diesem Wissen ver- weigert hat und dafür Krieg und Intoleranz den Vortritt gegeben hat. Die europäische Kulturstrategie ist eine, die das interkulturelle Verständnis fördert.
Und das, meine Damen und Herren, wirft eine weitere Frage auf. Die Globalisierung wird von vielen Menschen als Bedrohung empfunden, eine digitalisierte Welt als ano- nym, die schnellere und härtere Arbeitswelt verlangt von uns häufige Jobwechsel und damit verbunden häufige Umzüge. Im Hotel aber ist man nicht zuhause. Wie soll man eine kulturelle Identität aufbauen, wenn Europa praktisch genau das bedeutet: interna- tionale Märkte, Globalisierung, Einführung neuer Techniken? Wie soll eine europäische Kulturstrategie aussehen, die nicht rückwärts gerichtet ist und die die Probleme, die Eu- ropa mit aufwirft, löst?
Nun, die Antwort liegt vor unserer Haustür. Das Musikfestival ging gerade zu Ende – mit internationaler Orchesterakademie und Polen als Gastland, einem Land, das noch vor wenigen Jahrzehnten die gleichen dämlichen Ressentiments hervorgerufen hat, wie heute manchmal die Türkei. Und die gemeinsame Bewerbung von Sönderborg mit der Region Flensburg zur europäischen Kulturhauptstadt fasst das so lange kulturell um- kämpfte Grenzland als gemeinsame, in seiner kulturellen Verschiedenheit, eigenstän- digen und sich bereichernde Region.
Über den Kulturwirtschaftsbericht der Landesregierung haben wir hier vor ein paar Wo- chen diskutiert und ich erneuere meine Kritik: Schleswig-Holstein ist mit seinem unteren Mittelmaß zu Unrecht zufrieden. Kulturschaffende und Kreative wollen Grenzen auslo- ten. Nun sprichwörtlich: Was könnte einladender sein, als ein Land der Horizonte. Wo, wenn nicht hier, sollte das Wissen darüber vorherrschen, dass Kultur ein weiterer Beg- riff ist, als der eines Bundeslandes.
Und darüber hinaus: Weil das Land faktisch keine Kulturpolitik betreibt, noch nicht mal einen Kulturentwicklungsplan in der Lage ist, vorzulegen, obwohl der seit Monaten für viel Geld erstellt in den Schubladen des Ministeriums liegt und weil es bei seinen Min- derheiten kürzt, sollte es sich nicht auch noch herausnehmen, eine internationale und ehrgeizige Initiative zu blockieren.



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